Laut Zander bezeichnete Steiner Annie Besant 1902 als »religiöses Genie«.

Auf S. 103 schreibt Zander in Anmerkung 156:

»Steiner bezeichnete sie [Annie Besant] am 8.10.1902 als »religiöses Genie … Auch sie ist hervorgegangen aus der modernen Naturwissenschaft, sie hat früher in England in sozialistischen Arbeiterkreisen die deutschen Materialisten interpretiert. Sie hat alle Leiden der Erkenntnis kosten müssen«. (Steiner: Monismus und Theosophie, 754) Dies könnte in wesentlichen Teilen auch für Steiners Leben gelten.

Diese Passage fehlt an der entsprechenden Stelle in GA 51,314.«

Zander zitiert als Quelle das Referat zu diesem Vortrag, das in der Zeitschrift »Psychische Studien«, XXIX, Jahrgang, 12. Heft, Dezember 1902, auf S. 750-757 erschienen ist. Dieses Referat, dessen Verfasser vermutlich Max Seiling war, stimmt nicht mit jenem überein, das in der Gesamtausgabe erschienen ist, das den Text aus der Zeitschrift »Der Freidenker« wiedergibt (der Text des Vortrags findet sich hier). Das Referat in den »Psychischen Studien« kann nicht als authentisch gelten.

Max Seiling gehörte zu den katholischen Gegnern Steiners. Der 1852 in Mittenwald in Oberbayern geborene Seiling übernahm nach einem Studium in München 1879 einen Lehrauftrag am Polytechnikum Helsingfors, den er bis 1898 innehatte. Seiling war spätestens seit 1902 regelmäßiger Mitarbeiter der vom russischen Staatsrat Graf Alexander Aksakow begründeten und von Friedrich Maier in Leipzig herausgegebenen Monatszeitschrift Psychische Studien, die sich hauptsächlich mit Spiritismus (Parapsychologie) befasste. Hier finden sich über die Jahre verstreut eine Reihe seiner Broschüren zuerst in Aufsatzform. Seiling unterzeichnete im Jahr 1905 den Aufruf zur Gründung einer Guido-von-List-Gesellschaft, die schließlich im Jahr 1908 zustande kam. Er wurde 1908 Mitglied dieser Gesellschaft und gehört zu den Schlüsselfiguren des völkischen Kampfes gegen Steiner.

Seiling wird von seinem Neffen Max Gümbel-Seiling als bigott, ja fanatisch, von Augenzeugen als kriecherisch und verlogen, als eitel und ehrsüchtig, als Plagiator und Lügner beschrieben. Mag diese Beschreibung auch durch den Zorn über einen unlauteren Gegner veranlasst sein, so erklärt sie doch die seltsamen Wandlungen in dessen Verhalten und wird durch den Befund bestätigt, der sich aus seinen Veröffentlichungen ergibt.

Ernst Uehli, Eugen Kolisko und andere Mitstreiter Steiners setzten sich ab 1919 mit den Angriffen auseinander, die von antisemitischer Seite gegen die Anthroposophie vorgetragen wurden.

Uehli schrieb in der Zeitschrift Dreigliederung, die in Stuttgart erschien, im Oktober 1919 über Seiling. Seilings einstige Anhängerschaft war nach Ablehnung einer von ihm verfassten Broschüre über Christus durch Steiner in Feindschaft und Hass umgeschlagen. 1911 hatte Steiner Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit veröffentlicht. Seiling verfasste ein Plagiat dieser Schrift mit dem Titel Wer war Christus? Die Arbeit hatte er Steiner in der Hoffnung vorgelegt, sie werde im Philosophisch-Anthroposophischen Verlag, der von Steiner und seiner Frau geleitet wurde, veröffentlicht. Steiner bemerkte über Seilings Plagiat: »Sie stellen mich in Ihrer Schrift als einen Stümper hin«, und lehnte die Veröffentlichung ab (Ernst Uehli, »Der Fall Seiling«, Dreigliederung, Nr. 14, 1. Jg., Oktober 1919. Steiners bissige Bemerkung bezog sich auf den Anspruch Seilings, die angeblichen Unklarheiten in Steiners Schrift verbessert zu haben.)

Ein anderer Schüler Steiners, der Historiker Karl Heyer, schrieb in seinem Buch Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft 1932 über Seiling: »Um 1907 war Seiling noch ausgesprochener Gegner Dr. Steiners. Er sprach von diesem immer nur … in gehässigster Weise. Dennoch hörte er Rudolf Steiners Vorträge in München und machte sich vor und nach diesen an ihn mit Fragen … heran. Zu einer Dame sagte er damals: ›Ich würde ja nicht hereingehen (in Dr. Steiners Vorträge), wenn ich ihn nicht brauchte.‹« (Karl Heyer, Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft, Stuttgart 1932, S. 51-59.) Seiling trat zusammen mit seiner Frau Helene 1908 in die Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft ein, im selben Jahr, in dem die Guido-von-List-Gesellschaft, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte, offiziell aus der Taufe gehoben wurde. (Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, herausgegeben von Mathilde Scholl, unveränderter Nachdruck aller erschienenen Hefte, Dornach 1999, S. 81, ursprünglich in Heft VII vom September 1908, S. 1.)

Heyer fährt unter Berufung auf den Neffen Seilings fort: »Er stürzte sich mit fieberhafter Begeisterung in die Theosophie, verwandelte sich … in einen glühenden Verehrer … Rudolf Steiners und fing an, ihn in der widerwärtigsten Weise zu verhimmeln und sich ihm aufzudrängen.« Seiling habe von Steiner öffentlich als einer »Posaune Gottes« gesprochen und anderes mehr. Er habe einen Kreis von Verehrerinnen um sich gesammelt und vornehmlich Vorträge über Wagner gehalten, den er mindestens so abgöttisch bewunderte.

Im Jahr 1918 schrieb Seiling in seinem Pamphlet Die anthroposophische Bewegung und ihr Prophet: »Hier habe ich zu bekennen, dass ich, angezogen von der theosophischen Lehre, 8 Jahre lang Mitglied der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft war und, unter der suggestiven Macht Steiners stehend meine Christus-Schrift … verfasst habe, dass aber mein allmählich wieder erwachendes kritisches Verhalten mich schließlich zur gänzlichen Lossagung vom neuen Propheten und seiner Gemeinde geführt hat.« (Max Seiling, Die anthroposophische Bewegung und ihr Prophet, 1. Aufl. im Verlag von Wilhelm Heims, Leipzig 1918; 2., stark vermehrte Auflage im Verlag von Karl Rohm, Lorch, (1921) S. 7.) In seinem Nachwort bekannte er sich dazu, zur katholischen Kirche übergetreten zu sein. Er sei »immer mehr zu der Überzeugung« gekommen, »dass das wahre Heil einzig in der katholischen Kirche zu finden ist«.

Heyer kommentierte 1932 lakonisch: »Vier Bekenntnisse hat also Seiling im Laufe seines Lebens abgelegt: 1898 bekennt er seinen früheren Materialismus als irrig und ist Spiritist geworden. 1910 erklärt er, dass er aus Vertrauen zu Rudolf Steiner zur theosophischen Bewegung gefunden hat. 1918 ›bekennt‹ er, acht Jahre unter suggestivem Einfluss gestanden zu haben, und erklärt endlich – viertens – seine Rückkehr zum Katholizismus!« Die zweite, stark vermehrte Auflage des Seilingschen Pamphlets erschien 1921 im Verlag von Karl Rohm in Lorch. Auf der Bauchbinde des Buches konnte man lesen: »Eine Kritik über Dr. Rudolf Steiner, seine Gesellschaft, seine philosophischen, politischen und wirtschaftlichen Bestrebungen. Ein Warnruf an das deutsche Volk!« Letzteres eine Anspielung auf Steiners 1919 veröffentlichten »Aufruf an das deutsche Volk und die deutsche Kulturwelt«, mit dem dieser für die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus geworben hatte.

Der Neffe Seilings, Max Gümbel-Seiling, schrieb später über seinen zum Renegaten gewordenen Onkel:. »Von da an warf er sich mit glühendem Eifer der katholischen Kirche in die Arme … Er kennt eigentlich nur Extreme: Verehrung, Verachtung oder besser gesagt: Schwärmerei, Schmähung.« »Was ein bisschen was ist, ist katholisch«, sei nun des Hofrats neue Devise.

Dubiose Quellen zieht Zander heran, um die unbeweisbare Behauptung zu untermauern, bei Steiner hätten »neben (oder vor?) weltanschaulichen Gründen ökonomische Notwendigkeiten eine Rolle« gespielt, als er sich 1902 für das Amt des Generalsekretärs der Theosophischen Gesellschaft zur Verfügung stellte.

Zander reiht auf S. 134-135 mehrere Hypothesen aneinander, um folgende Behauptung zu untermauern: »Zum anderen spielten neben (oder vor?) weltanschaulichen Gründen ökonomische Notwendigkeiten eine Rolle.«

Steiner »dürfte aus der Tätigkeit in der Theosophischen Gesellschaft de facto eine pekuniäre Lebenssicherung erwachsen sein.« »Er soll ein Gehalt oder eine Spende von 30.000 Reichsmark, nach anderen Aussagen 2.000 Reichsmark (monatlich?) erhalten haben, Hübbe-Schleiden berichtete von einem Reisekosten-Etat in Höhe von 30.000 bis 40.000 Mark.«

Zander widerlegt seine eigenen Behauptungen, gesteht er doch zu, dass »undurchschaubar war (letztlich bis heute unklar ist) wie und in welcher Höhe er von den Mitgliedern finanziert wurde.« (S. 134)

Während Steiner »eine Gehaltszahlung immer verneinte« (S. 135), beruft Zander sich auf dubiose Quellen, um das Gegenteil zu behaupten: Hugo Vollrath, der 1908 aufgrund undurchsichtigen Wirtschaftsgebarens aus der Theosophischen Gesellschaft ausgeschlossen wurde und Hübbe-Schleiden, der keine direkte Einsicht in die Finanzierung hatte. Auch Hans Freimark, der zu den Kritikern Steiners gehörte, Hans Leisegang (Die Grundlagen der Anthroposophie. Eine Kritik der Schriften Rudolf Steiners, 1922) und Wilhelm Heims (Dr. Rudolf Steiner und seine Anhänger, 1914) stellen als weitere Gegner in dieser Frage keine verlässlichen Quellen dar.

Hans Freimark veröffentlichte 1912 im Wilhelm Heims Verlag das Buch »Die okkultistische Bewegung« und ebenfalls 1912 im selben Verlag »Moderne Theosophen und ihre Theosophie«. Er verfaßte zusammen mit seinem Verleger, der eine »Spezialbuchhandlung für Philosophie und Völkerkunde« in Leipzig betrieb, 1914 die Broschüre »Zur Theosophistik moderner Theosophen«, zu der Heims »Dr. Rudolf Steiner und seine Anhänger« und Freimark »Werdende Wissenschaft?« beisteuerte. Freimark war später Schriftleiter der Zeitschrift »Okkulte Welt«, die ab 1919 im Verlag Johannes Baum, Pfullingen erschien.

Von Zanders Behauptungen bleibt nichts übrig als lauter Gerüchte und Vermutungen, die im Ton autoritativer Gewissheit vorgetragen werden.

Zu Freimark, Vollrath, Heims und Konsorten siehe: Lorenzo Ravagli, Unter Hammer und Hakenkreuz. Der Kampf der völkisch-nationalsozialistischen Bewegung gegen die Anthroposophie, Stuttgart 2004. Ebenso: Ulrich Linse, »Universale Bruderschaft« oder nationaler Rassenkrieg – die deutschen Theosophen im Ersten Weltkrieg, in: Heinz-Gerhard Haupt, Dieter Langewiesche (Hrsg.), Nation und Religion in der deutschen Geschichte, Frankfurt 2001, S. 602 ff.

In seinen Ausführungen zu Steiners »Weg in die Theosophie« stützt Zander sich unter anderem auf Voruntersuchungen Jakob Wilhelm Hauers. Hauer veröffentlichte 1922 das Buch »Werden und Wesen der Anthroposophie«.

Auf S. 547 schreibt Zander in einer Anmerkung:

»Der berühmte Indologe Jakob Wilhelm Hauer, der später im Nationalsozialismus zu den Deutschen Christen stiess und sich an der Verfolgung der Anthroposophie beteiligte, wies in ›Werden und Wesen der Anthroposophie‹ 1922 öffentlichkeitswirksam auf Steiners Textrevisionen bei Neuauflagen hin, die seine theosophischen Wurzeln kaschierten.«

Hauer ist eine mehr als dubiose Quelle. Dass er sich in der Zeit des Nationalsozialismus an der Verfolgung der Anthroposophie beteiligte, ist gelinde gesagt eine Untertreibung.

Hauer war ein völkischer Germanophiler, der ab 1921 zu den erklärten Gegnern Steiners gehörte. Er gründete die völkische »Deutsche Glaubensgemeinschaft«, die er vom Naziregime zur Staatsreligion erklären lassen wollte. Hauer war bedingungsloser Anhänger des Nationalsozialismus. Seine Gutachten, in denen er die Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und Anthroposophie darlegte, waren entscheidend für das Schüleraufnahmeverbot gegen die Waldorfschulen ab 1934, das Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland 1935 und letztlich auch 1941 für das Verbot der Christengemeinschaft, zu dem er Himmler in einem persönlichen Briefwechsel erfolgreich drängte.

Im Oktober 1921 hielt Hauer vier Vorträge im Stuttgarter Siegel-Haus, die im November 1921 unter dem Titel »Werden und Wesen der Anthroposophie. Eine Wertung und eine Kritik« als Buch in zwei Auflagen 1922 und 1923 erschienen. Wiederentdeckt als Kritiker Steiners, tauchte 2004 eine Neuauflage auf. Die Herausgeber empfehlen das Buch heute »unbedarften Eltern«, die ihre Kinder auf eine Waldorfschule schicken wollen, ohne »über die okkulten Hintergründe dieser Lehre informiert zu sein«. In seiner Behandlung der NS-Zeit übergeht Zander Hauers Urteil einer eindeutigen Unvereinbarkeit von Anthroposophie und Nationalsozialismus. 1935 schrieb Hauer in einem Bericht an den Reichsführer der SS folgendes:

»Ich halte die anthroposophische Weltanschauung, die in jeder Beziehung international und pazifistisch eingestellt ist, für schlechthin unvereinbar mit der nationalsozialistischen. Die nationalsozialistische Weltanschauung baut sich auf auf dem Gedanken von Blut, Rasse, Volk und dann auf der Idee vom totalen Staat. Gerade diese zwei Grundpfeiler der nationalsozialistischen Weltanschauung und des Dritten Reiches werden von der Weltanschauung der Anthroposophie verneint. ... Jede Untersuchung und Betätigung der Anthroposophie entspringt der anthroposophischen Weltanschauung mit Notwendigkeit. Darum bedeuten Schulen, die auf anthroposophischer Weltanschauung aufgebaut, von Anthroposophen betreut werden, eine Gefahr für echte deutsche Bildung ....«

(Jakob Wilhelm Hauer an den Sicherheitsdienst RFSS, Oberabschnitt Süd-West, Stuttgart, vom 7. Februar 1935. BAD R 4901-3285. Hauer)

Peter Kratz vom Berliner Institut für Faschismusforschung schrieb 1988 über Hauer:

»Wilhelm Hauer (1881-1962, 1933 legte er seinen ›jüdischen‹ Vornamen Jakob ab) der Professor für Religionswissenschaft in Marburg und Tübingen beschäftigte sich zeitlebens mit den Unterschieden germanischer, persischer und indischer (›arischer‹) und ›semitisch-vorderasiatischer‹ Religiösität, worunter die völkische Ideologie die moslemische, die jüdische und die aus dem Judentum hervorgegangene christliche Religion zählt.

...

In seinen Hauptwerken ›Deutsche Gottschau‹ (Stuttgart 1934), ›Was will die Deutsche Glaubensbewegung‹ (Stuttgart o.J.(1935)) und ›Religion und Rasse‹ (Tübingen 1941; es beinhaltet eine Sammlung von Hauer-Vorträgen an der ›Wissenschaftlichen Akademie Tübingen des NSD-Dozentenbundes‹) legte Hauer die Grundpositionen seiner völkischen Religiösität nieder:

• Religiösität sei rassisch bedingt, daher sei das ›vorderasiatisch-semitische‹ Christentum den Deutschen eine ›Fremdreligion‹. Zentral sei das mystische religiöse Urerlebnis des Individuums, das von Volk zu Volk verschieden sei. Ebenso wie die biologische Rassereinheit müsse die religiöse Reinheit des Volkes durch Kampf gegen das gegen die deutsche Art gerichtete Christentum erreicht werden: ›Wir haben jene vorderasiatisch-semitische Verfremdung als das Unheil unseres Volkes erkannt. Darum führen wir gegen sie einen unerbittlichen Kampf‹ (Gottschau, S. 253).

• Juden- und Christentum hätten den Menschen ›seiner Geborgenheit in Natur und Kosmos‹ entrissen durch die Entgegensetzung (›Dualismus‹) von Gott und Welt. Das Germanentum sehe dagegen in seinem Glauben eine Einheit von Gott und Natur: ›Gott in der Natur, die Natur im innersten Kern wesender Gott‹ (S. 238)

• das germanische Prinzip der Einheit von Gott und Natur/Welt habe auch gesellschaftlich-historische Folgen: »Die Geschichte eines Volkes ist Gottgeschehen« (S. 153); ›was als soziologische Ordnung erscheint, ist tief gesehen, göttliches Wirken, die Ordnungsmächte des Lebens sind ewige Mächte‹ (S. 57).

• die deutsche Religionsalternative finde sich vor allem bei dem Mystiker Meister Eckehart (›einer der größten artechten deutschen Lehrmeister‹) (Was will..., S. 34) und einigen Philosophen des 19. Jahrhunderts, die den artgemäßen deutschen Glauben der Einheit von Gott und Kosmos und den Rückgriff auf germanisch-arische Naturmythologie gegen alle Christianisierung bewahrt hätten.

Hauer beschränkte sich im wesentlichen darauf, die teilweise unterschiedlichen Ansätze Lagardes und Langbehns in diesen Positionen zusammenzuführen, deutlicher pantheistisch auszuformulieren und direkt den Bedürfnissen des NS-Staates (zu Zeiten des Kulturkampfes vor allem gegen die katholische Kirche) dienstbar zu machen. Dabei enthält seine rassistisch begründete Trennung der Religiösitäten keine Höherbewertung der deutsch-germanischen gegenüber anderen, sondern die Forderung nach einer radikalen Trennung (Apartheid): undeutsche Religion hat in Deutschland nichts zu suchen, im Orient darf sie sein.

Eigentlich neue Gedanken brachte er in die Theologie der germanischen Religion nicht ein, betätigte sich statt dessen vor allem als Agitator der von ihm geführten ›Deutschen Glaubensbewegung‹ (DG), die inoffiziell als die eigentliche Religionsgemeinschaft der HJ/SA-Kader galt. Statt eigene kultische Handlungen zu entwickeln, beschränkte sich die DG – neben dem NS-üblichen Feiern germanischer Feste – auf antichristliche / antijüdische Agitation und die Propagierung der Inhalte von Rosenbergs ›Mythus des 20. Jahrhunderts‹, das nach Zeitzeugenberichten die ›Bibel‹ der DG war.

Nach den »Deutschlandberichte(n) der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1934-1940« (Frankfurt 1980, Bde. 1935, 1936, 1937) hielt Hauer zahlreiche antichristliche und antijüdische Veranstaltungen unter dem Saalschutz von SA und SS ab. Dabei wurden christliche Zwischenrufer oft brutal zusammengeschlagen. Vor allem im Rheinland kam es aufgrund von Denunziationen der Hauer Bewegung zu Verhaftungen und Verfolgungen christlicher Jugendlicher.

In einem Flugblatt der Hauer-Bewegung von 1935 heißt es:

›Was will die Deutsche Glaubensbewegung?

Einen von fremden Einflüssen freien, arteigenen deutschen Glauben ... Die Befreiung unseres Glaubenslebens von Formen und Vorstellungen, die aus der fremden jüdisch-morgenländischen Welt entstammen ... Wir wissen, daß die Gegebenheiten, Volk und Rasse, Blut und Boden unseren Glauben bestimmen, der darum nur ein deutscher sein kann ... Wir stehen bewußt und vorbehaltlos zu den Grundsätzen und Forderungen des nationalsozialistischen Staates ... Ein Großteil der zu uns gehörenden Volksgenossen besteht aus Parteigenossen, SA- und SS-Männern‹.(Deutschland-Berichte, 1935, S. 237 f)

Hauer verlor im Rahmen der Entnazifizierung nach 1945 seine Professur, publizierte aber weiterhin völkische Schriften, u.a. auch in der von Hunke herausgegebenen DUR-Zeitschrift ›Glaube und Tat‹.

(Quelle: Berliner Institut für Faschismus-Forschung und Antifaschistische Aktion | http://www.bifff-berlin.de/Mynarek.htm | Stand: 19.11.2011)


Ausführlicher untersucht wird Hauer von Horst Junginger in seinem Buch: Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft an der Universität Tübingen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches, Stuttgart 1999, S. 197-215. Ebenfalls geht auf dessen Treiben ein Uwe Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945), München 1999. Vgl. dazu Lorenzo Ravagli: Unter Hammer und Hakenkreuz. Der Kampf der völkisch-nationalsozialistischen Bewegung gegen die Anthroposophie, Stuttgart 2004.

Bei seiner manischen Suche nach Quellen für das Werk Steiners außerhalb des Steinerwerkes führt Zander eine ganz neue Kategorie von Quellen ein. Wo er keine nennenswerten Quellen namhaft machen kann, postuliert er schlicht »nicht genau identifizierbare Quellen« für Steiners Wissen von der nichtsinnlichen Welt. »Nicht genau identifizierbare Quellen« sind mehr als dubios.

Auf S. 575 schreibt Zander über Steiners Schilderung der einzelnen Regionen der Seelenwelt, die das geistige Wesen des Menschen nach dem Tod durchwandert:

»Diese Begriffe evozieren eine Art kartographischer Realität und rekurrieren auf Jenseitskonzepte nicht genau identifizierbarer Quellen. Aber strukturell vergleichbare Aussagen sind sowohl in der christlichen wie in der hinduistischen und mahayana-buddhistischen Literatur über das Purgatorium weit verbreitet, und natürlich auch im Spiritismus.«

Dieser Vorgang ist beispiellos. Wenn der inquisitorische Spurensucher keine Quellen finden oder benennen kann, dann wirft er seinen Generalverdacht des Plagiarismus über die betreffende Leerstelle und postuliert »nicht genau identifizierbare Quellen«. Nicht genau identifizierbare Quellen sind die UFOs der Quellenkunde. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Dass Zander sich durch Steiners Ausführungen an »strukturell« vergleichbare Aussagen in der christlichen, hinduistischen, mahayana-buddhistischen Literatur erinnert fühlt  – vielleicht sollte man hier der Vollständigkeit halber z.B. noch das Ägyptische Totenbuch, die Kabbala, den Neuplatonismus und die schamanistischen Traditionen hinzufügen – ist lobenswert, zeigt es doch, dass er sich mit diesen »Quellen« zumindest oberflächlich beschäftigt hat.

Nur kann man daran natürlich wieder die Frage anknüpfen, aus welchen Quellen denn die christliche, hinduistische und mahayana-buddhistische Literatur und alle anderen spirituellen Traditionen geschöpft haben. Haben deren Autoren denn auch alle voneinander abgeschrieben – oder konnten und können sie bis heute vielleicht auf authentische spirituelle Erfahrungen zurückgreifen? Und gibt es in ihren zweifelsfrei unabhängig voneinander entstandenen Schilderungen der Jenseitswelten vielleicht deswegen strukturelle Ähnlichkeiten, die sogar einem so oberflächlichen Betrachter wie Zander auffallen, weil all diese Schilderungen aus einer Quelle geflossen sind? Eine Quelle, die allerdings nicht historisch, sondern überhistorisch, nicht zeitlich, sondern überzeitlich ist?

Zanders zwanghafte Suche nach dubiosen Quellen für Steiners Werke zeigt sich auch in seiner Behandlung des Buches »Wie erlangt man Erkenntnisse der höhere Welten?«, das zuerst als Aufsatzfolge in der Zeitschrift Luzifer-Gnosis erschienen ist.

Auf S. 587 schreibt Zander über die Schulungsanweisungen zur Entwicklung der 16blättrigen Lotusblume:

»In der 16blättrigen Lotosblume identifizierte Steiner acht ›Seelenvorgänge‹ ...

An dieser Stelle ist der Rückgriff auf fremde Traditionen so offenkundig, dass Steiner die Quelle dieser Handlungsanweisungen offenlegte: ›Der Kenner wird bemerken, dass die aufgezählten Seelenübungen dem entsprechen, was im Buddhismus als sogenannter achtgliedriger Pfad beschrieben wird.‹ Der achtgliedrige Pfad – rechte Ansicht und rechtes Denken, rechte Rede, rechtes Handeln und Leben, rechtes Streben, rechte Wachsamkeit und Sammlung – bildete jedoch allenfalls das Strukturmodell für Steiner, in den Einzelheiten hat er Bestände der europäischen Tradition und näherhin des bürgerlichen Verhaltenskodex eingefüllt.«

Die acht »Seelenvorgänge«, von denen im Zusammenhang mit der 16blättrigen Lotosblume die Rede ist, werden von Steiner nicht »in« dieser Lotusblume »identifiziert«. Steiner führt folgendes dazu aus:

»Nun hängen gewisse seelische Verrichtungen mit der Ausbildung dieser Sinnesorgane zusammen. Und wer diese Verrichtungen in einer ganz bestimmten Weise ausübt, der trägt etwas bei zur Ausbildung der betreffenden geistigen Sinnesorgane. Von der ›sechzehnblätterigen Lotusblume‹ sind acht Blätter auf einer früheren Entwickelungsstufe des Menschen in urferner Vergangenheit bereits ausgebildet gewesen. Zu dieser Ausbildung hat der Mensch selbst nichts beigetragen. Er hat sie als eine Naturgabe erhalten, als er noch in einem Zustande traumhaften, dumpfen Bewußtseins war. Auf der damaligen Stufe der Menschheitsentwickelung waren sie auch in Tätigkeit. Jedoch vertrug sich diese Art von Tätigkeit eben nur mit jenem dumpfen Bewußtseinszustande. Als dann das Bewußtsein sich aufhellte, verfinsterten sich die Blätter und stellten ihre Tätigkeit ein. Die anderen acht kann der Mensch selbst durch bewußte Übungen ausbilden. Dadurch wird die ganze Lotusblume leuchtend und beweglich. Von der Entwickelung eines jeden der sechzehn Blätter hängt die Erwerbung gewisser Fähigkeiten ab. Doch, wie bereits angedeutet, kann der Mensch nur acht davon bewußt entwickeln; die anderen acht erscheinen dann von selbst.

Die Entwickelung geht in folgender Art vor sich. Der Mensch muß auf gewisse Seelenvorgänge Aufmerksamkeit und Sorgfalt verwenden, die er gewöhnlich sorglos und unaufmerksam ausführt. Es gibt acht solche Vorgänge.« (GA 10, 1961, S. 118-119)

Zander behauptet, diese acht »Seelenvorgänge« stammten aus dem achtgliedrigen Pfad des Buddhismus, was Steiner selbst »zugestehe«. Allerdings relativiert Zander diesen Befund sogleich wieder, denn dieser achtgliedrige Pfad habe lediglich »das Strukturmodell« gebildet, in Wahrheit sei in die acht Handlungsanweisungen die »europäische Tradition«, der »bürgerliche Verhaltenskodex« eingegangen.

Zander destruiert die von ihm aufgefundene »Quelle«, um eine andere zu postulieren, die völlig im ungefähren bleibt (»europäische Tradition«, der »bürgerliche Verhaltenskodex«). Er destruiert das angebliche »Zugeständnis« Steiners, weil er aus prinzipiellen Gründen keiner Selbstinterpretation Steiners Vertrauen schenkt. Steiner selbst spricht jedoch nicht von einer »Quelle«, sondern von einer »Entsprechung« oder »Vergleichbarkeit«, deren tieferer Grund darin liege, dass der achtgliedrige Pfad aus vergleichbaren spirituellen Erfahrungen hervorgegangen sei.

Das sogenannte »Zugeständnis« Steiner liest sich im ursprünglichen Aufsatz der »Luzifer-Gnosis« wie folgt:

»Der Kenner wird bemerken, dass die aufgezählten Seelenübungen dem entsprechen, was im Buddhismus als sogenannter achtgliedriger Pfad beschrieben wird. Hier sollte der Zusammenhang dieses Pfades mit dem Bilden der astralen Sinne dargelegt werden.«

Dieser Hinweis findet sich – etwas umformuliert – auch als Anmerkung in der Ausgabe letzter Hand:

»Der Kundige wird in den Bedingungen für die Entwickelung der ›sechzehnblätterigen Lotusblume‹ wiedererkennen die Anweisungen, welche der Buddha seinen Jüngern für den ›Pfad‹ gegeben hat. Doch handelt es sich hier nicht darum, ›Buddhismus‹ zu lehren, sondern Entwickelungsbedingungen zu schildern, die aus der Geisteswissenschaft selbst sich ergeben. Daß sie mit gewissen Lehren des Buddha übereinstimmen, kann nicht hindern, sie an sich für wahr zu finden.« (GA 10, 1961, S. 158)