Angeblich soll sich Rudolf Steiners bei der Entwicklung der Eurythmie anfänglich an Leadbeaters Gedankenformen angelehnt haben, zumindest habe er dies Lory Smits geschrieben.

Zander schreibt auf S. 1192:

»Anfangs dürfte Steiner auf Leadbeaters ›Thought Forms‹ Bezug genommen haben, schrieb er doch im August 1912 Lory Smits, dass einige Bewegungen ›Gedankenformen‹ entsprechen sollten.«

An diesem Satz ist so gut wie alles falsch. Erstens schrieb Steiner nicht an Lory Maier-Smits, sondern der Text, den Zander zitiert, wurde von Lory Maier-Smits selbst verfasst. Es handelt sich um ihre Aufzeichnungen über die Entstehung der Eurythmie. Der Ausdruck »Gedankenformen« wiederum ist in einem Text aus dem dritten Mysteriendrama enthalten, in einer Regieanweisung, die vorgibt, dass Wesen in tanzartiger Bewegung »Gedankenformen« darstellen sollen, die den Worten Luzifers und Ahrimans entsprechen. Es geht also darum, durch tanzartige Bewegungen Worte sichtbar zu machen. Dargestellt werden die Worte von »Wesen«, die die von Luzifer und Ahriman gesprochenen Worte in Bewegungen umsetzen. Geistige Wesen, die eurythmisch Worte und Gedanken in Körper- und Raumbewegungen umsetzen, haben mit Leadbeaters »Gedankenformen« nicht das geringste zu tun, der weder Luzifer von Ahriman kennt und seine »Thought-Forms« am Mental-Leib des Menschen hellseherisch beobachtet haben will.

Der Text von Lory Maier-Smits vom 24. August 1912 beschreibt die Proben zu der entsprechenden Szene des dritten Mysteriendramas:

»Nach meiner Ankunft fand ich die Mitteilung vor, mich am nächsten Morgen um ½ 10 Uhr in der Turnhalle einer Schwabinger Schule, in der die Proben stattfanden, einzufinden. Ich sollte bei einer ganz erstaunlichen Sache, die bei den Teilnehmern die größte Überraschung, ja sogar etwas wie Befremden erregte, mitwirken. Die Proben fanden um 10 Uhr statt, aber für diese aus dem Rahmen herausfallende Arbeit sollte bereits eine halbe Stunde vorher geübt werden. Was war es aber? Im sechsten Bild des neuen, dritten Mysteriendramas ›Der Hüter der Schwelle‹ sollten ›Wesen in tanzartiger Weise Bewegungen ausführen, welche Gedankenformen, den Worten Luzifers und Ahrimans entsprechend, darstellen‹.

LUCIFER (mit breitem Tone jedes Wort hervorhebend):

In deinem Willen wirken Weltenwesen.

(Von der Seite des Lucifer bewegen sich Wesen heran, welche Gedanken darstellen. In tanzartiger Weise führen diese Bewegungen aus, welche Gedankenformen, den Worten Lucifers entsprechend, darstellen.)

AHRIMAN (auch breit sprechend, doch rauh):

Die Weltenwesen, sie verwirren dich.

(Nach diesen Worten bewegen sich von Ahrimans Seite die Gedankenwesen und führen Tanzbewegungen, seinen Worten als Formen entsprechend, aus. Nach diesen werden die Bewegungen von beiden Gruppen zusammen ausgeführt.)

LUCIFER : In deinem Fühlen weben Weltenkräfte.

(Es wiederholen nun die Gedankenwesen auf Lucifers Seite ihre Bewegungen.)

AHRIMAN: Die Weltenkräfte, sie verführen dich.

(Es wiederholen die Gedankenwesen auf Ahrimans Seite ihre Bewegungen, dann wieder beide zusammen.)

LUCIFER : In deinem Denken leben Weltgedanken.

(Wiederholung der Bewegungen durch Lucifers Gruppe.)

AHRIMAN: Die Weltgedanken, sie beirren dich.

(Wiederholung der Bewegung durch Ahrimans Gruppe. Dann viermalige Wiederholung der Bewegungen jeder Gruppe einzeln und dreimalige des Zusammenwirkens.)

Es handelt sich in diesem Drama um geistige und seelische Vorgänge und in diesem Bild um ein Erlebnis des Capesius, der bei dieser ersten Aufführung auf der Bühne anwesend blieb.

Rudolf Steiner hatte für beide Gruppen eine Anzahl je acht bis neun Personen bestimmt, als Tanzmeister oder Dirigenten Dr. O. Schmiedel bestellt und diesem ganz einfache Formen aufgezeichnet und ihm zu den ersten, also der Lemniskate und dem etwas nach innen gezogenen Viereck, als unausgesprochenen dahinterstehenden Gefühlsinhalt die Worte: ›Ich will‹, zu dem zweiten: ›Ich kann nicht‹ und zu dem dritten: ›Ich muss‹ angegeben. Diese Formen sollten aber nicht gelaufen werden, sondern die Ausführenden sollten in den Formen stehen und wie durch ein gewisses Chaos von der einen in die andere laufen, so dass die Formen in der Ruhe anschaubar wurden. Die Aufgabe unseres Dirigenten war, den Übergang von der einen Form in die andere durch Händeklatschen zu veranlassen und zu beobachten, dass die Formen sich klar und genau zusammenfanden. Bei der Aufführung selbst wurde der Tanz von Musik begleitet und die Übergänge durch Lichtsignale unten an der Rampe dirigiert.

Die Wesen trugen gürtellose, die luziferischen rote, die ahrimanischen fahl grau-blaue Kleider mit ganz leichten, etwas dunkleren Chiffonstolen. Sie mussten den vorne hängenden Teil mit der rechten und den hinten hängenden mit der linken Hand halten und so ihre drei verschiedenen Bewegungen ausführen. Zu der ersten Form eine U-hafte und zu zwei und drei zwei verschieden gerichtete I-Bewegungen. Natürlich mussten die luziferischen Wesen ihre Bewegungen möglichst schmiegsam und anmutig gestalten, die ahrimanischen die gleichen Bewegungen hart und ruckhaft. Alles weitere ist aus den Regieangaben zu ersehen.

Niemand jedoch, weder Mitwirkende noch Zuschauer, ahnten damals, dass sie die allerersten Manifestationen einer neuen Kunst miterlebt hatten.« GA 277a, Dornach 1998, S. 16 f.

Zander unterstellt Steiner, er habe durch Hinweise auf die »Akasha-Chronik« die »Anciennität« der Eurythmie nachweisen wollen. Die von ihm angeführten Hinweise dienten entweder einem gänzlich anderen Zweck oder stammen nicht von Steiner.

Auf S. 1192 schreibt Zander:

»Die Akasha-Chronik als Referenz findet sich möglicherweise ausschließlich vor dem Krieg und diente dem Anciennitätsnachweis der Eurythmie, deren Wurzeln in alte Bewusstseinsepochen verlagert wurde.«

Er verweist auf zwei Fundstellen in GA 277a: S. 9 und S. 154 f.

Keine der Erwähnungen der Akasha-Chronik in GA 277a dient dem von Zander unterstellten »Anciennitätsnachweis« der Eurythmie. Bei der ersten Fundstelle handelt es sich um den berühmten Bericht von Lory Maier-Smits über die Entstehung der Eurythmie. Die zweite Fundstelle wurde von den Herausgebern in GA 277a eingefügt.

Eine dritte Fundstelle, die Zander nicht erwähnt, handelt von der Entstehung gewisser ornamentaler Motive an griechischen Tempelfriesen.

Im Bericht von Lory Maier-Smits heißt es unter anderem:

»Meine Mutter hat mir oft und ausführlich erzählt, wie aus diesem Gespräch, das unter dem Schatten eines ihr kaum fasslichen, viel zu frühen Todes begann, mehr und mehr zukunftfrohes, hellstes Leben erblühte. Wie Rudolf Steiner davon gesprochen habe, dass er schon lange diese neue, wie sie richtig gefühlt habe, auf ätherischen Bewegungsimpulsen beruhende Bewegungskunst erstrebt habe, weil er sie mehr und mehr für lebensnotwendig für das Ganze der anthroposophischen Erkenntnis halte, aber man sei auf seine Anregungen bisher nicht eingegangen. Und doch brauche er selbst diese neue Bewegungskunst, zum Beispiel dann, wenn Dinge an die Menschen herangebracht werden sollten, die so tief seien, dass man sie überhaupt nicht in Worte fassen könnte, auch solche, die entweder von den Zuhörern eine kaum aufzubringende Konzentrationsfähigkeit oder von ihm selbst lange, umständliche und zeitraubende Ausführungen verlangten. Dann  sollte  diese  neue  Kunst  einsetzen  und  an andere Erkenntnismöglichkeiten appellierend, den Menschen ein Verständnis auch solcher Wahrheiten vermitteln.

›Es wird sich aber um das Wort, nicht um Musik handeln!‹

Um ihr ein Verständnis für diese damals immerhin ungewohnte Vorstellung zu erleichtern, habe er ihr folgende Stelle aus  der ›Akasha-Chronik‹ gezeigt mit  Schilderungen gewisser Maßnahmen am Ende der lemurischen Zeit, durch welche eingeweihte Führer eine auserlesene Menschengruppe als Stamm der kommenden atlantischen Rasse herangebildet hätten.

›Die Akasha-Chronik zeigt auf diesem Gebiete schöne Szenen. Es soll eine solche beschrieben werden. Wir sind in einem Walde, bei einem mächtigen Baum. Die Sonne ist eben im Osten aufgegangen. Mächtige Schatten wirft der palmenartige Baum, um den ringsherum die anderen Bäume entfernt worden sind. Das Antlitz nach Osten gewendet, verzückt, sitzt auf einem aus seltenen Naturgegenständen und Pflanzen zurecht gemachten Sitz die Priesterin. Langsam, in rhythmischer Folge strömen von ihren Lippen wundersame, wenige Laute, die sich immer wiederholen. Im Kreise herum sitzt eine Anzahl Männer und Frauen mit traumverlorenen Gesichtern, inneres Leben aus dem Gehörten saugend. Noch andere Szenen können gesehen werden. An einem ähnlich eingerichteten Platze  ‚singt’ eine Priesterin ähnlich, aber ihre Töne haben etwas Mächtigeres, Kräftigeres. Und die Menschen um sie herum bewegen sich in rhythmischen Tänzen. Denn dies war die andere Art, wie ‚Seele’ in die Menschheit  kam. Die  geheimnisvollen Rhythmen,  die man  der Natur abgelauscht hatte,  wurden in  den  Bewegungen der  eigenen  Glieder nachgeahmt.  Man fühlte sich dadurch eins mit der Natur und den in ihr waltenden Mächten.‹

Dann habe Rudolf Steiner weiter gesprochen: ›Nicht nur ‚Seele’ kam auf diese Art in die Menschheit; durch diese rhythmischen Tänze, hervorgerufen durch Töne und Rhythmen, die den weisen Priesterinnen auf geheimnisvolle Art von höheren Führern eingeflößt worden waren, wurden die ersten Keime für unseren heutigen Sprachorganismus, für Kehlkopf und Nachbarorgane, in der damals noch nicht sprachbegabten Menschheit veranlagt.‹«

GA 277a, Dornach 1998, S. 8-9

Der Hinweis Steiners auf die Akasha-Chronik diente also nicht dem »Anciennitätsnachweis« der Eurythmie, sondern sollte ein »Verständnis für eine ungewohnte Vorstellung« erleichtern.

Die zweite Fundstelle ist ein Zitat aus der Aksasha-Chronik und wurde von den Herausgebern in GA 277a eingefügt. Sie handelt überhaupt nicht von der Eurythmie.

»Die ganze Art ihres Seelenlebens war aber noch eine solche, die beherrscht war von den ›geheimen‹ Seelenkräften des Menschen. Man trifft die Sache nicht ganz, aber annähernd, wenn man von einem somnambulen Anschauen dieser Frauen spricht. In einem gewissen höheren Träumen enthüllten sich ihnen die Geheimnisse der Natur und erflossen ihnen die Antriebe zu ihrem Handeln. Alles war für sie beseelt und zeigte sich ihnen in seelischen Kräften und Erscheinungen. Sie überließen sich dem geheimnisvollen Weben ihrer seelischen Kräfte. Das, was sie zu ihren Handlungen trieb, waren ›innere Stimmen‹ oder das, was Pflanzen, Tiere, Steine, Wind und Wolken, das Säuseln der Bäume und so weiter ihnen sagten.

Aus solcher Seelenverfassung erstand das, was man menschliche Religion nennen kann. Das Seelenhafte in der Natur und im Menschenleben wurde allmählich verehrt und angebetet. Einzelne Frauen gelangten zu besonderer Vorherrschaft, weil sie aus besonderen geheimnisvollen Tiefen heraus zu deuten wussten, was in der Welt enthalten ist.

So konnte es kommen, dass bei solchen Frauen das, was in ihrem Innern lebte, sich in eine Art Natursprache umsetzte. Denn der Anfang der Sprache liegt in etwas, was dem Gesänge ähnlich ist. Die Kraft des Gedankens setzte sich in die hörbare des Lautes um. Der innere Rhythmus der Natur erklang von den Lippen «weiser» Frauen. Man versammelte sich um solche Frauen und empfand in ihren gesangartigen Sätzen die Äußerungen höherer Mächte. Der menschliche Gottesdienst hat mit solchen Dingen seinen Anfang genommen. Von einem «Sinn» in dem Gesprochenen kann für die damalige Zeit nicht die Rede sein. Man empfand Klang, Ton und Rhythmus. Man stellte sich dabei nichts weiter vor, sondern sog die Kraft des Gehörten in die Seele. Der ganze Vorgang stand unter der Leitung der höheren Führer. Sie hatten in einer Art, über welche jetzt nicht weiter gesprochen werden kann, Töne und Rhythmen den ›weisen‹ Priesterinnen eingeflößt. So konnten sie veredelnd auf die Seelen der Menschen wirken. Man kann sagen, dass in dieser Art überhaupt erst das eigentliche Seelenleben erwachte.«

GA 277a, Dornach 1998, S. 154 f.

Die dritte Fundstelle, die Zander nicht erwähnt, handelt von der Entstehung des Palmettenmotives und wurde ebenfalls von den Herausgebern in GA 277a eingefügt.

»Dasjenige, was allem künstlerischen Schaffen zugrunde liegt, ist ein Bewusstsein, welches, ich möchte sagen, vor den Pforten der historischen Entwickelung der Menschheit, der äußeren historischen Entwickelung, die durch äußere Dokumente festgelegt ist, haltmacht. Ein gewisses Bewusstsein, das vor den Pforten dieser Entwickelung im Menschen tätig war und das noch ein Überbleibsel des alten Hellsehertums der Menschheit war, war etwas, was dem vierten nachatlantischen Zeitraume angehörte. Wenn auch die ägyptische Kultur dem dritten nachatlantischen Zeiträume angehört, so ist doch das, was in der ägyptischen Kultur zur Kunst hintendiert, dem vierten nachatlantischen Zeitraume angehörig. Im vierten nachatlantischen Zeitraume hat sich dieses Bewusstsein so geltend gemacht, dass inneres Gefühl, innere Empfindung des Menschen so Platz gegriffen hat, dass man fühlte, wie die Bewegung des Menschen, wie Haltung und Geste, die menschliche Form und die menschliche Figur und Bewegung sich herausentwickelt ins Physische und ins Ätherische. Sie werden mich verstehen, wenn Sie sich darüber klar sind, dass für jene Zeiten einer, ich möchte sagen richtigen Auffassung des künstlerischen Wollens viel wichtiger als die Anschauung einer Blume oder einer Ranke das Gefühl war: Ich muss etwas tragen, schwer tragen; ich beuge den Rücken und mache mit meiner menschlichen Figur die Kraftentwickelung, die mich Menschen nötigt, mich so zu bilden, um die Last zu tragen. Man fühlte in sich gewissermaßen das gebunden, was man in der eignen Geste ausführen muss. Und so führte man die Greifbewegung, so zum Beispiel auch das Tragen mit der Hand aus. Man fühlt dieses Tragen mit den Händen, wo man nötig hat, die Hände nach auswärts zu spreizen. Da entstanden die Linien und Formen, die ins künstlerische Gestalten übergingen. Man fühlt sozusagen an der eigenen Menschlichkeit, wie der Mensch über das, was er sieht mit den Augen und was er mit den übrigen Sinnen wahrnimmt, hinausgehen kann, wenn er sich einfügt einem Allgemeinen. Und ich möchte sagen: Schon bei diesem Allgemeinen, wenn man  nicht mehr bloß hinzuschlendern braucht, sondern genötigt  ist, sich dem Tragen einer Last zu fügen, ordnet man sich dem Organismus der ganzen Welt ein. Und aus dem Fühlen solcher Linien, die man in sich selber zu bilden hat, entstanden jene Linien, die zur künstlerischen Gestalt führten. Das sind Linien, die nicht in der äußeren Wirklichkeit zu finden sind.

Nun tritt einem in der spirituellen Forschung eines oftmals entgegen. Ich möchte sagen, wie ein wunderbares Akashabild tritt einem immer wiederum das Einfügen einer Anzahl von Menschen in ein Ganzes entgegen, aber ein gesetzmäßiges, harmonisches Einfügen von Menschen in ein Ganzes. Denken Sie sich das etwa so:  Wir hätten eine Art Bühne, ringsherum, wie amphitheatralisch, Sitze, wo Zuschauer sind, und es würden Menschen einen Umgang formieren; sie gehen herum, sie haben einen Umgang im Innern zu formen. Nicht etwas naturalistisch Gebildetes, sondern etwas Höheres, Übersinnliches sollte vor des Menschen Auffassung treten. Denken Sie sich eine Anzahl von hintereinander gehenden Menschen. Die bilden sozusagen den Umzug, der da im Kreise herumgeht. Die anderen sitzen im Kreise und schauen zu.

Nun handelt es sich darum, dass diese Personen etwas Wichtiges darstellen, was es sozusagen nicht ausgebildet auf der Erde gibt, sondern wovon es auf der Erde nur Analogien gibt, was den Menschen in Zusammenhang mit dem großen Weltenzusammenhang brachte. Und da liegt nun ja nahe, vor diesen Menschen der damaligen Zeit das Verhältnis der Erdenwirkungen zu den Sonnenwirkungen darzustellen. Wie kann der Mensch das Verhältnis der Erdenwirkungen zu den Sonnenwirkungen fühlen? Wenn er es ähnlich fühlt, wie man zum Beispiel das Getragensein, wenn man eine Last trägt, fühlen kann. Man kann also das Verhältnis der Erden- zu den Sonnenwirkungen so fühlen: Alles Irdische steht nur eben auf der Bodenfläche der Erde auf, und indem es sich von der Erde entfernt –das alles ist nur in Kräften gedacht –, spitzt es sich zu. Also, man fühlte sozusagen das Verbundensein des Menschen mit der Erde dadurch, dass man ein nach unten Breites und nach oben sich Zuspitzendes darstellte. Gar nichts anderes! Das heißt, indem man diese Kraftwirkung so fühlte, sagte man: Ich fühle mich stehen auf der Erde.

Nun wurde der Mensch ebenso seiner Zugehörigkeit zur Sonne gewahr. Dieses Hereinwirken der Sonne auf die Erde fühlte man, indem man die Kraftlinien eben so gestaltete, dass die Sonne, indem sie um die Erde herumgeht, in dieser Weise ihre Strahlen der Reihe nach hereinsendet, sie nach unten zuspitzend, weil die Sonne scheinbar um die Erde herumgeht.

Denken Sie sich diese beiden Darstellungen in Abwechslung, so können Sie das Erden- und das Sonnenmotiv sehen, das von diesen umhergehenden Menschen immer getragen wurde. Das gehörte zu dem, was in alten Zeiten im Umgang vorgeführt wurde. Da saßen die Menschen herum, und da gingen die Darsteller herum. Die einen trugen gleichsam dasjenige, was man als Hinaufleben zur Sonne darstellte, denn so konnte man das Hereinstrahlen des Sonnenmäßigen auch darstellen. Und sie wechselten ab:  Sonne-Erde, Sonne-Erde und so weiter. Diese Kraft, ich möchte sagen diese kosmische Kraft: Erde-Sonne fühlte man. Dann erst dachte man darüber nach, wie man das nun am besten machen könnte. Und da stellte sich heraus, dass man als Mittel, um das am besten zu machen, gleichsam als ein Kunstmittel am besten eine solche Pflanze oder einen solchen Baum verwendet, der seine Wipfelentfaltung nach oben so hat, dass er unten breit ist und nach oben spitz zuläuft, und dass man dann abwechselt mit Palmen. So dass sich herausbildet das Hintereinandertragen von solchen Pflanzen, die etwas wie breite Knospen darstellen, welche sich nach oben zuspitzen, und von Palmen. Palmen als Entfaltung der sonnenhaften Kräfte und nach oben sich zuspitzende Knospen als charakteristisch für die Erdenkräfte ... Aus dem lebendigen Erfühlen des Weltenzusammenhanges heraus ist das künstlerische Schaffen entstanden, das deshalb auch einem Entfalten des Schaffensdranges entspricht, der im Menschen liegt, und nicht einer bloßen Nachahmung irgendeines bloß äußerlich Natürlichen ...

Dasjenige, was sich nun jetzt den Menschen darbot, und was alles für die Zuschauer ringsherum dargestellt wurde, und was durchaus die Darstellung von lebendigen kosmischen Kräften war, wurde später zu jenem Ornamente vereinfacht, in dessen Linien man das zusammenfasste, was da der Mensch lebendig erfühlte, indem er diese Dinge darstellte. ... Die Abwechselung von Sonnen- und Erdenmotiv bot sich sozusagen dem menschlichen Empfinden als Schmuckmotiv dar, als richtiges ornamentales Schmuckmotiv. Dass man selbstverständlich, möchte ich sagen, in diesem ornamentalen Schmuckmotiv eine ins Unbewusste übergegangene Nachbildung eines uralten Tanzmotives zu sehen hat, eines feierlichen Tanzes, das wusste man später nicht mehr. Aber erhalten hat sich das im Palmettenmotiv.«

GA 277a, Dornach 1998, S. 56 f. (Vortrag, Dornach, 7. Juni 1914, Über den Ursprung des künstlerischen Schaffens in der Menschheitsentwickelung)

Vollkommen grotesk ist die Behauptung Zanders, Steiner habe manchmal die Eurythmie auch »zum Instrument der Intellektualität« gemacht. 

Auf. S. 1192 schreibt Zander:

»Steiner konnte allerdings gegenläufig die Eurythmie auch zum Instrument der Intellektualität machen, wenn er forderte, sie solle ›das menschliche Denken, den menschlichen Gedanken aus seiner gegenwärtigen Erstarrung, aus seinem Eingefrorensein in Bewegung ... bringen. (GA 277a2, 53 [ 1914]).«

Die bereits weiter oben zitierten Ausführungen Steiners, aus denen Zander hier zitiert, besagen in Wahrheit das genaue Gegenteil dessen, was er in sie hineinliest.

Die Eurythmie wird nicht zum Instrument der Intellektualität gemacht, sondern sie soll den Menschen gerade von dieser Intellektualität erlösen, indem sie den erstarrten Intellekt wieder verlebendigt!

Bei Steiner heißt es:

»Eine fundamentale Forderung für die Denk- und Weltanschauungsgesundung unserer Zeit sollte gestern Abend einmal dargestellt werden: die Möglichkeit, wieder das menschliche Denken, den menschlichen Gedanken aus seiner gegenwärtigen Erstarrung, aus seinem Eingefrorensein in Bewegung zu bringen ...

Endlich wird die Zeit kommen, in welcher dasjenige, was aus den ewigen Gesetzen des Äthers herausgewellt ist, übergehen wird bis in das hinein, wo es heute so wenig vorhanden ist, dass einer, der in dem heute charakterisierten Sinne es erfasst, nur zu der Aussicht auf den Freitod aller Erkenntnis kommen konnte!

Ja, auch in dieses Gebiet hinein wird sich das erstrecken, was wir suchen, in das hinein, was man den menschlichen Gedanken nennt, so dass zuletzt auch unsere Gedanken lernen, künstlerisch sich zu bewegen. Dann wird die Erlösung der Menschheit auf diesem einen Gebiet vor uns stehen.«

GA 277a, Dornach 1998, S. 53-54

Schlicht irrsinnig mutet das Fazit an, das Zander aus seinen tatsachenfernen Ergüssen zur Eurythmie zieht.

Auf S. 1194 schreibt Zander:

»In der Eurythmie war damit der Körper zum Antipoden des Geistes geworden.«

Offenbar verfügt Zander über keinerlei auch nur rudimentäre Erfahrungen mit Eurythmie. Besäße er diese, könnte er eine solche These nicht aufstellen. Dass in ihr der Körper nicht als Antipode des Geistes wirkt, darüber belehrt der Versuch, eurythmisch zu lautieren oder Musik eurythmisch in Bewegung umzusetzen. Hier erweist sich einzig der Intellekt als Antipode des Körpers, der oft genug den Füßen, Händen und Armen im Weg steht.

Dass die Eurythmie harmonisierend auf das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist einwirkt, beweist nicht zuletzt ihre inzwischen von Krankenkassen finanzierte, therapeutische Anwendung in Krankenhäusern sowie die pädagogische Eurythmie an Waldorfschulen.

Im Rahmen der Anthroposophischen Medizin findet sie als Heileurythmie Anwendung bei allen akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, des Herz-Kreislaufsystems, des Stoffwechselsystems und des Bewegungsapparates. Ebenso bei kindlichen Entwicklungsstörungen und Behinderungen sowie in der Psychosomatik und Psychiatrie.

Indikationsbeispiele: ADS, Ängste, Allergien, Anämie, Anorexie, Apoplexie, Asthma, Augenerkrankungen, Bettnässen, Bulimie, Borderline, CFS, Cerebrale Störungen, Colitis, Depression, Diabetes Mellitus, Entwicklungsstörungen, Epilepsie, Fibromyalgien, Hauterkrankungen, Herzerkrankungen, HIV, Hormonelle Störungen, Hyperkinetisches Syndrom, Ischialgien, Kopfschmerz, Koordinationsstörungen, Kreislaufstörungen, Lähmungen, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Nervenerkrankungen, Nierenerkrankungen, Neurodermitis, Obstipation, Psoriasis, PTBS, Tumorerkrankungen, Zahnfehlstellungen.

In zahlreichen Kliniken – Akutkrankenhäusern, Psychiatrischen und Psychosomatischen Kliniken – wird Heileurythmie in Fachbereichen wie Innere Medizin, Onkologie, Neurologie, Chirurgie, Gynäkologie, Pädiatrie etc. als Einzel- oder Gruppentherapie angewandt.

Zander zweifelt unter Berufung auf eine Quelle vom Hörensagen an, dass Steiner ein »liberaler Probenleiter« gewesen sei. Er widerlegt dabei ein Gerücht durch ein anderes.

Auf S. 1204 schreibt Zander:

»Steiner war in seiner Selbstwahrnehmung ein liberaler Probenleiter: ›Da werden Sie bemerkt haben, dass ich eigentlich niemals korrigiere.‹ Dies entsprach möglicherweise seinem Anspruch, kaum jedoch der Realität, wie schon die zweite Hälfte der Aussage offenlegt: ›Und zum Schluss haben die Leute es doch so gemacht, wie ich wollte.‹ (GA 277a, 44).«

Zander zitiert hier nach der Erzählung von Lory Maier-Smits, die in GA 277a veröffentlicht ist. Der Text lautet im Zusammenhang, mit den von Zander ausgelassenen Sätzen, wie folgt:

»Auf einmal sprach Rudolf Steiner nun so weiter, als sei die Eurythmie schon eine vollzogene Tatsache, als könne ich nicht nur einzelne Schüler ›die ich Ihnen schicken werde‹ unterrichten, sondern als könne, nein solle man Eurythmie in einem solchen Umfange in die Welt tragen, dass eines Tages sogar der Fußball durch sie verdrängt werden könne. ›Aber wenn Sie dann hinausgehen in die Welt und die Eurythmie den Menschen bringen, so müssen Sie sich diese Eurythmie auch bezahlen lassen, und zwar gut bezahlen lassen, denn die Eurythmie ist dem Ahriman abgetrotzt, und er muss ein Äquivalent haben.‹

Und weiter: ›Wenn Sie dann draußen in der Welt so einen Schüler vor sich haben, der meinetwillen sechs Fehler macht, tun Sie mir den Gefallen und sagen Sie ihm erst den siebenten. Sie waren ja jetzt in München bei den Proben dabei, da werden Sie bemerkt haben, dass ich eigentlich niemals korrigiere, und zum Schluss haben die Leute es doch so gemacht, wie ich wollte.‹ Das war der einzige pädagogische Ratschlag, den Rudolf Steiner mir je gegeben hat.« (GA 277a, Dornach 1998, S. 44.)

Die nette Anekdote gibt, wenn sie sich tatsächlich so abgespielt hat, wohl wirklich etwas von Steiners Selbstverständnis wieder. Wie Maier-Smits bemerkt, bestand der einzige pädagogische Ratschlag, den Steiner ihr jemals erteilte, in der Ermahnung, die Schüler sechsmal Fehler machen zu lassen und sie erst beim siebten Mal zu korrigieren. Daraufhin verwies er auf sich selbst als Vorbild beim Vermeiden von Korrekturen. Lehrer oder Regisseure sollten also das, was sie anstreben, nicht dadurch erreichen, dass sie ihre Autorität herausstellen, sondern auf anderen Wegen. Steiners Hinweis ist ein Appell an Phantasie und Intelligenz, nicht an Autorität. Aus seinen Äußerungen das Gegenteil von Liberalität herauszulesen, das bringt auch nur Zander fertig.