Ein besonders krasses Beispiel für Zanders Zitierkunst findet sich im Unterkapitel 7.6.4. über die »Quellen für die Struktur der Kosmologie«. Zander glaubt hier, bei Steiner selbst ein Zugeständnis gefunden zu haben, dass er aus »fremden Quellen« schöpfte. Bei näherem Zusehen besagt aber der von ihm zitierte Steinertext das genaue Gegenteil von dem, was Zander aus ihm herausliest.

Auf S. 664-665 schreibt Zander:

»Steiner trat deshalb die Flucht nach vorne an und postulierte eine weitgehende Autonomie: ›Meine Erkenntnisse des Geistigen, dessen bin ich mir voll bewusst, sind Ergebnisse eigenen Schauens.‹ (GA 13,30) Und dann formulierte er eine Traditionsabstinenz, die das bisherige Verschweigen durch Verleugnen in den Schatten stellte: ›So hatte ich die Ergebnisse meines Schauens vor mir. Sie waren zunächst ‚Anschauungen’, die ohne Namen lebten. Sollte ich sie mitteilen, so bedurfte es der Wortbezeichnungen.

Ich suchte dann später nach solchen in älteren Darstellungen des Geistigen, um das noch Wortlose in Worten ausdrücken zu können. Ich gebrauchte diese Wortbezeichnungen frei, so dass wohl kaum eine derselben in meinem Gebrauche zusammenfällt mit dem, was sie dort war, wo ich sie fand. Ich suchte aber nach solcher Möglichkeit, mich auszudrücken, stets erst, nachdem mir der Inhalt im eigenen Schauen aufgegangen war. Vorher Gelesenes wusste ich beim eigenen forschenden Schauen durch die Bewusstseinsverfassung, die ich eben geschildert habe, auszuschalten.‹ (ebd., 30 f.)

So habe er den Begriff ›Astralleib‹ beim ›Lesen mittelalterlicher Schriften‹ gefunden und in den Termini ›Angeloi, Archangeloi … erneuerte ich einfach die christliche Gnosis‹ (ebd., 31)457.

Von diesen Aussagen bleibt bei einer Traditionskritik kaum ein Stein auf dem anderen.«

Sehen wir uns Steiners angebliche Behauptungen und Zanders »Traditionskritik« etwas genauer an. Wir müssen dazu die von Zander auseinandergerissenen Ausführungen Steiners im Zusammenhang lesen.

In seiner »Geheimwissenschaft im Umriss« schreibt Steiner:

»So hatte ich die Ergebnisse meines Schauens vor mir. Sie waren zunächst ›Anschauungen«, die ohne Namen lebten. Sollte ich sie mitteilen, so bedurfte es der Wortbezeichnungen. Ich suchte dann später nach solchen in älteren Darstellungen des Geistigen, um das noch Wortlose in Worten ausdrücken zu können. Ich gebrauchte diese Wortbezeichnungen frei, so dass wohl kaum eine derselben in meinem Gebrauche zusammenfällt mit dem, was sie dort war, wo ich sie fand. Ich suchte nach solcher Möglichkeit, mich auszudrücken, stets erst, nachdem mir der Inhalt im eigenen Schauen aufgegangen war. Vorher Gelesenes wusste ich beim eigenen forschenden Schauen durch die Bewusstseinsverfassung, die ich eben geschildert habe, auszuschalten. (ebd, S. 30 f.)«

Zander schließt – wie zitiert – folgenden Kommentar an dieses Zitat:

»So habe er den Begriff ›Astralleib‹ beim ›Lesen mittelalterlicher Schriften‹ gefunden und in den Termini ›Angeloi, Archangeloi ... erneuerte ich einfach die christliche Gnosis‹ (ebd, 31).

Von diesen Aussagen bleibt bei einer Traditionskritik kaum ein Stein auf dem anderen.« (Zander I, S. 665.)

Liest man im Original nach, stellt sich folgendes heraus. Steiner setzt sich in seiner Vorrede von 1925, aus der die zitierten Sätze stammen, mit dem Vorwurf auseinander, er habe die Inhalte seiner Schauungen aus gnostischen Lehren oder orientalischen Weisheitsdichtungen aufgenommen, sie seien ins Unbewusste abgesunken und später habe er sie mit Ergebnissen eigenen Schauens verwechselt. Also exakt die Vorwürfe Zanders an Steiner.

Der Absatz, der in der Vorrede von 1925 auf den von Zander zitierten folgt, lautet folgendermaßen:

»Nun fand man in meinen Ausdrücken Anklänge an ältere Vorstellungen. Ohne auf den Inhalt einzugehen, hielt man sich an solche Ausdrücke. Sprach ich von ›Lotusblumen‹ in dem Astralleib des Menschen, so war das ein Beweis, dass ich indische Lehren, in denen man den Ausdruck findet, wiedergäbe. Ja, sprach ich von ›Astralleib‹ selbst, so war dies das Ergebnis des Lesens mittelalterlicher Schriften. Gebrauchte ich die Ausdrücke: Angeloi, Archangeloi und so weiter, so erneuerte ich einfach die Vorstellungen christlicher Gnosis.« (GA 13, 1977, S. 31.)

Wie man sieht, tauchen die Behauptungen, Steiner habe den Astralleib »beim Lesen mittelalterlicher Schriften gefunden« und in seiner Rede von den Angeloi und Archangeloi habe er »die christliche Gnosis erneuert«, in Steiners Text als gegen ihn erhobene Vorwürfe auf. In Zanders Text erscheinen sie aber als Zugeständnisse Steiners, als habe er in seinem Vorwort gesagt, er habe den Astralleib beim Lesen mittelalterlicher Schriften gefunden und in der Lehre von den Angeloi Vorstellungen der christlichen Gnosis erneuert. Steiner weist in seiner Vorrede solche Unterstellungen aber gerade zurück.

Diese Stelle ist ein gutes Beispiel dafür, wie Zander systematisch mit Steiners Texten umgeht, indem er sie nur teilweise zitiert, den Sinn der Zitate durch Uminterpretation in sein Gegenteil verkehrt, oder Satzfragmente willkürlich zusammenfügt, um Vorstellungen zu erwecken, die sich mit dem ursprünglichen Kontext nicht vereinbaren lassen.

Nun möchte Zander aber daran festhalten, »dass der Begriff Astralleib theosophische Quellen« besitze. Doch das ist nicht der Punkt. Abgesehen davon, dass Zander selbst auf S. 567 die Vermutung geäußert hat, die Quelle für den von Steiner »benutzten Begriff« des Astralleibs sei bei der Theosophie und bei Paracelsus zu suchen, spricht Steiner an dieser Stelle ja ausdrücklich von der Terminologie, den Wortbezeichnungen und nicht von den Tatsachen, den »Anschauungen«, auf die diese Wortbezeichnungen hinweisen. Von den Wortbezeichnungen bestreitet er gar nicht, dass er sie »aus älteren Darstellungen des Geistigen« geschöpft habe. Er betont aber zugleich, diese Wortbezeichnungen hätten bei ihm in kaum einem Fall dieselbe Bedeutung, wie in jenen älteren Darstellungen.

Zander unterstellt also Steiner, er streite etwas ab, was dieser vielmehr zugesteht. Gleichzeitig behauptet Zander, Steiner gestehe etwas zu, was er in Wirklichkeit abstreitet.

Zanders Auffassung zufolge war Blavatskys »Geheimlehre« die »zentrale Referenz« für Steiners theosophische Kosmogonie und Kosmologie. Alle wesentlichen Inhalte seiner »Geheimwissenschaft im Umriss« hat Steiner also aus der »Geheimlehre« Blavatskys geschöpft. »Steiner hat de facto die Kosmogonie aus theosophischen Quellen übernommen«, so Zander. Entgegen der Erwartung belegt Zander diese These jedoch nicht durch eine ausführliche inhaltliche Analyse des Textes der »Geheimlehre« im Vergleich mit der »Geheimwissenschaft im Umriss«, sondern durch den Bezug auf eine obskure Quelle.

Auf S. 665-666 schreibt Zander:

»Steiners Quellen sind nun allerdings mit der ›Geheimwissenschaft‹ in der Ausgabe letzter Hand, wie sie die Gesamtausgabe heute bietet, schwer aufzuklären.

Die im Gegensatz zu ›Aus der Akasha-Chronik‹ 1909 immer schon fehlenden Belege für die theosophische Tradition sind seit 1920 durch den zusätzlichen Hinweis auf Goethe überdeckt (GA 13,34), und mit diesem einzigen Traditionsverweis wird zumindest der unkundige Leser auf eine völlig falsche Spurensuche geschickt. Steiner hat de facto die Kosmogonie aus theosophischen Quellen übernommen, dies machen eine Vielzahl expliziter Verweise in ›Aus der Akasha-Chronik‹ auf ›theosophische Literatur‹ ebenso deutlich wie die impliziten Übernahmen, die etwa in ›indischen‹ Begriffen, die Steiner als theosophisches Material kennenlernte, vorliegen.

Letztlich war Blavatskys ›Geheimlehre‹ Steiners zentrale Referenz. Schon der Titel von Steiners Kosmologie macht diese Bindung klar: Blavatskys Geheimlehre war in Steiners Geheimwissenschaft aufgehoben, der in okkultistischen Kreisen geläufige Begriff umbesetzt. Schon vor der Publikation der ›Geheimwissenschaft‹ hatte Steiner in Mitgliedervorträgen durchblicken lassen, dass Blavatskys opus magnum ein zentraler Referenzhorizont war. ...

Welche Dimensionen die Nutzung der ›Geheimlehre‹ aber faktisch besaß, beweist ein Vortragszyklus, den Steiner von September bis November 1905, also während der Niederschrift der Artikelserie ›Aus der Akasha-Chronik‹ und kurz nach der ersten Manuskriptfassung der Geheimwissenschaft, hielt.«

Die Deklaration Zanders, Steiner habe seine Kosmogonie aus theosophischen Quellen übernommen, wird durch ihre andauernde Wiederholung auch nicht wahrer, ebenso wenig, wie die von ihm behauptete »Vielzahl von expliziten Verweisen« in der Akasha-Chronik »auf theosophische Literatur« oder die angeblichen »impliziten Übernahmen«, die »in indischen Begriffen« (Zander schreibt tatsächlich »Begriffe«, nicht »Worte« oder »Termini«) vorlägen.

Auf welch unsicheren Füßen Zanders Quellentheorie steht, zeigt sich erneut auf den Seiten 665-668, auf denen er nicht etwa auf die »Geheimwissenschaft im Umriss« eingeht, um durch eine systematische, vergleichende Analyse zu zeigen, welche Inhalte Steiner aus der »Geheimlehre« Blavatskys in seine »Geheimwissenschaft« übernommen haben könnte. Eine solche systematische vergleichende Analyse, die auch nur elementaren philologischen Kriterien standhält, sucht man ja ohnehin bei Zander vergebens.

Zander leitet seine Ausführungen mit der apodiktischen Feststellung ein, Blavatskys »Geheimlehre« (gemeint ist die »Secret Doctrine«) sei Steiners »zentrale Referenz«, was ja bereits der Titel zeige. Er bedient sich hier einer beliebten Argumentationsfigur, die von der Ähnlichkeit des Namens auf die Ähnlichkeit des Inhalts schließt.

Um seine weitreichende These zu belegen, zieht Zander eine Vortragsreihe aus dem Jahr 1905 heran – also einen Text, der 5 Jahre vor der »Geheimwissenschaft im Umriss« entstanden ist, nicht etwa die »Geheimwissenschaft im Umriss« selbst. Wie »Übernahmen« von Inhalten aus der »Geheimlehre« in die »Geheimwissenschaft« durch Texte belegt werden sollen, die 5 Jahre früher entstanden sind, bleibt Zanders wissenschaftsmethodisches Geheimnis.

Diese Vortragsreihe, aus der Zander fünf Beispiele für Bezugnahmen Steiners auf Blavatsky herauszieht, ist denkbar ungeeignet für eine philologische Untersuchung. Der Kurs »Grundelemente der Esoterik«, der für einen kleinen, ausgewählten Kreis von Mitarbeitern im Herbst 1905 in Berlin gehalten wurde, ist nur in Form von Hörernotizen aus der Hand Mathilde Scholls überliefert. (GA 93 a, Dornach 1972.)

Bei den zwischen 9 und 12 Zuhörern handelte es sich um Kenner der theosophischen Literatur, insbesondere der »Geheimlehre«, zu der Steiner an verschiedenen Stellen kursorische Exegesen vorträgt.

Die fünf Themen, die Zander herausgreift, sind:

(1) die Zuordnung verschiedener Bewusstseinsstufen zu Mineralen, Pflanzen und Tieren,

(2) sieben Wesensstufen, von denen Blavatsky spricht,

(3) Jehova als Mondgott,

(4) das aurische Ei, an dem das menschliche Karma ablesbar sei,

(5) die Zahl der Prajapati. (In den Veden ist Prajapati der Herr [pati] oder Urgrund alles Seienden [praja]. Er ist Vater und Herr der Götter, so dass letztlich das gesamte hinduistische Pantheon seine Metamorphose ist. Spätere Vedenkommentare sprechen von zehn aufeinanderfolgenden Prajapati, aus denen verschiedene Zyklen oder Stufen der Schöpfung hervorgehen.)

Das Besondere an Steiners Exegesen ist, dass sie den teilweise unverständlichen Texten aus der »Geheimlehre« erst einen nachvollziehbaren Sinn verleihen. Das gilt besonders für die Unterscheidung der sieben Wesensstufen und die Zahl der Prajapati.

Was die unterschiedlichen Bewusstseinsstufen und die Naturreiche anbetrifft, finden sich diesbezügliche Darstellungen bereits in Steiners philosophischen Werken. Was genau Steiner über Jahwe ausgeführt hat, ist aus dem fragmentarischen Text nicht mit Sicherheit zu entnehmen, da gerade diese Notizen lückenhaft sind.

Der Zahl der Prajapati 10-6-5 gibt Steiner eine völlig neuartige Deutung, indem er sie rückläufig liest und mit fünf Formzuständen, sechs Lebenszuständen und zehn »Planeten« oder »Bewusstseinszuständen« in Beziehung setzt, die die gesamte Schöpfung durchläuft. (Zu Bewusstsein, Leben und Form [den Planetenzuständen, Runden und Reichen, sowie Globen] siehe das Fragment der Kosmogonie).

An den einen Satz im Vortrag vom 28. Oktober 1908, in dem Steiner von diesen zehn Planeten oder Bewusstseinszuständen, den sechs Lebens- und fünf Formzuständen spricht, knüpft Zander die Bemerkung: »wie aber die zehn Planeten auf die späteren sieben planetarischen Zustände, die er in seiner ›Geheimwissenschaft‹ postulierte, passen, bleibt offen.« (Zander I, S. 667.)

Nun, Zander hätte nur die »Akasha-Chronik« aufschlagen müssen, in der es in einem Aufsatz, der im August 1905 mit dem Titel »Das Leben des Saturn« erschien, heißt:

»Nach der Vulkanstufe wird ja auch der Mensch sich noch weiter entwickeln und dann noch höhere Bewusstseinsstufen erklimmen. Wie das äußere Auge in nebelgraue Ferne, blickt das innere Auge des Sehers in Geistesweite auf noch fünf Bewusstseinsformen, von denen aber eine Beschreibung ganz unmöglich ist. Es kann also im ganzen von zwölf Bewusstseinsstufen die Rede sein.« (GA 1, [tb], 1979, S. 125.)

Steiner müsste also – wollte man den Zanderschen Argumentationsstil aufgreifen – nicht nur drei, sondern fünf weitere »Planeten« mit der Darstellung der »Geheimwissenschaft« vereinbaren. Aber, wie er an der zitierten Stelle sagt: diese in »Geistesweite« erkennbaren Planeten entziehen sich jeder Beschreibung. Jedenfalls lässt sich soviel sagen: der Mensch wird am Ende der jetzigen planetarischen Entwicklung die Bewusstseinsstufe eines Zeitgeistes erlangt haben. Über den Zeitgeistern stehen aber die Geister der Form, der Bewegung, der Weisheit, des Willens, die Cherubim und die Seraphim. Das sind sechs weitere Bewusstseinsstufen, über die der Mensch in Geistesweite zu dem Einen Göttlichen, das alles in allem ist, emporklimmen kann. Wie so oft, erschließt sich die Komplexität der Auffassungen Steiners erst, wenn einzelne Äußerungen nicht isoliert betrachtet, sondern kontextualisiert werden.

Was Zander als Ergebnis seiner nicht einmal in Ansätzen vollzogenen vergleichenden Analyse vorträgt, kontrastiert grell mit der Sichtweise der Herausgeberin dieser Vorträge, Hella Wiesberger, die der theosophisch-anthroposophischen Tradition angehört. Während Zander aufgrund seines oberflächlichen Vergleichs davon spricht, Steiner habe Blavatsky ausgeschlachtet, erweitert, verändert, neu zusammengeschnitten, sich massiv bei ihr bedient und die Versatzstücke gleichzeitig kreativ fortgeschrieben, bemerkt Hella Wiesberger zu diesen Bezügen auf Blavatsky, diese seien damit zu erklären, dass sich die damaligen Zuhörer intensiv mit dem Lehrgut der Gründerin der Theosophischen Gesellschaft beschäftigten und sich auf Grund der schwerverständlichen Darstellungen oft mit Fragen an Rudolf Steiner wandten. (GA93a, 1972, S. 14)

Dies stelle, so Zander, die Traditionsgeschichte auf den Kopf. Es ist aber Traditionsgeschichte, nämlich die Tradition der Geschichte, wie sie in der anthroposophischen Tradition existiert. Auf den Kopf gestellt ist lediglich die von Zander konstruierte Traditionsgeschichte, die ihrem eigenen Entmythologisierungsprogramm folgt.

In völlige Verwirrung gerät Zander bei seiner Suche nach Quellen in einer Textpassage, in der er Sinnetts »Geheimbuddhismus« und Blavatskys »Geheimlehre« zueinander in Beziehung setzt. Hier führt sich das Spiel der Quellensuche in einem wirren Kreistanz selbst ad absurdum, in dem Sinnett aus Blavatsky, Blavatsky aus Sinnett, beide aber aus Quellen einer obskuren esoterischen Bruderschaft schöpfen sollen, die eine literarische Erfindung Blavatskys war.

Auf S. 668 schreibt Zander:

»Blavatskys ›Geheimlehre‹ ist ihrerseits nicht ohne Sinnetts ›Geheimbuddhismus‹ zu denken, auf den sie mehrfach in den kosmologischen Passagen verwies 464 (wobei Sinnett seinerseits das Material von Blavatsky erhalten hatte 465).

[Anmerkung 465: Sinnetts und Blavatskys Quellen wären ein eigenes Kapitel. Vermutlich hat man auch hier nicht in Indien zu suchen. Bei Godwin u. a.: The Hermetic Brotherhood of Luxor, 138, findet sich etwa die Vermutung, dass die Kosmologie in Sinnetts ›Esoterischem Buddhismus‹ auf die Hermetic Brotherhood of Luxor zurückgehe.]

Steiner dokumentierte nun 1905, dass er sich an Sinnett abarbeitete, als er dessen Theorie ewiger Entwicklung zugunsten seiner Finalisierungstheorie nur meinte korrigieren zu dürfen, indem er den Autor und sein Werk ›Esoterischer Buddhismus‹, die er beide explizit nannte (GA 11,209), lobte: ›Der Entzifferer [der Akasha-Chronik, i. e. Steiner selbst] weiß sich dabei im vollen Einklange mit der wahren okkulten Geist-Erforschung. Es könnte ihm sonst nimmermehr beifallen, gegen die verdienstvollen Bücher der theosophischen Literatur solches einzuwenden. Auch darf er die – eigentlich ganz überflüssige – Bemerkung machen, dass die Inspirationen des im ›Esoterischen Buddhismus‹ erwähnten großen Lehrers nicht im Widerspruche stehen mit dem hier Dargelegten, sondern dass das Missverständnis erst dadurch entstanden ist, dass der Autor des genannten Buches die schwer ausdrückbare Weisheit jener Inspiration in seiner Art in die jetzt übliche Menschensprache übersetzt hat.‹ (ebd., 210)

Fundamentale Interpretationsdifferenzen als Missverständnisse zu deuten – dies hat Steiner nur in seiner Phase höchster Verehrung der Autoritäten der Theosophischen Gesellschaft getan. Spätere Urteile sind in diesem Punkt schärfer ausgefallen: als Kritik und Korrektur.

Angesichts Steiners hier ausdrücklich bestätigter intensiver Beschäftigung mit Sinnetts ›Geheimbuddhismus‹ überrascht es nicht, dass die Struktur seiner Kosmologie mit derjenigen Sinnetts identisch ist: Die Zahl der sieben Welten findet sich schon bei Sinnett ...«

Wie bekannt, stammte das Material zu Sinnetts »Geheimbuddhismus« aus Briefen indischer Mahatmas an ihn, deren Verfasserin oder Vermittlerin aller Wahrscheinlichkeit nach Blavatsky war. Sinnett erhob in seinem »Geheimbuddhismus« keinerlei Anspruch auf eigenständige okkulte Erkenntnisse, sondern wollte lediglich die »esoterische« Lehre der indischen Meister referieren, die in den an ihn gelangten Schreiben enthalten war.

Nun meint Zander, Blavatskys »Geheimlehre« fuße in ihrem kosmologischen Teil wesentlich auf Sinnetts »Geheimbuddhismus«, dieser habe aber seinerseits sein »Material« wiederum von Blavatsky erhalten. Steiner seinerseits soll sich »an Sinnett abgearbeitet« haben. Über die Quellen Blavatskys und Sinnetts kann Zander in einer Anmerkung nur »Vermutungen« anstellen, wie die auf Joscelyn Godwin gestützte These, sie seien in den Lehren einer gewissen »Hermetic Brotherhood of Luxor« zu suchen. Diese »Hermetic Brotherhood of Luxor« war aber eine Erfindung Blavatskys, die schon in der »Entschleierten Isis« die Rolle spielte, die weitverzweigten Beziehungen Blavatskys zu einem Netzwerk europäischer und orientalischer Okkultisten zu mystifizieren.

(In einer Fußnote der »Isis Unveiled«, auf S. 308 des 2. Bandes der Ausgabe von 1877 schreibt Blavatsky: »What will, perhaps, still more astonish American readers, is the fact that, in the United States, a mystical fraternity now exists, which claims an intimate relationship with one of the oldest and most powerful of Eastern Brotherhoods. It is known as the Brotherhood of Luxor, and its faithful members have the custody of very important secrets of science. Its ramifications extend widely throughout the great Republic of the West. Though this brotherhood has been long and hard at work, the secret of its existence has been jealously guarded. Mackenzie describes it as having ›a Rosicrucian basis, and numbering many members‹ [»Royal Masonic Cyclopaedia«, p. 461]. But, in this, the author is mistaken; it has no Rosicrucian basis. The name Luxor is primarily derived from the ancient Beloochistan city of Looksur, which lies between Bela and Kedgee, and also gave its name to the Egyptian city.« – Zur 1884 gegründeten »Hermetischen Bruderschaft von Luxor« siehe: Christian Chanel, John P. Deveney, Joscelyn Godwin: The Hermetic Brotherhood of Luxor. Initiatic and Historical Documents of an Order of Practical Occultism, New York 1995, sowie Joscelyn Godwin: The Theosophical Enlightenment. Albany, N.Y. 1994, Suny Series, Western Esoteric Traditions.

Die »Hermetische Bruderschaft von Luxor«, die 1884 durch Max Theon, Peter Davidson und Thomas A. Burgoyne begründet wurde, war eine Reaktion westlicher Okkultisten auf die Wendung der Theosophischen Gesellschaft unter Blavatsky nach Indien, sie entstand neun Jahre nach der Begründung der Theosophischen Gesellschaft und war von den Erzählungen Blavatskys inspiriert. Die »Geheimlehre« Blavatskys auf Lehren dieser »Hermetischen Bruderschaft« zurückzuführen, heißt, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen.

Was die Behauptung Zanders anbetrifft, Steiner habe sich an Sinnett »abgearbeitet«, so beruht diese auf einer Bemerkung Steiners in einer Folge der Aufsätze »Aus der Akasha-Chronik« und stellt eine Interpretation dieser Bemerkung dar, die die hermeneutische Lizenz sehr weit auslegt. Außerdem handelt es sich bei diesem Zitat nicht um einen Text aus dem Jahr 1905, sondern vom August 1907.

An dieser Stelle distanziert sich Steiner vom Gebrauch des »Rassen«begriffs in der theosophischen Literatur, was Zanders Aufmerksamkeit entgeht.

Schließlich lobt Steiner in diesem Text nicht Sinnett, sondern er erweist dem Inspirator des Textes von Sinnett, – der, wie bemerkt, lediglich die Lehren der östlichen Meister wiedergab –, seine Reverenz. Steiner wirft Sinnett vor, durch die Art, wie er den Begriff der »Rasse« verwendete, »viel Verwirrung angerichtet« zu haben. Dass er ihm gleichzeitig das Verdienst zugesteht, die theosophische Weltanschauung populär gemacht zu haben, entspricht lediglich den historischen Tatsachen. Denn das 1884 erschienene Buch »Occult World« des bekannten Journalisten machte Blavatsky und die Theosophische Gesellschaft im angelsächsischen Raum mit einem Schlag berühmt.

Der Text Steiners lautet im Original folgendermaßen:

»Es ist durch die gebräuchliche theosophische Literatur in dieser Beziehung viel Verwirrung angerichtet worden. Namentlich ist dies geschehen durch das Buch, welches auf der anderen Seite das große Verdienst hat, zuerst in der neueren Zeit die theosophische Weltanschauung populär gemacht zu haben, durch Sinnetts ›Esoterischen Buddhismus‹. Da wird die Weltentwickelung so dargestellt, als ob ewig in gleicher Art durch die Weltenkreisläufe hindurch die ›Rassen‹ sich so wiederholten. Das ist aber ganz und gar nicht der Fall. Auch das, was ›Rasse‹ genannt zu werden verdient, entsteht und vergeht. Und man dürfte den Ausdruck ›Rasse‹ nur für eine gewisse Strecke der Menschheitsentwickelung anwenden. Vor und nach dieser Strecke liegen Entwickelungsformen, die eben ganz etwas anderes sind als ›Rassen‹. – Nur weil das wirkliche Entziffern der Akasha-Chronik zu einer solchen Bemerkung voll berechtigt, ist sie hier gewagt worden. Der Entzifferer weiß sich da bei im vollen Einklange mit der wahren okkulten Geist-Erforschung. Es könnte ihm sonst nimmermehr beifallen, gegen die verdienstvollen Bücher der theosophischen Literatur solches einzuwenden. Auch darf er die – eigentlich ganz überflüssige – Bemerkung machen, dass die Inspirationen des im ›Esoterischen Buddhismus‹ erwähnten großen Lehrers nicht im Widerspruche stehen mit dem hier Dargelegten, sondern dass das Missverständnis erst dadurch entstanden ist, dass der Autor des genannten Buches die schwer ausdrückbare Weisheit jener Inspirationen in seiner Art in die jetzt übliche Menschensprache umgesetzt hat.« (GA 11, 1979 [tb], S. 161 ff.) [Zu Steiners Auseinandersetzung mit dem Theosophischen Rassenbegriff und dem zeitgenössischen Rassismus siehe »Die Überwinduung des Rassismus durch die Anthroposophie«].

Wie man sieht, spricht Steiner davon, dass die Inspirationen des »großen Lehrers« mit seinen Forschungen nicht im Widerspruch stehen, und rechnet die Fehler Sinnett zu, der diese Inspirationen auf seine Art in die »jetzt übliche Menschensprache« übersetzt habe. In der »jetzt üblichen Menschensprache« stellte zu dieser Zeit der Rassenbegriff ein ubiquitäres Theorem dar. Warum die von Zander zitierten Sätze »dokumentieren« sollen, dass Steiner sich an Sinnett »abarbeitete«, ist nicht nachzuvollziehen, vielmehr bezeugen sie ja gerade, dass er sich von ihm distanzierte bzw. seine Irrtümer korrigierte. Die betreffenden Äußerungen Steiners »bestätigen« auch nicht, dass er sich, wie Zander behauptet, »intensiv mit Sinnett beschäftigt« habe.

Wie schon bei seinen früheren Vergleichen und Herleitungen rekurriert Zander wiederum auf die Strukturähnlichkeit, um eine inhaltliche Abhängigkeit Steiners von Sinnett zu behaupten. So »überrascht« es ihn »nicht«, dass sich die »Zahl der sieben Welten« schon bei Sinnett findet. (Zander I, S. 668.) Nun, uns überrascht nicht, dass sich die Siebenzahl auf der ganzen Welt in einer Vielzahl von Mythologien und Religionen, in vielen Kosmologien und Kosmogonien findet, und uns überrascht auch nicht, dass Zander von seiner Entdeckung nicht überrascht ist, dass sich die Siebenzahl der Welten sowohl bei Sinnett als auch bei Steiner findet! Wie wir gesehen haben, ist diese Siebenzahl bei Steiner in Wahrheit eine Zwölfzahl.

Sinnett vertrat laut Zander ein »strukturgleiches Modell«, das aber »in Details« abweicht. (Zander I, S. 669.) Steiners »Konstruktion war streng zielgerichtet«, diejenige Sinnetts nahm eine »spiralförmige Fortbewegung« an. Schließlich gipfelt der ganze Vergleich in einer Stilblüte nichtssagender Wissenschaftsprosa:

»Steiners Kosmologie war radikal linearisiert, die einzige Abweichung von einer Geraden bildete der Bogen, den der Materialisierungsprozess nach ›unten‹ zur Verstofflichung mache, um dann wieder nach ›oben‹ der Respiritualisierung zuzustreben.« (Zander I, S. 669.)

Die »Kosmologie« stellt also keine Linie dar, sondern einen Bogen, aber dieser Bogen ist »radikal linearisiert« (!). Wenn man die Kosmogonie Steiners – nicht die Kosmologie – alles Inhalts entleert, bleibt tatsächlich ein Bogen übrig, der eine gekrümmte Linie ist. Wir kennen diese gekrümmte Linie aus der jüdisch-christlichen Tradition: hier wird sie aus den drei Stufen Schöpfung, Sündenfall-Erlösung und Jüngstes Gericht gebildet, die einen Bogen vom Geistigen ins Stoffliche und wieder zurück ins Geistige bilden. Auch die christliche Weltvorstellung, die nahezu 2000 Jahre das Abendland prägte und unzählige Theologen und Philosophen bis hin zu Hegel, Schelling, Wladimir Solovieff und Theilhard de Chardin inspirierte, ist mit der Kosmogonie Sinnetts und Steiners strukturgleich. Eine frappierende Entdeckung!

Aber nur, wenn wir nicht genauer hinsehen. Denn Sinnetts Modell, das eine bestimmte Form der indischen Kosmologie vorstellt, fehlt eben gerade jenes spezifisch christlich-abendländische Moment, das den Zeitenzyklus finalisiert bzw. teleologisiert. Wenn Zander Steiner eine »Teleologisierung« der Geschichte vorwirft, macht er Steiners Kosmogonie ihren christlichen Anteil zum Vorwurf, nach dem der Zeitenzyklus einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat und sich nicht ewig im Kreis dreht, wodurch er seine Sinnbestimmung verlöre. Christus ist nicht erst in der »Geheimwissenschaft im Umriss« die Mitte und das Telos der Geschichte und – durch Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes – auch der Mensch. H.Ch. Puech hat diese Finalisierung des Weltverständnisses durch das Christentum prägnant zum Ausdruck gebracht: »Eine gerade Linie bezeichnet den Weg der Menschheit von ihrem anfänglichen Fall bis zur endlichen Erlösung. Und der Sinn dieser Geschichte ist einzigartig, weil die Inkarnation einzigartig ist. In der Tat, wie das 9. Kapitel des ›Briefs an die Hebräer‹ und 1. Petrus 3,18 betonen, ist Christus für unsere Sünden nur ein einziges Mal, einmal für immer gestorben. Es ist nicht ein wiederholbares Ereignis, das zu verschiedenen Malen geschehen könnte. Der Lauf der Geschichte wird also durch ein einmaliges, radikal einzigartiges Geschehen bestimmt und geleitet. Folglich muss auch das Schicksal der gesamten Menschheit, ebenso wie das individuelle Geschick eines jeden von uns, in einem Male, einmal für immer, sich abspielen, in einer konkreten und nicht ersetzbaren Zeit, die die Zeit der Geschichte und des Lebens ist.« (H.Ch. Puech, La gnose et le temps, Eranos-Jahrbuch XX, 1951, S. 70 f.)

Offensichtlich kennt sich Zander auch in der theosophischen Literatur, aus der er Steiners Theosophie abzuleiten versucht, nicht sonderlich aus. So postuliert er Differenzen, wo es keine gibt. Er behauptet, Steiner habe wie Sinnett die gegenwärtige Menschheit in die »fünfte Rasse der vierten Runde« positioniert, während Blavatsky sie in die »vierte Rasse« versetzt habe.

Auf S. 669 schreibt Zander:

»Steiner begab sich mit diesen Positionen in eine teilweise kontroverse innertheosophische Debatte um die Einzelheiten der Kosmogonie. Blavatsky hatte bereits in ihrer ›Geheimlehre‹ zu Sinnetts Buch Stellung genommen und es ›korrigiert‹. So hatte Sinnett die Menschheit aktuell in die fünfte Rasse der vierten Runde positioniert 471 (wie auch Steiner), wohingegen Blavatsky sie in die ›Mitte des vierten Umlaufs‹ 472, also in die vierte Rasse, plazierte. Diese Auseinandersetzungen dürfte Steiner durch die theosophische Literatur gekannt haben. In Harrisons 1897 übersetztem ›Transcendentalem Weltall‹, das Steiner gelesen hat 473, war diese Debatte beispielsweise nachzulesen 474.«

Zander verwechselt hier Runden (»rounds«) und Wurzelrassen (»rootraces«), denn auch in der »Secret Doctrine« ist die atlantische die »vierte Wurzelrasse« und die nachatlantische, die hier die »arische« genannt wird, die fünfte.

In dieser Beziehung besteht auch keine Differenz zwischen Blavatsky und Sinnett, denn Blavatsky schreibt in der »Secret Doctrine«: »Der Leser möge sich daran erinnern, was über die Einteilung der Wurzelrassen und die Evolution der Menschheit in diesem Werk gesagt wurde und was in Sinnetts ›Esoterischem Buddhismus‹ klar und deutlich festgestellt wird. 1. In jedem Manvantara gibt es sieben Runden; die gegenwärtige ist die vierte, und wir befinden uns heute in der fünften Wurzelrasse.« (H.P. Blavatsky, Secret Doctrine, 1888, Vol 2, S. 434. Übersetzt aus der englischen Ausgabe. – »Manvantaras« sind die aufeinanderfolgenden Schöpfungszyklen, in denen sich der Kosmos mit all seinen Wesen aus dem manifestationslosen Urgrund entfaltet. Dieser Urgrund, das Pralaya, ist der Schöpfungsschlaf, in dem Brahma meditativ versinkt, um sich auf einen neuen Schöpfungszyklus vorzubereiten. Man kann die Manvantaras mit den aufeinanderfolgenden Planetenzuständen gleichsetzen. Manvantaras entsprechen beim einzelnen Menschen der Inkarnation, Pralayas dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt.)

Angesichts dieser Tatsache ist die Bemerkung Zanders, Steiner habe sich im Zweifel gegen Blavatsky und für Sinnett entschieden (Zander I, S. 670.), d.h. für die eine gegen die andere Autorität, gegenstandslos.

Ein Gemisch plumper und subtiler Insinuationen bietet Zander in Erläuterungen zur Abtrennung des Mondes von der Erde und zur okkultistischen Diskussion über die »achte Sphäre«.

Auf S. 669-670 schreibt Zander:

»Auch Steiners überraschende und in seinem Text sperrige Vorstellung, dass sich nach Abschluss des Mondzustandes während des Erdenzustandes der Mond aus der Erde löse (GA 11,124; GA 13,231), hat möglicherweise Hintergründe in einer theosophischen Kontroverse. Hier hatte Sinnett (als erster?) eine achte Sphäre über die sieben allgemein anerkannten hinaus postuliert475. Dies hatte wiederum Sinnett behauptet und Blavatsky abgelehnt476.

(Anmerkung 476): Vgl. Harrison: Das Transcendentale Weltall, 87. Diese Debatte gab es nicht nur in der Theosophie. Auch Hitler behauptete 1942, der Mond sei aus der Erde weggeschleudert worden; Hitler: Monologe im Führerhauptquartier (20 / 21.2.42).«

 

Warum die Vorstellung Steiners, der Mond habe sich im vierten planetarischen Zustand der Erde aus dieser herausgelöst, »sperrig« und »überraschend« sein soll, ist nicht nachzuvollziehen, zumal die Herauslösung diverser Himmelskörper auseinander und ihre spätere Wiedervereinigung ein durchgängiges Motiv in Steiners Kosmogonie ist.

Diese abgesonderten Himmelskörper bilden vorübergehende Lebensschauplätze für unterschiedliche hierarchische Wesenheiten, die sich auf ihnen ihre entsprechenden Entwicklungsbedingungen schaffen. Die Ablösung einzelner Himmelskörper voneinander beginnt bereits im Alten Saturnzustand, den eine Venus, ein Merkur, eine Sonne, ein Jupiter und ein Mars umkreisen und setzt sich auf den folgenden Planetenstufen fort.

Die Heraussonderung von Sonne (im ersten Drittel) und Mond (im letzten Drittel der lemurischen Zeit) ist so fundamental mit der Entstehung der jetzigen Menschheit verbunden (Geschlechtertrennung, Warmblütigkeit, Lungenatmung), dass die Bildung der kosmischen Polarität von Sonne und Mond in der Tat als konstitutiv für Steiners Kosmo- und Anthropogonie bezeichnet werden muss.

Dass Zander in einer Anmerkung darauf hinweist, »auch Hitler« habe vom »Herausschleudern des Mondes« aus der Erde gesprochen, ist wieder eine jener abgründigen, suggestiven Assoziationen, die sich durch sein ganzes Werk hindurch ziehen. Mit ihr soll eine Nähe Hitlers bzw. des Nationalsozialismus zur Anthroposophie oder vice versa unterstellt werden. In Wahrheit war die Theorie, der Mond habe sich aus der Erde herausgelöst, um die Jahrhundertwende eine verbreitete naturwissenschaftliche Hypothese und ist es auch noch heute. (Die Hypothese wurde erstmals 1879 von George H. Darwin, einem Sohn von Charles Darwin aufgestellt, der einen Lehrstuhl für Astronomie und Geophysik in Cambridge innehatte. Im Stile Zanders könnte man also behaupten, Hitler habe sich – in dieser Hinsicht wenigstens – in guter Gesellschaft befunden. Neben der Abspaltungshypothese wurden von Astronomen auch Einfang-, Schwesterplanet- und Aufprallhypothesen vertreten. Die letztere, die jedoch ebenfalls umstritten ist, wird gegenwärtig favorisiert. Vgl. P. D. Spudis, The Moon, in K.J. Beatty und A. Chalkin: The New Solar System, Cambridge 1990.)

Aber Zander muss die Ablösung des Mondes als »sperrig« bezeichnen, weil er nur dann behaupten kann, sie sei von außen, aus unverdauter Literatur, in Steiners Kosmogonie eingedrungen und habe sich nicht organisch aus ihr ergeben. So glaubt er, Steiner habe die Diskussion über diese Frage aus Harrisons »Transzendentalem Weltall« gekannt, denn auch Sinnett habe eine achte Sphäre über die sieben anerkannten hinaus postuliert. Die Diskussion über die sogenannte achte Sphäre, die Sinnett mit dem Mond identifiziert, ist ein Thema für sich. Sie hier zu rekapitulieren würde zu weit führen. Nur soviel sei gesagt, dass Steiner in der Lehre von der »achten Sphäre«, wie Sinnett und teilweise auch Blavatsky sie vertritt, einen ihrer gravierendensten Irrtümer sieht.

(Das geozentrische kosmologische Modell, das auf Aristoteles und Ptolemaios zurückgeht, sieht die Erde im Mittelpunkt konzentrischer Sphären, die durch die Bahnen der Planeten um die Erde gebildet werden. Betrachtet man die Erde selbst als Sphäre, wird diese von weiteren sieben Sphären eingeschlossen: jener des Mondes, des Merkur, der Venus, der Sonne, des Mars, des Jupiter und des Saturn. Die Sphären – auch die achte – sind natürlich keine Erfindung Sinnetts, Blavatskys oder Steiners – sondern blicken auf eine lange, alteuropäische und orientalische Tradition zurück. Je nach Kosmologie werden bis zu zehn unterschiedliche Sphären unterschieden. Die Sphären sind außerdem bis in die Neuzeit mit einer Hierachienlehre verbunden, die auf unterschiedliche Weise die verschiedenen Engelwesen zu diesen in Beziehung bringt. – Eine besondere Bedeutung nimmt der Begriff der »achten Sphäre« in den esoterischen Diskussionen Ende des 19. Jahrhunderts ein. Steiner kritisiert insbesondere die Gleichsetzung des Mondes mit der achten Sphäre durch Sinnett. Siehe z.B. GA 254, Die okkulte Bewegung im 19. Jahrhundert und ihre Beziehung zur Weltkultur, Dornach 1986, Vorträge vom 17. und 18.10.1915.)