Angeblich hat Steiner, kurz nachdem er der Christengemeinschaft zu ihrer Entstehung verholfen hat, diese als zurückgeblieben und rückständig bezeichnet, um eine Abwanderung von Anthroposophen zu ihr zu verhindern.

Auf S. 1644-1645 schreibt Zander:

»Als aber Anthroposophen Ende 1922 begannen, ›anthroposophische Zweige in Gemeinden für religiöse Erneuerung‹ ›umzugestalten‹ (GA 219,175), sah Steiner sein Lebenswerk gefährdet. In seltener Schärfe wies er die Christengemeinschaft in einem Vortrag vom 30. Dezember 1922 in die Schranken ... Die Anthroposophie war für Steiner als unmittelbarer Zugang zur geistigen Welt der Königsweg, die Christengemeinschaft hingegen eine Hilfskonstruktion für diejenigen, die zurückgeblieben waren ...«

Und auf S. 1648 in Anmerkung 209:

»Steiner in einem Gespräch mit zwei Oberlenkern am 18.1.1923, zit. in Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 320. ›Wer den einen geht, sollten den anderen nicht überheblich geringer schätzen«, fuhr Steiner fort. Damit war aber weder die Superiorität der Anthroposophie noch die (in Steiners Augen) historische Rückständigkeit des Weges der Christengemeinschaft zurückgenommen.«

Ebenfalls auf S. 1648 behauptet Zander: Rudolf Steiner »soll, wo immer eine Menschenweihehandlung gefeiert wurde, ihr auf Reisen beigewohnt haben.«

Steiner wies in seinem Vortrag vom 30. Dezember 1922 nicht die Christengemeinschaft in ihre Schranken. Er bezeichnete sie auch nicht als »zurückgeblieben« oder »rückständig«. Wenn, dann wies er die Anthroposophenschaft in ihre Schranken. Für den Begriff der Rückständigkeit gibt Zander keinen Beleg, stattdessen zitiert er selbst Steiners Aussage, es gebe zwei »verschiedene, aber notwendige Wege« zum Geist. In seinem Vortrag vom 30. Dezember sprach er im Hinblick auf die Zielgruppe der Christengemeinschaft von Menschen mit einem »starken christlich-religiösen Trieb«, der in den etablierten Kirchen keine Befriedigung finde, davon, dass diese Menschen, da sie in »gewissen Kulturzusammenhängen« stünden, den Weg in die anthroposophische Bewegung nicht fänden, und von einer »historisch gegebenen Notwendigkeit«. Da die Anthroposophie das Ziel habe, »eine Erkenntnis zu gewinnen«, die sich zur Kunst erhebe und zum unmittelbaren religiösen Erleben führe, bedürften diejenigen, die den Weg in die Anthroposophische Gesellschaft gefunden hätten, keiner religiösen Erneuerung. »Denn was wäre die Anthroposophische Gesellschaft, wenn sie erst religiöse Erneuerung brauchte!« (GA 219, 30. Dezember 1922, Dornach 1984, S. 162 ff.; hier S. 172)

Steiner wies also auf Verschiedenheit hin, nicht auf Hierarchie oder Unterordnung. Diese Kategorien projiziert Zander in Steiners Äußerungen hinein. Hier kehrt ein Muster wieder, das bereits bei Zanders Interpretation der Themen »Rassen« und »Kulturen« beobachtbar war: seine Unfähigkeit, Verschiedenheit ohne hierarchische Implikationen und Abwertung zu denken.

Am Ende seines Vortrags macht Steiner seine Haltung überaus deutlich, wenn er sagt: »Ich hoffe, dass jetzt nicht irgend jemand geht zu irgendjemandem, der aktiv tätig ist in der religiösen Erneuerung, und sagt: In Dornach ist gegen sie dies oder jenes gesagt worden! – Es ist nichts gegen sie gesagt worden; sie ist in Liebe und in Hingebung an die geistige Welt und in berechtigter Weise aus der geistigen Welt heraus mit Ratschlägen versorgt worden, dass sie sich selbst begründen konnte ... Es gibt ganz gewiss keinen Wunsch, der so groß sein kann, wie der von mir, dass die Bewegung für religiöse Erneuerung unermesslich gedeihe, aber unter Einhaltung der ursprünglichen Bedingungen. Es dürfen nicht etwa die anthroposophischen Zweige in Gemeinden für religiöse Erneuerung umgestaltet werden, weder in materieller noch in geistiger Beziehung.« (ebd. S. 175) Zander kommentiert diese Äußerungen Steiners mit der Bemerkung: »das war eine höfliche Floskel am Rande der Unwahrhaftigkeit.« (S. 1645)

Dass die anthroposophische Gesellschaft keiner religiösen Erneuerung bedarf, bedeutete für Steiner aber keineswegs, dass sie nicht auch eines Kultus bedürfte oder dass anthroposophische Erkenntnisse nicht in kultusartigen Handlungen ihren Ausdruck finden könnten. Diese Tatsache wirft ein anderes Licht auf das Verhältnis von Anthroposophie und religiöser Erneuerung. Deutlich geht dies aus Ausführungen hervor, die Steiner während des ersten Theologenkurses 1921 machte. Im Zusammenhang mit Erläuterungen zu Ritualen (Beerdigungsritual, Messopfer, Taufritual) sagte Steiner unter anderem:

»Es ist ja natürlich bisher in der anthroposophischen Bewegung keine Veranlassung gewesen, diese Dinge wirklich konkret auszubilden aus dem einfachen Grunde, weil wir das ja vermeiden wollten. Die Fälle sind nicht wenige, wo man solche Dinge einführen wollte. Ich habe es immer abgelehnt aus dem Grund, weil natürlich dadurch die anthroposophische Bewegung von Anfang an totgemacht worden wäre. Man musste eben bei dem bleiben, was einem halbwegs gestattet war.

Vor 20 Jahren war es noch mehr, heute ist es weniger der Fall, dass die katholische Kirche das Rituelle als ihr Monopol betrachtet hat. Wir würden gleich totgemacht worden sein, und deshalb war auch wenig Veranlassung, das Ritual nach dieser Richtung auszubilden. Das andere, wo allerdings die Form des Rituals ausgebildet war, das ist durch den Krieg unterbrochen worden [Steiner meint die Esoterische Schule], wo man nicht weitermachen konnte; denn sobald diese Dinge weitergeführt worden wären, wäre man als geheime Gesellschaft behandelt worden.

Das sind die Dinge, warum die rituelle Seite innerhalb der anthroposophischen Bewegung nicht ausgebildet worden ist. Aber in ihrer Bewegung [für religiöse Erneuerung] wird sie ausgebildet werden können, denn es wird als etwas ganz Natürliches betrachtet werden können, dass das Rituelle in einer religiösen Bewegung ausgebildet wird.« (GA 342, 14. Juni 1921, abends, Dornach 1993, S. 136-137).

Als Gründe, warum die anthroposophische Bewegung das Rituelle nicht ausgebildet bzw. das bereits ausgebildete Rituelle nicht weitergeführt hat, führt also Steiner einerseits die Feindschaft der katholischen Kirche, andererseits politische Gründe (mögliche Verdächtigungen während des I. Weltkriegs, eine Geheimgesellschaft zu sein) an. Diese Gründe haben mit dem Wesen der anthroposophischen Bewegung nichts zu tun, dafür um so mehr mit den historischen Umständen, in denen sie sich bewegte.

Einen dritten Grund führt Steiner am 15. Juni 1921 an: die Notwendigkeit, auf die »modernen Bildungsformen« Rücksicht zu nehmen:

»Heute ist es eben nicht anders möglich, um zwischen Skylla und Charybdis durchzukommen, als den anthroposophischen Weg zu gehen, selbst Anthroposophie auch als ein tragendes Element des religiösen Lebens aufzunehmen, um zu den übersinnlichen Wahrheiten hinzugehen. Dann kommt man auch dazu ... , die populäre einfache Form zu finden für dasjenige, was wir innerhalb der Anthroposophie noch nicht tun können, weil zunächst einmal etwas anderes da sein muss. Wir müssen uns noch zu stark in den modernen Bildungsformen ausdrücken, weil wir zu denen sprechen, die der modernen Bildung angehören.« (GA 342, 15. Juni 1921, Dornach 1993, S. 150)

Die Bewegung für religiöse Erneuerung kann also etwas tun, was innerhalb der Anthroposophie noch nicht getan werden kann, weil zunächst – aus Rücksicht auf die modernen Bildungsformen – etwas anderes da sein muss.

Was die Behauptung anbetrifft, Steiner habe auf Reisen Menschenweihehandlungen beigewohnt, wo immer welche stattfanden, gibt Zander als Quelle in Anmerkung 211 (S. 1648) »mündliche Überlieferung in der Christengemeinschaft« an, ohne einen Gewährsmann zu nennen. Die Behauptung ist falsch. Es gibt keinen einzigen Zeugen für eine Anwesenheit Rudolf Steiners bei einer Menschenweihehandlung nach dem 22. September 1922.

Zander unterstellt einen seitens der Christengemeinschaft geträumten Traum, das kultische und christologische Herz der Anthroposophie zu bilden, den er nach Steiners Vortrag vom 20.12.1922 für ausgeträumt erklärt.

Auf S. 1645-1646 schreibt Zander:

»Seitens der Christengemeinschaft wusste man nun, dass ein möglicher Traum, das kultische und vielleicht auch christologische Herz der Anthroposophie zu bilden, vielleicht sogar den organisatorischen Kern, ausgeträumt war.«

Zander unterstellt ohne jeden Beleg einen seitens der Christengemeinschaft gehegten Traum. Dieser Traum existiert nur in seiner Fantasie.

Angeblich betrachtete Steiner den Glauben als »defiziente Wissensform« und bevorzugte auch für die Christengemeinschaft eine allegorische Auslegung des Alten Testaments.

Auf S. 1653 schreibt Zander:

»Glaube galt demgegenüber als defiziente Wissensform, etwa als Gefährdung, weil es an die ›zeitlichen Kräfte des Menschen« binde (GA 343, 99) ...

So bevorzugte Steiner auch für die Christengemeinschaft eine ›allegorische Auslegung des Alten Testamentes‹ ( GA 343, 239) ...«

Beide Aussagen treffen nicht zu.

Steiner bezeichnete nicht den Glauben als »defiziente Wissensform«, sondern wies auf die Notwendigkeit hin, sich von einem defizienten »Glaubensbegriff« zu verabschieden, also einen nicht-defizienten zu entwickeln.

Steiner bevorzugte auch nicht die »allegorische Auslegung des Alten Testamentes, sondern wies darauf hin, dass die Kirchenväter die allegorische Auslegung praktizierten und das Neue Testament missverstanden hätten.

Zum Glaubensbegriff:

»Sehen Sie, das ist eine Sache, die mich immer bedenklich macht, wenn ich so etwas finde – was ich ja sehr gut verstehen kann – wie die Schleiermachersche Religionsphilosophie. Lizentiat Bock hat mir neulich gesagt, dass man bei Schleiermacher ganz anderes enthüllen könne. Das würde sehr schön sein, wenn es geschehen könnte, aber so wie Schleiermacher gewöhnlich interpretiert wird, finde ich selbst in diesem Schleiermacherschen Weg, dass die Beziehungen und der Verkehr mit dem Göttlichen eben nur hergestellt werden durch Kräfte, die uns verlorengehen, die dem Menschen verlorengehen mit dem Tode. Und was ist denn das, was mit dem Tode verlorengeht, meine lieben Freunde? Auch wenn es Religiöses ist, wenn es mit dem Tode verlorengeht, ist es nichts anderes als eine, wenn auch noch so verfeinerte Wollust der Seele, eine Steigerung des zeitlichen Lebens. Man fühlt sich etwas wohler dadurch, dass man sich durch die Gottheit geborgen fühlt.

Sehen Sie, so möchte ich religiös sprechen von der Notwendigkeit, aus einem Glaubensbegriff herauszukommen, der eben gerade in der Gefahr lebt, sich nur an die zeitlichen Kräfte des Menschen zu binden. Diese haben natürlich auch ihren Bezug zum Göttlichen. Und da erschien mir immer als etwas Furchtbares die große Illusion, in der zahlreiche Menschen der Gegenwart leben, die darin besteht, dass die Menschen nicht sehen, wie das Abweisen eines gewissen Inhaltes, der ja immer ein Wissensinhalt sein muss – Sie können ihn ja Anschauungsinhalt nennen, aber das ist ja schließlich nur Terminologie –, wie die Abweisung eines solchen Inhaltes das religiöse Leben schwer gefährdet. Alte Religionen haben nie ohne Inhalt gelebt, und der Inhalt der christlichen Lehre ist einmal lebendig gewesen, er ist erst zu dem, was wir heute Dogma nennen, mit Abschluss des vierten nachchristlichen Jahrhunderts geworden. Also man kann sagen, dieses Nichtwollen des Inhaltes, dieses Sichfürchten vor dem sogenannten Wissen – ich sage mit vollem Bewusstsein ›vor dem sogenannten Wissen‹ –, das, meine lieben Freunde, ruft in mir immer den Gedanken wach, wie die Menschen in dieser Illusion leben, dass diese Furcht vor dem Wissen des Übersinnlichen doch auch vom Materialismus hervorgebracht wird. Ich sehe in diesem Glaubensbegriff eine Folge des Materialismus, ich kann mir nicht helfen, eine Folge des Materialismus, nicht eine bewusste Folge, aber etwas, was sich durch die unbewussten Untergründe der Seele als Folge des Materialismus ergibt.« (GA 343, 28. September 1921, Dornach 1993, S. 99-100)

Zur allegorischen Auslegung:

»Nun, diese drei Charakteristika finden Sie eben durchaus in der unmittelbar nachapostolischen Literatur der ersten drei bis vier Jahrhunderte: die allegorische Auslegung des Alten Testamentes, der Hinweis auf das Wiederkommen des Christus und auf die Zertrümmerung der alten Welt, und die Ermahnung zum Gehorsam gegenüber den Oberen. Uns muss in diesem heutigen Zusammenhang vor allen Dingen das mittlere interessieren, der Hinweis auf den kommenden Christus, denn wir müssen diesen Hinweis auf den kommenden Christus in Zusammenhang bringen mit dem Satz 6 des 13. Kapitels des Markus-Evangeliums, in dem es heißt: Viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es, und werden viele irreführen. – Sie finden ja in diesem Kapitel den außerordentlich merkwürdigen Hinweis, dass viele kommen werden, [die im Namen des Christus auftreten,] und Sie werden geradezu hingewiesen auf den einen oder anderen, der sich selbst als Christus bezeichnet. Nun, darauf ist besonders zu sehen. Es ist aus dem Grund besonders darauf zu sehen – ich werde auf diese Dinge noch näher zu sprechen kommen, also ich leite zunächst dazu über –, weil ja schon in dieser Stelle des Markus-Evangeliums der Hinweis liegt auf den Standpunkt der Kirchenväter der nachapostolischen Zeit. Indem diese vorbringen, dass der Christus so, wie sie es sich vorstellen, erscheinen wird, ist das [für sie zugleich] die Erfüllung [der Prophezeiung], dass die Verführer kommen werden, auf die man hinweisen will als auf die, die sich als Christusse bezeichnen; und solches ist auch in den ersten Jahrhunderten geschehen, aus dieser Stimmung heraus sind viele aufgetreten, die sich tatsächlich als den wiedergekommenen Christus bezeichneten. Es ist ja so außerordentlich viel verlorengegangen von der Literatur der ersten Jahrhunderte, dass eben diese Dinge heute eigentlich nur noch geisteswissenschaftlich gefunden werden können.

Und so müssen wir ja sagen – und dazu habe ich das eben Ausgesprochene vorgebracht –, dass, wenn wir den ganzen Tatbestand überblicken, schon die ersten christlichen Kirchenväter in einem Missverständnis des Evangeliums lebten, und zwar vielleicht in einem sehr schlimmen Missverständnis des Evangeliums.« (GA 343, 2. Oktober 1921, Dornach 1993, S. 239-240)

Laut Zander erwartete Steiner, die Christengemeinschaft werde aus ihrem »Katakombendasein zu hegemonialer Bedeutung aufsteigen«.

Auf Seite 1663 schreibt Zander:

»Den Priestern der Christengemeinschaft blieb Steiners Aktualisierung dieser Vision, hinter der die Hoffnung auf die Dominanz des anthroposophischen Christentums stand, im Ohr: ›In hundert Jahren wird es keine christliche Kirche mehr geben, es sei denn, es entsteht etwas im Sinne des hier Gewollten.‹299«

Anmerkung 299:

»Steiner zit. bei Heidenreich: Aufbruch, 25. Vgl. auch Steiners Erwartung, dass die Christengemeinschaft wie die Urkirche aus ihrem Katakombendasein zu hegemonialer Bedeutung aufsteigen werde: ›In einigen Jahrhunderten wird sich die Sache geändert haben‹ (GA 982,254).«

»Aber Steiners apokalyptische Zeitdeutung machte auch vor der Christengemeinschaft nicht Halt. ›Wenn die Christengemeinschaft im Laufe der kommenden 30 Jahre nicht zu einer großen, weltweiten Kirche wird, dann wird sie wieder vergehen und es wird sein, als wäre sie nie gewesen.301 Diese Voraussage ist spätestens 1955 abgelaufen.«

Anmerkung 301:

»Zit. nach Finsterlin: Editorial (1988).«

Zander belegt seine Behauptung, Steiner habe erwartet, dass die Christengemeinschaft wie die Urkirche aus ihrem Katakombendasein zu hegemonialer Bedeutung aufsteigen werde, mit einem Zitat aus einem Vortrag vom 14. Juni 1908, 14 Jahre vor der Gründung der Christengemeinschaft. Der betreffende Vortrag bezieht sich erwartungsgemäß auch gar nicht auf die Christengemeinschaft, sondern auf die »geisteswissenschaftliche Bewegung«.

Was die »1955 abgelaufene Voraussage« anbetrifft, so stellt das angebliche Steiner-Zitat auf das Anmerkung 301 verweist, eine freie Erfindung von Finsterlin dar.

Coda.

Σοφίαν δὲ λαλοῦμεν ἐν τοῖς τελείοις, σοφίαν δὲ οὐ τοῦ αἰῶνος τούτου οὐδὲ τῶν ἀρχόντων τοῦ αἰῶνος τούτου τῶν καταργουμένων: ἀλλὰ λαλοῦμεν θεοῦ σοφίαν ἐν μυστηρίῳ, τὴν ἀποκεκρυμμένην, ἣν προώρισεν ὁ θεὸς πρὸ τῶν αἰώνων εἰς δόξαν ἡμῶν: ἣν οὐδεὶς τῶν ἀρχόντων τοῦ αἰῶνος τούτου ἔγνωκεν, εἰ γὰρ ἔγνωσαν, οὐκ ἂν τὸν κύριον τῆς δόξης ἐσταύρωσαν. ἀλλὰ καθὼς γέγραπται, Ἃ ὀφθαλμὸς οὐκ εἶδεν καὶ οὖς οὐκ ἤκουσεν καὶ ἐπὶ καρδίαν ἀνθρώπου οὐκ ἀνέβη, ἃ ἡτοίμασεν ὁ θεὸς τοῖς ἀγαπῶσιν αὐτόν. ἡμῖν δὲ ἀπεκάλυψεν ὁ θεὸς διὰ τοῦ πνεύματος: τὸ γὰρ πνεῦμα πάντα ἐραυνᾷ, καὶ τὰ βάθη τοῦ θεοῦ. τίς γὰρ οἶδεν ἀνθρώπων τὰ τοῦ ἀνθρώπου εἰ μὴ τὸ πνεῦμα τοῦ ἀνθρώπου τὸ ἐν αὐτῷ; οὕτως καὶ τὰ τοῦ θεοῦ οὐδεὶς ἔγνωκεν εἰ μὴ τὸ πνεῦμα τοῦ θεοῦ. ἡμεῖς δὲ οὐ τὸ πνεῦμα τοῦ κόσμου ἐλάβομεν ἀλλὰ τὸ πνεῦμα τὸ ἐκ τοῦ θεοῦ, ἵνα εἰδῶμεν τὰ ὑπὸ τοῦ θεοῦ χαρισθέντα ἡμῖν: ἃ καὶ λαλοῦμεν οὐκ ἐν διδακτοῖς ἀνθρωπίνης σοφίας λόγοις ἀλλ' ἐν διδακτοῖς πνεύματος, πνευματικοῖς πνευματικὰ συγκρίνοντες. ψυχικὸς δὲ ἄνθρωπος οὐ δέχεται τὰ τοῦ πνεύματος τοῦ θεοῦ, μωρία γὰρ αὐτῷ ἐστιν, καὶ οὐ δύναται γνῶναι, ὅτι πνευματικῶς ἀνακρίνεται: ὁ δὲ πνευματικὸς ἀνακρίνει [τὰ] πάντα, αὐτὸς δὲ ὑπ' οὐδενὸς ἀνακρίνεται. τίς γὰρ ἔγνω νοῦν κυρίου, ὃς συμβιβάσει αὐτόν; ἡμεῖς δὲ νοῦν Χριστοῦ ἔχομεν.

Die Weisheit der Geweihten sprechen wir aus. Nicht die Weisheit des gegenwärtigen Äons, und auch nicht die der bereits kraftlos werdenden Archonten dieses Äons. Sondern wir sprechen die Gottes-Weisheit [Theosophie] in einem Mysterium aus, die im Verborgenen gelebt hat, nachdem sie durch Gott bereits vor allen Äonen vorgebildet worden ist, um uns geoffenbart zu werden. Keiner der Archonten des gegenwärtigen Äons hat diese Weisheit erkannt. Hätten sie sie erkannt, so hätten sie den nichts ans Kreuz geschlagen, der der Herr der Offenbarung ist. So sagt die Schrift:

»Was nie ein Auge gesehen und nie ein Ohr gehört hat,
was nie im Herzen eines Menschen bewusst geworden ist,
das hat Gott denen zubereitet, die ihn lieben.«

Uns hat es nun Gott durch das Pneuma offenbart.

Das Pneuma durchdringt alles, selbst die Abgründe der Gottheit. Welcher Mensch vermöchte das Wesen des Menschen zu erkennen, wenn nicht das Pneuma des Menschen selber in ihm wäre? So auch kann das Wesen der Gottheit nur durch das Pneuma Gottes selbst erkannt werden. Das Pneuma, das wir empfangen haben, ist nicht das des sichtbaren Kosmos, sondern das Pneuma, das von Gott selber ausgeht, damit wir klar erkennen, was uns von Gott geschenkt ist. Daher sprechen wir auch nicht Worte aus, die uns menschliche Weisheit gelehrt hat: Es sind Worte, die uns das Pneuma selber lehrt; pneumatisch begreifen wir was pneumatisch ist. Der psychische Mensch kann nicht in sich aufnehmen, was aus dem Pneuma Gottes hervorfließt. Es ist für ihn Torheit; er kann es nicht verstehen, denn nur auf pneumatische Art kann es begriffen werden. Der pneumatische Mensch jedoch vermag alles zu verstehen, obwohl er selbst von niemandem verstanden wird. Wer hätte je den Geist des Herrn erkannt; wer könnte sein Ratgeber sein? Uns aber ist der Geist des Christus gegeben.