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14.01.2012

Reduktionistisches Zerrbild


»Helmut Zander hält sich selbst nicht an seine angekündigte Restriktion«, schreibt Albrecht Hüttig im Sammelband »Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart«, »übersinnliche Wahrnehmungen neutral zu behandeln. Nach ihm hat Rudolf Steiner bewusst seine Quellen verschwiegen, und zwar aus niedrigen Beweggründen ... Sein immanentes Postulat fordert, dass es die höheren Wahrnehmungen nicht gibt ...

Größer könnte der methodologische Widerspruch kaum sein: Die anthroposophische Erkenntnismethode wird als Irrweg deklariert, damit natürlich auch die mittels dieser Methode gewonnenen Einsichten. Ohne Erkenntnisse oder zumindest Erkenntnismöglichkeiten, welche die materielle Welt transzendieren und auf die sich der Forschende existentiell vorbereiten bzw. einlassen muss, wenn er auf diesem Gebiet aktiv werden möchte, ist Anthroposophie inexistent. Anthroposophie ist aber Helmut Zanders Forschungsinhalt. Indem er dieser ihre wichtigste Dimension abspricht, hat er es nur noch mit einem Zerrbild zu tun. Dieser Reduktionismus ist wissenschaftsmethodisch einfach zu kategorisieren: Wenn es etwas nicht gibt, kann es auch nicht erforscht werden. Dann bedarf es auch keines zweibändigen Werkes. Dieses Dilemma kann mit folgenden Analogieannahmen verdeutlicht werden: Die Analyse der Kunst halte ausschließlich die materiellen Mittel der Ästhetik für real, beanspruche aber, Kunstwerke zu erfassen und beurteilen zu dürfen – man negiere die Korrelation von Energie und Materie und urteile trotzdem über Ergebnisse der Atomphysik, oder es würde eine Biographie nur aus den politischen Bedingungen als einzig real angenommene Größe  erklärt ... Was dann an Ergebnissen herauskäme, bedarf keiner allzu großen Phantasie.

Helmut Zander ... praktiziert einen zweifachen Reduktionismus: einmal den der Geschichtswissenschaft – und mit ihm arbeitet er –, dann den der Anthroposophie – sie möchte er erforschen. Ein solch reduktionistischer Ansatz kann nur zu reduktionistischen Resultaten führen ...

Anthroposophie ist nach seinem Wirklichkeitsverständnis ein Konstrukt, das sich paradoxerweise in der gesellschaftlichen Praxis bewähren kann bzw. bewährt hat, wobei eindeutig unterstellt wird, dass sie, die Anthroposophie, sich negieren oder marginalisieren könnte, ohne ihre Praxiserfolge zu beeinflussen. Sein Ansatz determiniert ein solch kontradiktorisches Ergebnis, weil nur das als relevant angesehen wird, was ihn beweisen soll. Die von ihm gewählte Distanz zur Methodik anthroposophischen Forschens wird zu einer Erkennntnisbarriere.«