Zanders Interpretation von Steiners »Rassentheorie« fußt auf drei fundamentalen Grundirrtümern.

Auf S. 297-298 schreibt Zander:

»Steiners Rassentheorie ist Bestandteil einer ausgreifenden, aus der Theosophie stammenden Kosmologie, die die Emanationsgeschichte der Welt von ihrem Austritt aus dem ›Geistigen‹ bis zur Respiritualisierung am Ende der Geschichte beschreibt ... Die theosophische Einfärbung des Modells zeigt sich in der Parallelisierung der ›planetarischen (d.h. nach Planetennamen benannten) Stufen‹ mit der Entwicklung der menschlichen Körperhüllen und der Entfaltung des Bewusstseins. Die Bewertung von Rassen greift auf dieses sozialdarwinistische Entwicklungsmodell zurück, indem sie einen Bewusstseinsstand einem Ort in der Rassengenese zuweist.«

Zanders gesamte Ausführungen beruhen auf drei fundamentalen Grundirrtümern:

1. der Annahme, Steiner habe eine biologistische Rassentheorie im Stile des zeitgenössischen Rassismus geschaffen,

2. dieser Theorie sei ein sozialdarwinistisches Prinzip konstitutiv eingeschrieben,

3. Steiners Aussagen über das, was er unter Rassen verstand, enthielten Werturteile.

Der erste Irrtum beruht auf einer Verkennung des Menschenbildes der Anthroposophie, der zweite auf einer Verkennung ihrer ethisch-moralischen und politischen Prinzipien, der dritte auf einer Verwechslung ontologischer und moralischer Urteile.

Zu 1.

Bereits in der »Philosophie der Freiheit« (1893) hat Steiner die Gültigkeit oder Anwendbarkeit von Rassenkategorien auf eine dem Wesen des Menschen äußerliche ontologische Ebene eingeschränkt:

»Wer die Menschen nach Gattungscharakteren beurteilt, der kommt eben gerade bis zu der Grenze, über welcher sie anfangen, Wesen zu sein, deren Betätigung auf freier Selbstbestimmung beruht. Was unterhalb dieser Grenze liegt, das kann natürlich Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung sein. Die Rassen-, Stammes-, Volks- und Geschlechtseigentümlichkeiten sind der Inhalt besonderer Wissenschaften.

Nur Menschen, die allein als Exemplare der Gattung leben wollten, könnten sich mit einem allgemeinen Bilde decken, das durch solche wissenschaftliche Betrachtung zustande kommt. Aber alle diese Wissenschaften können nicht vordringen bis zu dem besonderen Inhalt des einzelnen Individuums.

Da, wo das Gebiet der Freiheit (des Denkens und Handelns) beginnt, hört das Bestimmen des Individuums nach Gesetzen der Gattung auf. Den begrifflichen Inhalt, den der Mensch durch das Denken mit der Wahrnehmung in Verbindung bringen muss, um der vollen Wirklichkeit sich zu bemächtigen, kann niemand ein für allemal festsetzen und der Menschheit fertig hinterlassen.

Das Individuum muss seine Begriffe durch eigene Intuition gewinnen. Wie der einzelne zu denken hat, lässt sich nicht aus irgendeinem Gattungsbegriffe ableiten. Dafür ist einzig und allein das Individuum maßgebend. Ebensowenig ist aus allgemeinen Menschencharakteren zu bestimmen, welche konkrete Ziele das Individuum seinem Wollen vorsetzen will.

Wer das einzelne Individuum verstehen will, muss bis in dessen besondere Wesenheit dringen, und nicht bei typischen Eigentümlichkeiten stehen bleiben. In diesem Sinne ist jeder einzelne Mensch ein Problem. Und alle Wissenschaft, die sich mit abstrakten Gedanken und Gattungsbegriffen befasst, ist nur eine Vorbereitung zu jener Erkenntnis, die uns zuteil wird, wenn uns eine menschliche Individualität ihre Art, die Welt anzuschauen, mitteilt, und zu der anderen, die wir aus dem Inhalt ihres Wollens gewinnen.« (GA 4, S. 239-241)

An dieser Wesensbestimmung des Menschen hat er auch in der theosophischen und anthroposophischen Zeit uneingeschränkt festgehalten. In seiner »Theosophie« schrieb er 1904:

»Der Mensch ist außer mit den bei Pflanzen und Tieren genannten Fähigkeiten noch mit derjenigen ausgestattet, die Empfindungen zu Vorstellungen und Gedanken zu verarbeiten und seine Triebe denkend zu regeln. Der Gedanke, der in der Pflanze als Gestalt, im Tiere als seelische Kraft erscheint, tritt bei ihm als Gedanke selbst, in seiner eigenen Form, auf. Das Tier ist Seele; der Mensch ist Geist. Die Geistwesenheit ist noch um eine Stufe tiefer herabgestiegen. Beim Tiere ist sie seelenbildend. Beim Menschen ist sie in die sinnliche Stoffwelt selbst eingezogen. Der Geist ist innerhalb des menschlichen Sinnenleibes anwesend. Und weil er im sinnlichen Kleide erscheint, kann er nur als jener schattenhafte Abglanz erscheinen, welchen der Gedanke vom Geistwesen darstellt. Durch die Bedingungen des physischen Gehirnorganismus erscheint im Menschen der Geist – Aber der Geist ist dafür auch des Menschen innerliche Wesenheit geworden.« (GA 9, S. 153)

Und in seiner »Geheimwissenschaft im Umriss« (1909): »Das ›Ich‹ als Bezeichnung für ein Wesen hat nur dann einen Sinn, wenn dieses Wesen sich diese Bezeichnung selbst beilegt. Niemals kann von außen an eines Menschen Ohr der Name ›Ich‹ als seine Bezeichnung dringen; nur das Wesen selbst kann ihn auf sich anwenden. ›Ich bin ein Ich nur für mich; für jeden andern bin ich ein Du; und jeder andere ist für mich ein Du.‹

Diese Tatsache ist der äußere Ausdruck einer tief bedeutsamen Wahrheit. Das eigentliche Wesen des «Ich» ist von allem Äußeren unabhängig; deshalb kann ihm sein Name auch von keinem Äußeren zugerufen werden. Jene religiösen Bekenntnisse, welche mit Bewusstsein ihren Zusammenhang mit der übersinnlichen Anschauung aufrechterhalten haben, nennen daher die Bezeichnung ›Ich‹ den ›unaussprechlichen Namen Gottes‹. Denn gerade auf das Angedeutete wird gewiesen, wenn dieser Ausdruck gebraucht wird.

Kein Äußeres hat Zugang zu jenem Teile der menschlichen Seele, der hiermit ins Auge gefasst ist. Hier ist das ›verborgene Heiligtum‹ der Seele. Nur ein Wesen kann da Einlass gewinnen, mit dem die Seele gleicher Art ist. ›Der Gott, der im Menschen wohnt, spricht, wenn die Seele sich als Ich erkennt.‹ Wie die Empfindungsseele und die Verstandesseele in der äußeren Welt leben, so taucht ein drittes Glied der Seele in das Göttliche ein, wenn diese zur Wahrnehmung ihrer eigenen Wesenheit gelangt.« (GA 13, S. 67-68)

Diese Wesensbestimmung des Menschen – jedes Menschen – macht jede denkbare »Gattungseigenschaft«, die der Individualität anhaftet, zu einer akzidentellen Bestimmung, die nicht sein Wesen betrifft, sondern nur gewisse Eigenschaften, die mit dieser in einer äußerlichen Form verbunden sind. Wenn das Wesen des Menschen der Geist ist, wenn dieser Geist im Ich eines jeden als sein Allerheiligstes, als das Göttliche aufleuchtet, dann können leibliche Eigenschaften nicht zu diesem Wesen des Menschen gehören und aus ihnen auch keine Wesensbestimmung des Menschen geschöpft werden. Aussagen über Rasseneigenschaften betreffen also grundsätzlich nicht das »heiligste« Wesen des Menschen.

Von der geisteswissenschaftlichen Erkenntnis – also auch seiner eigenen – forderte Steiner explizit, dass sie sich gänzlich von »Rassenvorurteilen« frei machen müsse. In »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« schrieb er (1905):

»Zu den Eigenschaften, die zum Beispiel ebenso bekämpft werden müssen wie Zorn und Ärger, gehören Furchtsamkeit, Aberglaube und Vorurteilssucht, Eitelkeit und Ehrgeiz, Neugierde und unnötige Mitteilungssucht, das Unterschiedmachen in bezug auf Menschen nach äußerlichen Rang-, Geschlechts-, Stammeskennzeichen und so weiter.

In unserer Zeit wird man recht schwer begreifen, dass die Bekämpfung solcher Eigenschaften etwas zu tun habe mit der Erhöhung der Erkenntnisfähigkeit. Aber jeder Geheimwissenschafter weiß, dass von solchen Dingen viel mehr abhängt als von der Erweiterung der Intelligenz und von dem Anstellen künstlicher Übungen.

Insbesondere kann leicht ein Missverständnis darüber entstehen, wenn manche glauben, dass man sich tollkühn machen solle, weil man furchtlos sein soll, dass man sich vor den Unterschieden der Menschen verschließen soll, weil man die Standes-, Rassen- und so weiter Vorurteile bekämpfen soll. Man lernt vielmehr erst richtig erkennen, wenn man nicht mehr in Vorurteilen befangen ist. Schon in gewöhnlichem Sinne ist es richtig, dass mich die Furcht vor einer Erscheinung hindert, sie klar zu beurteilen, dass mich ein Rassenvorurteil hindert, in eines Menschen Seele zu blicken. Diesen gewöhnlichen Sinn muss der Geheimschüler in großer Feinheit und Schärfe bei sich zur Entwickelung bringen.« (GA 10, S. 67)

Steiner schränkte die Gültigkeit von Rassenkategorien aber nicht nur ontologisch, sondern auch zeitlich ein. Seiner Auffassung nach waren sie »im eigentlichen Sinne« nur auf die »atlantische Zeit« anwendbar. So heißt es in einem Vortrag am 20. Juni 1908:

»Deshalb sprechen wir auch von Kulturzeitaltern im Gegensatz zu Rassen. Alles das, was etwa verknüpft ist mit dem Rassenbegriff, ist noch Überbleibsel des Zeitraumes, der dem unseren vorangegangen ist, des atlantischen. Wir leben im Zeitraum der Kulturepochen. Die Atlantis war der Zeitraum, wo sich nach und nach sieben aufeinanderfolgende große Rassen bildeten. Natürlich, die Früchte dieser Rassenbildung ragen herein auch in unser Zeitalter, daher spricht man auch heute noch von Rassen. Das sind aber schon Verwischungen jener scharfen Trennungen in der atlantischen Zeit. Heute hat schon der Kulturbegriff den Rassenbegriff abgelöst. Daher sprechen wir von der alten indischen Kultur, von welcher die Kultur, die uns in den Veden angekündigt wird, nur ein Nachklang ist. Die uralt-heilige indische Kultur ist die erste Morgenröte der nachatlantischen Kultur, sie folgt unmittelbar auf die atlantische Zeit.« (GA 104, 20. Juni 1908, S. 69) Mit anderen Worten: Rassenbegriffe sind auf die Menschheitsentwicklung seit rund zehntausend Jahren nicht mehr anwendbar (die alte indische Kultur begann im 8. Jahrtausend vor Christus), was heute noch als »Rasse« bezeichnet wird, ist ein ephemeres Residuum und als historische Kategorie wertlos.

Zu 2.

Genauso absurd, wie die Unterstellung, Steiner habe einen biologistischen Reduktionismus und damit einen Rassismus vertreten, für dessen Begriff die Reduktion des Menschen auf seine Gattungseigenschaften konstitutiv ist –  ist die Unterstellung, Steiner sei Sozialdarwinist gewesen.

Der Sozialdarwinismus ist die Anwendung des Darwinismus auf die Politik und ist ebenso wie der Rassismus durch einen biologistischen Reduktionismus und Determinismus gekennzeichnet. Die menschlichen Gesellschaften sind dem Prinzip des Kampfs ums Dasein und der natürlichen Selektion unterworfen. Die Auslese der Stärkeren und die Vernichtung der Schwächeren ist in sozialer, ökonomischer und moralischer Hinsicht maßgeblich für das soziale Leben (das natürlich unter diesen Voraussetzung nicht sozial, sondern zutiefst antisozial ist). Steiner verabscheute den Sozialdarwinismus.

Bereits in der »Philosophie der Freiheit« setzte er die höchsten Maximen des moralischen Handelns in 1. das größtmögliche Wohl der Gesamtmenschheit rein um dieses Wohles willen; 2. den Kulturfortschritt oder die sittliche Entwicklung der Menschheit zu immer größerer Vollkommenheit; 3. die Verwirklichung rein intuitiv erfasster individueller Sittlichkeitsziele. (GA 4, S. 109)

Für letztere gilt der Grundsatz: »Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens.« (GA 4, S. 116) »Läge nicht in der menschlichen Wesenheit der Urgrund zur Verträglichkeit« so Steiner, »man würde sie ihr durch keine äußeren Gesetze einimpfen! Nur weil die menschlichen Individuen eines Geistes sind, können sie sich auch nebeneinander ausleben. Der Freie lebt in dem Vertrauen darauf, dass der andere Freie mit ihm einer geistigen Welt angehört und sich in seinen Intentionen mit ihm begegnen wird. Der Freie verlangt von seinen Mitmenschen keine Übereinstimmung, aber er erwartet sie, weil sie in der menschlichen Natur liegt.« (GA 4, S. 116)

Das höchste ethische Prinzip ist für Steiner die Liebe:

»Nur wenn ich meiner Liebe zu dem Objekte folge, dann bin ich es selbst, der handelt. Ich handle auf dieser Stufe der Sittlichkeit nicht, weil ich einen Herrn über mich anerkenne, nicht die äußere Autorität, nicht eine sogenannte innere Stimme. Ich erkenne kein äußeres Prinzip meines Handelns an, weil ich in mir selbst den Grund des Handelns, die Liebe zur Handlung gefunden habe. Ich prüfe nicht verstandesmäßig, ob meine Handlung gut oder böse ist; ich vollziehe sie, weil ich sie liebe.« (GA 4, S. 113)

Dieses Prinzip war für ihn auch in der theosophischen und anthroposophischen Zeit uneingeschränkt gültig:

»Will der Mensch den Liebe schaffenden und Liebe ausströmenden Gott erkennen, dann muss er seine Seele selbst zur Liebe heranbilden. Das ist der wichtigste Grundsatz, den die theosophische Bewegung zu dem ihrigen gemacht hat: Den Kern einer allgemeinen Menschenverbrüderung zu bilden, welche auf Menschenliebe gebaut ist. Dadurch wird die theosophische Bewegung die Menschheit in umfassender Weise zubereiten zu einer Weltanschauung, in der nicht der Kampf, sondern die Liebe schafft und bildet.« (GA 53, 29.9.1904, S. 25)

In einem öffentlichen Vortrag über »Bruderschaft und Daseinskampf« führte er 1905 aus:

»Diese einheitliche Seele im ganzen Menschengeschlecht wahrhaft und wirklich zu entwickeln, das ist die Aufgabe der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung. Das spricht sich in unserem ersten Grundsatz aus: einen Bruderbund zu gründen über die ganze Erde hin, ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht, Farbe und so weiter ... Bis in die Leidenschaften hinein muss die Läuterung stattfinden, die es dem Menschen selbstverständlich macht, dass in seinem Bruder die gleiche Seele lebt. Im Physischen sind wir getrennt, im Seelischen sind wir eine Einheit als Ich des Menschengeschlechtes« (23.11.1905, GA 54, S. 52-53).

Diesen Gedanken verknüpfte er mit dem Prinzip der »gegenseitigen Hilfeleistung« (ebd.) Die gegenseitige Hilfeleistung (Mutualismus, Solidarität) zwischen allen Menschen stellt zusammen mit der Idee der »gleichen Seele in allen Menschen« die Grundlage für den Bruderbund dar, der die ganze Menschheit, über alle physischen Unterschiede hinweg, einschließt. Nur eine Gesellschaft, die sich auf das Prinzip des Mutualismus und die Erkenntnis stützt, dass die Menschheit eine geistige Einheit ist, kann wirklichen Frieden auf der Erde schaffen und Kriege und Konflikte überwinden: »Eine wirkliche Friedensgesellschaft ist eine solche, die nach Geist-Erkenntnis strebt, und die wirkliche Friedensbewegung ist die geisteswissenschaftliche Strömung« (23.11.1905, GA 54, S. 53).

Und zwar, weil sie sich von der Maxime leiten lässt:

»Wir bekämpfen nicht, wir tun etwas anderes: Wir pflegen die Liebe, und wir wissen, dass mit diesem Pflegen der Liebe der Kampf verschwinden muss. Wir stellen nicht Kampf gegen Kampf. Wir stellen die Liebe, indem wir sie hegen und pflegen, gegen den Kampf. Das ist etwas Positives. Wir arbeiten an uns in der Ausgießung der Liebe und begründen eine Gesellschaft, die auf Liebe gebaut ist. Das ist unser Ideal ... Nicht durch Kampf überwindet man den Kampf, nicht durch Hass überwindet man den Hass, sondern den Kampf und den Hass überwindet man in Wahrheit allein durch die Liebe« (23.11.1905, GA 54, S. 55-56).

Diese Grundsätze hat Steiner später nicht etwa aufgegeben:

»Deshalb ist es notwendig, dass diejenige Bewegung, welche die anthroposophische genannt wird, welche vorbereiten soll den sechsten Zeitraum, gerade in ihrem Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, dass sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen Nationen und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen Menschengruppen vorhanden sind.« (GA 117, 4.12.1909, S. 151-2)

In seinen »Kernpunkten der sozialen Frage« (1919) fasste Steiner die drei regulativen Prinzipien einer menschenwürdigen Gesellschaft wie folgt zusammen: »das Zusammenwirken der Menschen im Wirtschaftsleben« muss »auf derjenigen Brüderlichkeit ruhen ..., die aus den Assoziationen heraus ersteht. In dem zweiten Gliede, in dem System des öffentlichen Rechts, wo man es zu tun hat mit dem rein menschlichen Verhältnis von Person zu Person, hat man zu erstreben die Verwirklichung der Idee der Gleichheit. Und auf dem geistigen Gebiete, das in relativer Selbständigkeit im sozialen Organismus steht, hat man es zu tun mit der Verwirklichung des Impulses der Freiheit. So angesehen, zeigen diese drei Ideale ihren Wirklichkeitswert.« (GA 23, S. 89-90)

Zu 3.

Steiners Aussagen über »Rasseneigenschaften« und sogenannte »Rassen« sind seinem eigenen epistemologischen Selbstverständnis nach Zuordnungen von Erkenntnisbegriffen zu Wahrnehmungsinhalten und betreffen vermutete oder tatsächliche Merkmale bestimmter Bestandteile der Wahrnehmungswelt zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Sie unterliegen damit prinzipiell der Falsifikation.

Es handelt sich grundsätzlich nicht um moralische Werturteile. Sie schließen auch keine solchen Werturteile ein.

Der Begriff der »Dekadenz« beispielsweise betrifft eine bestimmte leibliche Konstitution in Relation zu ihren eigenen früheren Zuständen und gewissen Umweltbedingungen. Er sagt etwas über die mögliche Beschaffenheit eines Wahrnehmungsinhaltes aus und enthält keinerlei moralische Verurteilung dieses Wahrnehmungsinhaltes. Dies ist schon allein deshalb nicht möglich, weil sich die betreffenden Aussagen nicht auf das moralische Wesen des Menschen beziehen, in dem sein unveräußerlicher Wert verankert ist, sondern auf akzidentelle, leibliche Merkmale.

Darüberhinaus leitet Steiner nie irgendwelche Handlungsanweisungen aus solchen Aussagen ab, also soziale oder regulative politische Ideen, die aus vermuteten oder zugesprochenen Eigenschaften das Recht zur Schädigung der betreffenden Menschengruppen oder zur Beschränkung ihrer Rechte ableiten. Will man wissen, welche moralischen und ethischen Prinzipien Steiner in bezug auf das Zusammenleben der Menschheit auf der Erde vertrat, muss man seine diesbezüglichen Ausführungen zu Rate ziehen, die unter 2. aufgeführt wurden.

Es ist vollkommen absurd, wenn Zander Ausführungen Steiners über »Wurzelrassen« unter eine biologistische »Rassentheorie« subsumiert.

Auf S. 299 schreibt Zander:

»In den Aufsätzen ›Aus der Akasha-Chronik‹ ... findet sich im Juli 1904 das Gerüst der oben tabellarisch dargestellten Rassenvorstellungen, wobei sich Steiners Detailausführungen auf drei Wurzelrassen: ›Lemurier‹, ›Atlantier‹ und ›arische Wurzelrasse‹, beschränken.

Ihre Zuordnung erfolgt in einem evolutionären Schema, deren Kern die Entwicklung des menschlichen Selbstbewusstseins sei: Habe in der vierten Wurzelrasse von den Tolteken zu den Ur-Turaniern hin ›die persönliche Erfahrung immer mehr an Bedeutung‹ gewonnen (GA 11,38), so hätten die Ur-Semiten ›die Antriebe zum Handeln in das menschliche Innere verlegt‹ (GA 11,40) und die Akkadier die ›Denkkraft‹ weiter ausgebildet (GA 11,41). In der fünften Wurzelrasse seien die Beseelung mit ›höheren Ideen‹, aber auch der persönliche ›Eigennutz‹ zum Kennzeichen der Rassenentwicklung geworden – Steiner sah also eine ambivalente Entwicklung. In der fünften Wurzelrasse treten ›die menschlichen Eingeweihten, die heiligen Lehrer, ... die großen Priesterkönige‹ auf (GA 11,55), die die Menschheit nun weiterführen.«

Wie Zander richtig bemerkt, konzentriert sich Steiner bei seinen Ausführungen in seinen Aufsätzen »Aus der Akasha-Chronik« auf die Entwicklung des menschlichen Selbstbewusstseins, sie geben daher nichts her, wenn man eine entscheidende Frage beantworten will: Wie sahen eigentlich diese Lemurier oder Atlantier aus?

Diese Frage ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn wenn man behauptet, dass die Lemurier oder Atlantier eine »biologische Rasse« im heutigen Sinn waren und sie deswegen Bestandteil biologischer »Rassenvorstellungen« im Sinne der Theorie der Menschenrassen sind, wird ja wohl die Beschaffenheit ihrer Biologie von zentraler Bedeutung sein.

Sollte sich aber herausstellen, dass diese Wurzelrassen vom heutigen Menschen so vollkommen verschieden waren, dass sie »in keiner Weise« mit dem heutigen Menschen zu vergleichen sind, dann können sie auch nicht unter eine »sozialdarwinistische Theorie der Rassenevolution« subsumiert werden. Sollte dies der Fall sein, dann folgt daraus, dass alle Aussagen, die sich auf die lemurischen oder atlantischen »Rassen« beziehen, nicht für den Vorwurf des Rassismus ausgeschlachtet werden können.

Wie sahen sie also aus? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, muss man ein wenig herumsuchen, dann wird man fündig.

Der Lemurier entwickelte sich »aus dem noch nicht menschlichen Genossen der Ichthyosaurier, Plesiosaurier«, er bestand aus gallertartigen, durchsichtigen Stoffen, er bewegte sich mit Hilfe einer Schwimmblase schwebend fort, besaß noch keine Lunge, er sah äußerlich aus wie ein sehr weichkörperiger Lindwurm. Seine Genossen waren Kröten, Fische, Frösche, eine urtümliche Reptilien- und Amphibienwelt, deren heutige Nachkommen allerdings nicht mehr damit verglichen werden können – weder von jenen Tieren noch vom damaligen Menschen sind heute noch Reste aufzufinden.

In einem öffentlichen Vortrag in Berlin am 9. November 1905 führte Steiner dazu aus:

»Der Lemurier war in höherem Grade noch als der Atlantier ein hellsehender Mensch. Er war mit einer riesigen Kraft des Willens begabt, er war ein Mensch, bei dem noch nicht Sprache und Gedächtnis ausgebildet waren. Erst im späteren Lemurien fing die Sprache an. Der Lemurier konnte aber die Pflanzen wachsen machen, er konnte dem Winde gebieten, er konnte Naturkräfte wie mit Zauber aus der Erde hervorholen, kurz, den heutigen Vorstellungen gegenüber grenzt das, was der Lemurier konnte, ans Wunderbare. Aber das alles war in einem völlig dumpfen Bewusstsein, in einem tieferen Traumschlaf, als er bei dem Atlantier vorhanden war. Ganz geleitet von höheren Einflüssen, von höheren geistigen Wesenheiten, war dieser Lemurier ein abhängiges Geschöpf in den Händen höherer Mächte, die ihm die Impulse zu seinen Willensentschlüssen, zu allem was er tat, gaben ...

Dieser Lemurier entwickelte sich heraus aus dem noch nicht menschlichen Genossen der Ichthyosaurier, Plesiosaurier und so weiter. Das sind jene fabelhaften Tiere, die noch vor unseren Säugetieren da waren und die durch die großen, gewaltigen Naturrevolutionen in diesen Kontinenten zugrunde gegangen sind. Alles das, was als vulkanische Bildungen aus dem Ozean herausragt, sind Überreste jener alten lemurischen Zeit ...

Der Naturforscher von heute, an materialistische Vorstellungsweisen gewöhnt, nimmt an, dass der Mensch sich aus niederen Tierformen entwickelt hat. Das kann der Geistesforscher nicht. Er nimmt an, dass dem Materiellen das Geistige vorangegangen ist, dass in dem Geistigen der Urgrund des Äußeren, des Materiellen liegt, dass des Menschen äußerer Leib Ausdruck von des Menschen Seele sei.

Das, was der Geistesforscher als Astralkörper schildert, war viel früher ausgebildet als des Menschen physischer Leib. Dieser Astralleib hat eine Verdichtung durchgemacht und bildet so den Ätherleib, und erst dieses Ätherleibes Verdichtung bildet den physischen Leib. Das Dichtere hat sich erst später gebildet. Das Dünnere, das Astrale namentlich, war in viel früheren Zeiten vorhanden.

So zeigt uns die Geisteswissenschaft, dass nicht aus zufälliger Zusammenballung physischer Materie ein Wesen entstanden ist, welches solche Triebe, Leidenschaften und Instinkte hat wie der Mensch, sondern dass diese Triebe und Leidenschaften in einer ihnen zukommenden Materie das Ursprüngliche sind. Diese Materie hat nicht die Leidenschaft geschaffen, sondern die früheren Leidenschaften haben die Formen der Physiognomie geschaffen.

So geht der Mensch durch einen Verdichtungsprozess hindurch. Und in der Tat, wenn wir zurückgehen auf jene Lemurier, so sehen wir, dass ihr Leib immer dünner und dünner wird, bis wir zu Menschen zurückkommen, welche ihrer physischen Materie nach gewissen Tieren, die heute eine gallertartige Materie haben, sehr ähnlich sind. Wenn wir noch weiter zurückgingen, so würden wir uralte Menschenvorfahren finden, in einer Materie ausgebildet, welche nicht mit dem gewöhnlichen physischen Auge gesehen werden kann: den Äthermenschen. Doch auf diese urälteste Zeit will ich heute nicht zurückgehen. (GA 54, 9. November 1905)

Eine wichtige Ergänzung stellen Ausführungen in einem Vortrag in Leipzig im Jahr 1906 dar:

»Wir haben den Entwickelungsgang der Menschheit zurückverfolgt bis in die Atlantis hinein und wollen nun zur Betrachtung von Lemurien übergehen und von den lemurischen Menschengestalten reden. Diese Menschen repräsentieren als erste den eigentlichen Menschen, bei dem der Körper von einer Seele durchdrungen ist.

Betrachten wir zunächst die Beschaffenheit des lemurischen Kontinentes und die jenes Menschentypus, der ihn bewohnte. In der lemurischen Zeit war alles erfüllt von einer wasserartigen Masse, aus der Inseln herausragten, die sämtlich vulkanisch waren. Typisch für Lemurien ist das Wechselvolle in der Natur, in den Formen und im Leben. Da herrschte ein rasches Sich-Verwandeln der einzelnen Gestalten und Arten.

Die Seeleneigenschaften der Atlantier waren bei den Lemuriern noch stärker ausgeprägt, insbesondere der Wille, der den allergrößten Einfluss auch auf die Gestaltung des physischen Leibes hatte.

Dieser selbst bestand nur aus gallertartigen, durchsichtigen Stoffen, in die das, was heute Knochen und Muskeln sind, erst hineingebaut werden musste. Ein Organ, das heute eine sehr große Rolle spielt, befand sich damals erst in den allerersten Anfängen. Das ist sehr bedeutsam, denn mit der Ausbildung der Lunge hängt die Beseelung des Menschen zusammen. Diese Beseelung geschah nicht in einem Augenblick, sondern sie dauerte sehr lange Zeitepochen.

Welche Beziehungen hatte nun die Menschenseele, bevor sie den damaligen physischen Leib beseelte, zu diesem Leibe, der nach unseren heutigen Begriffen sehr missgestaltet war? Es waren dieselben Beziehungen, die sie heute zu ihm im Schlafe hat: sie war außerhalb des Leibes, umschwebte ihn und zog ihn mit sich, auf einer Erde, die damals noch von mächtigen Lebensströmungen durchzogen war.

Der Lemurier befand sich dauernd in einem schlafartigen Zustand, der sich mit unserem Traumbewusstsein vergleichen lässt, in dem eine lebhafte Bilderwelt sich darstellt. Nur in dieser Weise konnte er wahrnehmen; er wusste die Bedeutung der einzelnen Bilder und kannte dadurch das Seelische der Dinge.

Ein großer Entwickelungsaugenblick war der, als er zum ersten Mal seinen Körper zum Wahrnehmen benützte. Die Bewegung des Menschen bestand in einem Schweben.

In seiner Leibeshöhle besaß er ein besonderes Organ dafür, eine Art von Schwimmblase. Aus dieser Schwimmblase entwickelte sich dann unter dem Einfluss der ihn umschwebenden Seele die Lunge allmählich heraus. In dem Maße, als der Mensch mit der Lunge zu atmen begann, zog seine Seele in den Körper ein. Mit der Atemluft atmete der Mensch tatsächlich seine Seele ein. Dieser Vorgang wird wiederum wörtlich richtig in der Genesis im Sechstagewerk geschildert durch den Satz: Und Gott blies dem Menschen seinen Odem ein, und er ward eine lebendige Seele.

Äußerlich sah der Mensch in jener Zeit etwa aus wie ein sehr weichkörperiger Lindwurm – Schlange trifft nicht ganz die Wirklichkeit. Seine Genossen waren Kröten, Fische, Frösche und so weiter, kurz, eine urtümliche Reptilien- und Amphibienwelt, deren heutige Nachkommen allerdings nicht mehr damit verglichen werden können, denn es sind dies ganz herabgekommene Nachkommen. Säugetiere gab es damals noch keine. Weder von jenen Tieren noch vom damaligen Menschen sind heute noch Reste aufzufinden.« (GA 94, Leipzig, 7. Juli 1906)

Wie verhielt es sich mit der »atlantischen Wurzelrasse«?

Sie sind »in keiner Weise« mit den heutigen Menschen zu vergleichen, sie hatten »einen ganz anderen physischen Leib«, sie konnten »verlorene Gliedmaßen ergänzen«, der heutige Forscher wird keinerlei Überreste der Atlantier finden können, weil der Mensch ein Wesen war, »dessen Teile stofflich noch weich waren«.

»Die Atlantier sind in keiner Weise zu vergleichen mit denjenigen Menschen, die heute den Erdball bewohnen.« (GA 93a, Berlin, 5. November 1905)

»Selbst der physische Leib ist der Veränderung unterworfen. Die alten Atlantier hatten einen ganz anderen und die ersten Lemurier hatten überhaupt noch keinen wirklichen physischen Leib.« (GA 94, München, 2. November 1906)

»Die Atlantier hatten einen viel beweglicheren Körper und vor allen Dingen in der allerersten Zeit einen mächtigen, starken Willen. Sie konnten zum Beispiel verlorene Gliedmaßen ergänzen, Pflanzen schnell wachsen lassen und übten dadurch einen gewaltigen Einfluss auf die Natur aus. Sie hatten mächtig ausgebildete Sinnesorgane; sie konnten Metalle durch das Gefühl unterscheiden, wie wir Gerüche unterscheiden. Dann aber hatten sie in hohem Grade die Gabe des Hellsehens. Sie schliefen in der Nacht nicht wie der heutige Mensch, der höchstens verworrene Träume hat, sondern wie der Hellseher, nur dumpfer. Sie standen nachts im Verkehr mit den Göttern, und was sie da erlebten, das lebt noch fort in den Mythen und Sagen.« (Stuttgart, 31. August 1906)

»Dem lemurischen Zeitraum folgte der alte atlantische Zeitraum ... Immer mehr verdichtete sich da der Mensch. Im Anfang seiner Entwickelung sind die Knochen nur als Kraftlinien im Menschen angedeutet; dann ist der Mensch ein luftiges, später ein gallertartiges Wesen. Es bilden sich nun mehr und mehr die Formen des Knochensystems aus. Dagegen war in demselben Maße die seelische Kraft dazumal  stärker.

Die Lemurier, die in alten Zeiten in dickflüssigen Leibern waren, hatten viel größere Seelenkräfte als die folgenden Rassen. Ähnlich war es noch  bei  den  Atlantiern. Hätte  es damals schon Kanonenkugeln gegeben, so hätte zum Beispiel ein solcher Atlantier eine gegen ihn geschleuderte  Kugel einfach wegreflektieren können durch Seelenkraft, wenn auch sein physischer Leib nicht so dicht war wie heute. Die Atlantier waren also als physische Leiblichkeit noch viel dünner.« (GA 104a, Kristiania, 15. Mai 1909)

»Der Mensch verliert jetzt allmählich die Fähigkeit, seinen Leib zu formen. Knorpel und Knochen, die harten Teile gliedern sich ein, und immer ähnlicher wurde der Mensch seiner heutigen Gestalt.

Das vorher Geschilderte geschah erst in der atlantischen Zeit. Es ist daher begreiflich, dass für den Forscher der alte Atlantier nicht zu finden ist. Auch die Hoffnung der Gelehrten, Spuren solcher alten Zeiten menschlicher Entwickelung doch noch zu finden, wird sich nie erfüllen, denn der Mensch war damals ein Wesen, dessen Teile stofflich noch weich waren. Solch ein Körper kann sich nicht erhalten, ebensowenig wie von den heutigen Weichtieren nach hundert Jahren noch etwas zu finden sein wird. Tierüberreste sind noch aus solchen alten Perioden zu finden, denn die Tiere waren ja schon verhärtet, als der Mensch noch weich war. Die Tiere sind zu früh in die Materie gestiegen, sie haben nicht warten können. (GA 109, 10. Juni 1909)

Wie Zanders Methode des projektiven Interpretierens funktioniert, zeigen deutlich seine Bemerkungen über »biologische Metaphern« in Steiners grundsätzlichen Überlegungen zur Verlaufsform der prähumanen Entwicklung.

Auf S. 300 schreibt Zander:

»Das evolutionäre Verlaufsmodell hinter diesen Annahmen war Steiner so wichtig, dass er ihm einige grundsätzliche Überlegungen widmete:

›Im Anfange des Zeitraums, der einer Wurzelrasse zugehört, finden sich die Haupteigenschaften derselben gleichsam in einem jugendlichen Zustande; und allmählich gelangen sie zur Reife und zuletzt auch zum Verfall.‹ (GA 11,33)

Die biologischen Metaphern des Werdens und Vergehens implizieren Biologismen, näherhin Sozialdarwinismen, gleich zweifach: Zum einen im Entwicklungsprozess von der Jugend über die Reife zum Verfall, aber verdeckt auch in der Integration von ›Haupteigenschaften‹ in der Jugend.«

Es ist nicht erkennbar, was an der Rede von »Jugend, Reife und Verfall« »sozialdarwinistisch« sein soll. Ist jemand ein Sozialdarwinist, der sagt, der einzelne Mensch durchlaufe eben diese Stadien der Jugend, der Reife und des Verfalls? Findet sich in diesen Sätzen auch nur eines der für den Sozialdarwinismus konstitutiven Prinzipien: die Reduktion des Menschen auf seine Gattungseigenschaften, das Prinzip des Kampfs ums Dasein und der natürlichen Selektion, die Auslese der Stärkeren und die Vernichtung der Schwächeren als regulative Idee des sozialen Lebens?

Andererseits: sind denn die Metaphern der Jugend, Reife und des Verfalls nur ausschließlich Metaphern für biologische Prozesse? Gibt es nicht auch eine Jugend und eine Reife der Seele, sowie deren Verfall? Wie ist die Behauptung Zanders, der »Kern des evolutionären Schemas«, das Steiner in seinen Ausführungen über die »lemurische«, »atlantische« und »arische Wurzelrasse« in den Aufsätzen »Aus der Akasha-Chronik« zur Anwendung bringe, sei »die Entwicklung des menschlichen Selbstbewusstseins«, mit einem angeblichen Biologismus zu vereinbaren? Ist die Entwicklung des Selbstbewusstseins eine biologistische Metapher? Und inwiefern die Integration von »Haupteigenschaften in der Jugend« Sozialdarwinismus »implizieren« soll, ist erst Recht nicht nachvollziehbar.

Eine »Systematisierung seiner verstreuten Aussagen zu Rassenfragen« glaubt Zander in einem Vortrag Steiners aus dem Jahr 1909 erkennen zu müssen. Die Frage ist nur, wovon spricht Steiner eigentlich? Spricht er von Rassen im Sinne des biologistischen Reduktionismus des 19. und 20. Jahrhunderts?

Auf S. 301-302 schreibt Zander:

»Hier postulierte er die Differenzierung von drei Rassen aufgrund eines unterschiedlichen ›Ich-Gefühls‹:

1. ›Diejenigen Völker, bei denen der Ich-Trieb zu stark entwickelt war‹, wanderten nach Westen, degenerierten (GA 107,292) und seien in ihren ›letzten Resten› die ›indianische Bevölkerung Amerikas‹. Somit sei ›die Farbe der Egoität [..,] die rote, die kupferrote oder auch die gelblichbraune Farbe‹ (GA 107,286).

2. Die nach Osten wanderten, besaßen nach Steiner ein unzureichendes ›Ich-Gefühl‹, waren ›ganz hingegeben [...] an die Außenwelt‹ (GA 107,285) und wurden zu ›passiven Neger-Seelen‹ (GA 107, 288). Die Außenorientierung ließ sie der ›Sonneneinwirkung zu stark ausgesetzt‹ sein, ›sie waren wie Pflanzen, sie setzten unter ihrer Haut zu viel kohlenstoffartige Bestandteile ab und wurden schwarz. Daher sind die Neger schwarz.‹ (GA 107, 286). Sie ›sind die nachherige Negerbevölkerung Afrikas geworden‹ (GA 107, 286).

3. ›Also die Normalmenschen waren für die Eingeweihten am besten zu brauchen als Material für die Zukunftsentwickelung, und sie waren auch diejenigen, welche der große Sonnen-Eingeweihte, der Manu, um sich sammelte als das entwickelungsfähigste Volk.‹  (GA 107, 285f.)

Von ihnen spalteten sich durch Wanderung die Asiaten ab, die eine Art Mischung aus ›Negern‹ und ausgewanderten Europäern seien und aufgrund ihrer ›Neger‹-Vergangenheit ›passive, hingebende Naturen‹ (GA 107,288). Während die anderen Rassen degenerierten, blieben die Europäer entwicklungsfähig, habe doch die weiße Rasse ›das Persönlichkeitsgefühl am stärksten ausgebildet‹ (GA 107,288): ›Nur diejenigen, welche imstande waren, die Balance zu halten in bezug auf ihr Ich, das waren die, welche sich in die Zukunft hinein entwickeln konnten‹. (GA 107,292).«

Sieht man sich den am 3. Mai 1909 in Berlin gehaltenen Vortrag (GA 107) näher an, stellt man fest, dass Steiner über die Urzeiten der Erdentwicklung spricht, insbesondere über die lemurische und die atlantische Zeit. Dass zu dieser Zeit »Rassen« im Sinne des biologistischen Reduktionismus des 19. und 20. Jahrhunderts noch nicht existierten, wurde bereits zur Genüge betont. Und dass diese Menschenvorfahren der lemurischen und atlantischen Zeit nicht mit den heutigen Menschen vergleichbar sind, ist ebenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Wenn daher Steiner in seinem Vortrag die Ausdrücke »Menschen« oder »Menschheit« oder »Rassen« verwendet, dann darf man hier einmal mit Recht von einem »metaphorischen« Gebrauch sprechen, was auch aus den folgenden Zitaten erneut hervorgeht. Steiner »postuliert« jedenfalls nicht »drei Rassen« im biologischen Sinn.

In bezug auf die lemurische und die atlantische Zeit spricht Steiner von einer Differenzierung der Menschheit, die im wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen war: auf die unterschiedlichen Einwirkungen der Sonne am Nordpol der Erde und am Äquator (Lemuris) und auf eine unterschiedliche Entwicklung des Selbstbewusstseins oder des Ich-Gefühls (Atlantis).

Die unterschiedlichen Sonneneinwirkungen führten in der lemurischen Zeit dazu, dass »um den Nordpol herum in den lemurischen Zeiten eine Art Geistergeschlecht« lebte, »das sich nicht viel kümmerte um die physischen Leiber, die da unten auf der Erde herumwimmelten, ein Geschlecht, das in geistiger Beziehung für ein heutiges Auge aus durchsichtigen und daher nicht eigentlich sichtbaren Gestalten bestand, die als solche hoch ausgebildet waren, aber in bezug auf ihre physischen Gestalten eine niedere Menschlichkeit zeigten. Sie lebten in einem Ätherleibe, sie waren mehr ätherische Wesenheiten und standen in einem losen Verhältnis zu den primitiven Leibern, die sich unten auf der Erde entwickelten und auch noch keine besondere Dichtigkeit hatten.«

Um den Äquator herum verhielt es sich zur lemurischen Zeit ganz anders: »Die Luft wurde sozusagen von den Sonnenstrahlen durchsetzt, durchwärmt. Alle diejenigen Erscheinungen, die in der Luftregion sich abspielten, wurden abhängig von Sonne und Mond. Und die Folge war, dass in diesen Gegenden gerade im alten Lemurien die Menschen am tiefsten herunterstiegen in ihre physischen Leiber, dass da die ätherischen Leiber am tiefsten die physischen Leiber durchsetzten. Wiederum würde ein heutiger Mensch mit sinnlichen Augen diese Wesen als die höchst entwickelten physischen Menschengestalten hinnehmen, während er die nördlichen Völkerschaften hinstellen würde als solche, die wenig entwickelt sind.«

In den heutigen gemäßigten Zonen dagegen entwickelten sich Menschenvorfahren, die zwischen den beiden Extremen die Mitte hielten: »Und die Folge war, dass der beste Teil der Bevölkerung auswanderte in jene Gegenden, die zwischen dem Äquator und den nördlichen Ländern lagen. Denn in den lemurischen Zeiten haben wir die zukunftssichersten Glieder der Menschheit in den Zwischenländern zwischen dem Äquator und dem Nordpol.«

»Von dem, was wir die lemurische Bevölkerung der Erde nennen, jene eigentümliche Bevölkerung des Nordens, die stark entwickelte Ätherleiber und wenig entwickelte physische Leiber hatte, und jene andere äquatoriale Bevölkerung, die stark ausgebildete physische Leiber und wenig entwickelte Ätherleiber hatte, von denen ist nichts zurückgeblieben, die sind untergegangen. Denn diese Leiber waren so, dass wir nicht einmal die Überreste finden können; die Substanz war noch so weich, dass von Überresten nicht die Rede sein kann.«

Wie ging die Geschichte nun in der atlantischen Zeit weiter?

»Bei ihren Nachkommen in der Atlantis handelte es sich vorzugsweise darum, dass der Keim des Ichs, des Selbstbewusstseins, der ja im Grunde genommen schon von der alten lemurischen Zeit her veranlagt war, immer mehr und mehr herauskam, sich immer mehr auf der Erde entwickelte. Wären die Menschen nicht zu einem großen Teil hinübergezogen nach der Atlantis, so hätte es nicht zu einer regen Ich-Entwickelung kommen können.«

»Dadurch, dass die besseren Teile der lemurischen Bevölkerung nach Atlantis auswanderten, gestaltete sich der menschliche Leib zu einer solchen Form um, dass er der Träger des Selbstbewusstseins im richtigen Maße werden konnte. Und in den Gebieten der heutigen gemäßigten Zone erlangte der Menschenleib erst allmählich diese Form. Denn in diesen Entwickelungszeiten gestaltete sich der menschliche Leib noch immer um. In der atlantischen Zeit war der menschliche Leib noch nicht wie heute in feste Formen gebannt, sondern es war noch so, dass geistig sehr bedeutende, hochentwickelte Menschen in der damaligen Zeit physisch klein waren, kleine Menschen waren. Dagegen hatte der, der geistig nicht sehr bedeutend war, in der atlantischen Zeit einen riesig entwickelten physischen Körper. Und man konnte, wenn man damals einem solchen Riesen begegnete, sich sagen: Der steht auf keiner sehr hohen Stufe der Geistigkeit, denn der ist mit seiner ganzen Wesenheit in den Leib hineingerannt! «

»Also wir sehen, wie der menschliche Leib in der atlantischen Zeit  sich noch gestalten konnte nach den geistigen Eigenschaften. Daher konnte er auch die Gestalt annehmen, die ihn befähigte, alle Organe, das Herz, das Gehirn und so weiter, so zu bauen, dass sie der Ausdruck wurden für ein eigentliches Ich-Wesen, für ein selbstbewusstes Wesen. Nun aber entwickelten sich diese Fähigkeiten und auch diese Eigenschaften in den mannigfaltigsten Graden.«

Das Selbstbewusstsein oder Ich-Gefühl entwickelte sich in der atlantischen Bevölkerung unterschiedlich. Es bildete sich bis in die damals ja noch stark durch die Seele und den Geist formbare Leiblichkeit ab. Ein »starkes« Ichgefühl führte zu einer »kupferroten oder auch gelblichbraunen« Färbung der betreffenden Menschenvorfahren, die »schwache« Ausprägung des Ichgefühls zu einer schwarzen Färbung und eine moderate Ausprägung des Ich-Gefühls zu einer weißlichen Färbung.

Diese drei Bevölkerungstypen der atlantischen Zeit wanderten in unterschiedliche Gegenden aus: der erste (von Atlantis aus gesehen) in den Westen, der zweite ein den Osten, der dritte ebenfalls in den Osten, blieb aber unterwegs nach Asien zurück. Aus diesen deutlich unterschiedenen atlantischen Typen entstanden später, sehr viel später, nach mannigfaltigen Wanderungen und Mischungen, als Nachkömmlinge, die indianische Bevölkerung Nordamerikas, die »Negerbevölkerung« Afrikas und die Bevölkerung der europäischen Gegenden.

»Diejenigen Völker, bei denen der Ich-Trieb zu stark entwickelt war und von innen heraus den ganzen Menschen durchdrang und ihm die Ichheit, die Egoität aufprägte, die wanderten allmählich nach Westen, und das wurde die Bevölkerung, die in ihren letzten Resten auftritt als die indianische Bevölkerung Amerikas. Die Menschen, welche ihr Ich-Gefühl zu gering ausgebildet hatten, wanderten nach dem Osten, und die übrig-gebliebenen Reste von diesen Menschen sind die nachherige Neger-bevölkerung Afrikas geworden.«

Aber es waren nicht die »Europäer«, die »am entwicklungsfähigsten« blieben, wie Zander behauptet, denn: »Es gab Menschen, die gerade recht waren in bezug auf ihre Innerlichkeit, gerade normal, die den Egoismus nicht auf eine zu starke Höhe gebracht und auch das Ich-Gefühl nicht nur auf eine niedere Art ausgebildet hatten. Bei ihnen hielten sich die Hingabe an die Außenwelt und das Ich-Gefühl die Waage. Solche Leute waren überall verstreut. Das waren aber diejenigen, mit denen die atlantischen Eingeweihten am meisten machen konnten.«

Die Rede ist vom Ende der atlantischen Zeit und dem allerersten Übergang in die nachatlantische Zeit, heißt es doch:

»Mitten hineingekeilt war der Manu mit seinen Normalmenschen [in Asien]. Jeder einzelnen Schattierung dieser Bevölkerung musste er die richtige Kultur geben. Da hatte er die Weistümer und Lehren so zu schattieren, wie es den äußeren Verhältnissen der Bevölkerung angemessen war.«

Manu – oder Noah – wirkte zwischen dem Untergang des atlantischen Kontinents und dem Beginn der nachatlantischen Kulturepochen auf der Erde, also zwischen dem Ende der letzten Eiszeit und dem 8. Jahrtausend vor Christus. Es ist nicht von gegenwärtigen Europäern, gegenwärtigen Indianern oder gegenwärtigen »Negern« die Rede, die Aussagen in diesem Vortrag können also nicht auf die biologischen »Rassen« des 19. oder 20. Jahrhunderts übertragen werden. Außerdem gilt der Grundsatz, dass die nachatlantische Entwicklung der Menschheit nicht mehr als Rassenentwicklung beschrieben werden kann, sondern nur noch als Kulturentwicklung. Was auch immer von jenen atlantischen Leibern zurückgeblieben sein mag, es wird seit rund zehntausend Jahren von der seelischen oder kulturellen Entwicklung der Menschheit überformt und verdrängt.

Darüberhinaus vertritt Steiner in diesem Vortrag auch keinen biologischen Reduktionismus oder Determinismus, waren es doch gerade die Seelen, die den Leib und die leiblichen Eigenschaften bildeten und nicht umgekehrt, wie es bei einem biologischen (rassistischen) Determinismus der Fall sein müsste.

Die Darstellungen in der »Geheimwissenschaft im Umriss« (1909) stimmen mit dem Grundsätzlichen dieser Schilderungen weitgehend überein. Auch sie sprechen von der Formung der atlantischen Leiber durch das Geistig-Seelische, davon, dass diese Leiber aus einer weichen, formbaren Stofflichkeit bestanden, und dass die »gegenwärtige physische Menschengestalt«, »die von den seelischen Eigenschaften verhältnismäßig wenig abhängig ist« (eine geringe Abhängigkeit, die ihr Korrelat in der geringen Abhängigkeit des Seelisch-Geistigen von der physischen Menschengestalt hat), durch »Zusammenziehen, Verdichtung und Verfestigung des atlantischen Menschen entstanden« ist:

»Die physische Gestalt des Menschen ist in der urfernen Vergangenheit, von welcher hier die Rede ist, noch weit verschieden von der gegenwärtigen. Diese Gestalt war in einem hohen Grade noch der Ausdruck der seelischen Eigenschaften. Der Mensch bestand noch aus einer feineren, weicheren Stofflichkeit, als er später angenommen hat. Was gegenwärtig verfestigt ist, war in den Gliedern weich, biegsam und bildsam. Ein mehr seelischer, geistigerer Mensch war von zartem, beweglichem, ausdrucksvollem Körperbau. Ein geistig wenig entwickelter von groben, unbeweglichen, wenig bildsamen Körperformen. Seelische Vorgeschrittenheit zog die Glieder zusammen; die Gestalt wurde klein erhalten; seelische Zurückgebliebenheit und Verstricktheit in die Sinnlichkeit drückte sich in riesenhafter Größe aus. Während der Mensch in der Wachstumsperiode war, formte sich in einer Art, die für gegenwärtige Vorstellungen fabelhaft, ja phantastisch erscheinen muß, der Körper nach dem, was in der Seele sich bildete. Verdorbenheit in den Leidenschaften, Trieben und Instinkten zog ein Anwachsen des Materiellen im Menschen ins Riesenhafte nach sich. Die gegenwärtige physische Menschengestalt ist durch Zusammenziehen, Verdichtung und Verfestigung des atlantischen Menschen entstanden. Und während vor der atlantischen Zeit der Mensch als ein getreues Abbild seiner seelischen Wesenheit vorhanden war, trugen gerade die Vorgänge der atlantischen Entwickelung die Ursachen in sich, welche zu dem nachatlantischen Menschen führten, der in seiner physischen Gestalt fest und von den seelischen Eigenschaften verhältnismäßig wenig abhängig ist. (GA 13, S. 255-256)

Reichlich abstrus erscheinen Zanders Vermutungen darüber, warum in Steiners Ausführungen über die Entstehung der »Rassen« in der atlantischen Zeit in einer Darstellung von 1910 nun »auf einmal geistige Wesenheiten« der Hierarchienwelt eine Rolle spielen.

Auf S. 304-305 schreibt Zander:

»Die Logik dieser zusätzlich eingeführten Engelhierarchie könnte sich von einer doppelten Spiritualisierung her erschließen: Zum einen überhöhen sie [sic!] Rolle der Führerfiguren, die es als ›Eingeweihte‹ schon 1904 gab, ins Übersinnliche; die Ereignisse auf der Erde werden durch ein himmlisches Geschehen verdoppelt und determiniert – ein bei Steiner des Öfteren feststellbares Verfahren. Zum anderen führen auch die Engel den Kampf gegen Steiners kulturellen Hauptfeind, den Materialismus ...

Auf Erden jedoch regiert ein deterministischer Fortschritt unter dem Anspruch der ›Notwendigkeit‹:

›Es ist ein Fortschritt in der menschlichen Entwickelung. [...] Es ist gleichgültig, wie wir die Dinge bewerten; der notwendige Gang führt die Menschheit vorwärts, mag man das auch später Niedergang nennen. Die Notwendigkeit führt die Menschheit vorwärts.‹ (GA 121,25)

...

Die Engel sind konsequenterweise auch für die Entwicklung der Menschen zuständig. Als ›Verleiher der Ich-Organisation‹, die nun als Kriterium der Konstitution von Rassen ausgewiesen werden, erscheinen die ›abnormen Geister der Form‹ (GA 121,68), die seit der lemurischen Zeit die ›Rassenentwickelung‹ bewirken (GA 121,76).«

Geistige Wesenheiten spielten auch schon 1904 und 1909 eine Rolle, sie standen nur nicht im Zentrum der Darstellung. Vom alten Saturn heißt es beispielsweise in den Aufsätzen »Aus der Akasha-Chronik«:

»I. Es ist dieser Planet derjenige, auf dem sich das dumpfeste menschliche Bewusstsein entfaltet (ein tiefes Trancebewusstsein). Zugleich damit bildet sich die erste Anlage des physischen Menschenleibes.

II. Diese Entwickelung geht durch sieben Unterstufen (kleinere Kreisläufe oder «Runden») hindurch. Auf jeder dieser Stufen setzen höhere Geister an der Ausbildung des Menschenleibes mit ihrer Arbeit ein, und zwar im

1. Kreislauf die Geister des Willens (Throne),

2. Kreislauf die Geister der Weisheit (Herrschaften),

3. Kreislauf die Geister der Bewegung (Mächte),

4. Kreislauf die Geister der Form (Gewalten),

5. Kreislauf die Geister der Persönlichkeit (Urkräfte),

6. Kreislauf die Geister der Söhne des Feuers (Erzengel),

7. Kreislauf die Geister der Söhne des Zwielichtes (Engel).

III. Im vierten Kreislauf erheben sich die Geister der Persönlichkeit zur Stufe der Menschheit.

IV. Vom fünften Kreislauf an offenbaren sich die Seraphim.

V. Vom sechsten Kreislauf an offenbaren sich die Cherubim.

VI. Vom siebenten Kreislauf an offenbaren sich die Throne, die eigentlichen «Schöpfer der Menschen».

VII. Durch die letztere Offenbarung entsteht in dem siebenten Kreislauf des ersten Planeten die Anlage zum «Geistmenschen», zu Atma.« (GA 11, S. 170)

Und über die Eingeweihten der atlantischen Zeit sagte man: »... daß sie ›mit den Göttern verkehren‹ und von diesen selbst in die Gesetze eingeweiht werden, nach denen sich die Menschheit entwickeln müsse. Und das entsprach der Wirklichkeit. An Orten, von denen die Menge nichts wusste, geschah diese Einweihung, dieser Verkehr mit den Göttern. Mysterientempel wurden diese Einweihungsorte genannt. Von ihnen aus also geschah die Verwaltung des Menschengeschlechts. ...

Die Sprache, welche die Götter mit ihren Boten in den Mysterien sprachen, war ja auch keine irdische, und die Gestalten, in denen sich diese Götter offenbarten, waren ebensowenig irdisch. ‹In feurigen Wolken» erschienen die höheren Geister ihren Boten, um ihnen mitzuteilen, wie sie die Menschen zu führen haben. In menschlicher Gestalt kann nur ein Mensch erscheinen; Wesenheiten, deren Fähigkeiten über das Menschliche hinausragen, müssen in Gestalten sich offenbaren, die nicht unter den irdischen zu finden sind.« (GA 11, S. 45-46)

Von einer 1910 »zusätzlich eingeführten Engelshierarchie« kann also keine Rede sein, ebensowenig von einer »doppelten Spiritualisierung« oder einer »Überhöhung der Führerfiguren« von 1904, da es das alles 1904 auch schon gab. Es handelt sich um nichts als abstruse Thesen, die mit der Realität nichts zu tun haben.

Das gilt auch für das Folgende. Denn nun führt Zander wieder einen seiner Lieblingsvorwürfe gegen Steiner ins Feld: den »Determinismus«. Den soll es geben, weil »die Ereignisse auf der Erde durch ein himmlisches Geschehen determiniert« sind und weil die Ereignisse auf der Erde gleichzeitig von einem deterministischen Fortschritt unter dem Anspruch der ›Notwendigkeit‹ determiniert sind. Wem all das ein bisschen viel Determinismus, ja eine selbstwidersprüchliche Verdoppelung von Determinismus ist, der möge sich bei Zander beklagen. Die Ereignisse auf der Erde sollen einerseits »durch ein himmlisches Geschehen« determiniert sein, gleichzeitig aber auch »durch einen Fortschritt«, der seinerseits wieder »durch die Notwendigkeit« determiniert ist ... Anlass zu dieser Inflation des Determinismus bietet Zander ein Steinerzitat:

»Es ist ein Fortschritt in der menschlichen Entwickelung. [...] Es ist gleichgültig, wie wir die Dinge bewerten; der notwendige Gang führt die Menschheit vorwärts, mag man das auch später Niedergang nennen. Die Notwendigkeit führt die Menschheit vorwärts.« (GA 121,25)

Worauf bezieht sich dieses Zitat? Sehen wir uns den Kontext an, den Zander natürlich unterschlägt und achten wir auf die für ihn höchst charakteristischen Auslassungen. Im ersten Vortrag der Reihe »Die Mission der einzelnen Volksseelen ...«, am 7. Juni 1910, führt Steiner aus:

»Wenn wir uns einmal geistig veranschaulichen, wie in der Weltgeschichte Volk nach Volk und auch Volk neben Volk wirkt, so können wir jetzt, wenigstens in abstrakter Form – die Form wird immer konkreter und konkreter werden in den nächsten Vorträgen – uns vorstellen, dass alles, was da vor sich geht, inspiriert ist von diesen geistigen Wesenheiten [den Erzengeln als Volksgeistern].

Aber eines wird uns wohl leicht vor die Seele treten können: dass neben diesem Wirken von Volk nach Volk noch etwas anderes stattfindet in der Menschheitsentwickelung. Sie können, wenn Sie jenen Zeitraum überblicken, den wir von der großen atlantischen Katastrophe aus rechnen, die das Antlitz der Erde so weit verändert hat, dass jener Kontinent, der bestanden hat zwischen dem heutigen Afrika, Amerika und Europa, in jener Zeit untergegangen ist, die Zeiträume unterscheiden, in welchen die großen Völker gewirkt haben, bei denen die nachatlantischen Kulturen herauskamen: die alte indische, die persische, die ägyptisch-chaldäische, die griechisch-lateinische und unsere gegenwärtige Kultur, die nach einiger Zeit in die sechste Kulturepoche übergehen wird.

Wir bemerken auch, dass nacheinander darin gewirkt haben verschiedene Völkerinspiratoren. Wir wissen, dass noch lange die ägyptisch-chaldäische Kultur gewirkt hat, als die griechische Kultur schon ihren Anfang nahm, und dass die griechische Kultur noch weiter waltete, als die römische schon ihren Anfang genommen hatte.

So können wir die Völker nebeneinander und nacheinander betrachten. Aber in allem, was sich in und mit den Völkern entwickelt, entwickelt sich noch etwas anderes.

Es ist ein Fortschritt in der menschlichen Entwickelung. Es kommt dabei nicht in Betracht, ob wir das eine höher oder niedriger stellen. Es kann zum Beispiel einer sagen: Mir gefällt die indische Kultur am besten. Das mag ein persönliches Urteil sein. Wer aber nicht auf persönliche Urteile schwört, der wird sagen: Es ist gleichgültig, wie wir die Dinge bewerten; der notwendige Gang führt die Menschheit vorwärts, mag man das später auch Niedergang nennen. Die Notwendigkeit führt die Menschheit vorwärts.

Wenn wir die verschiedenen Zeiträume vergleichen, 5000 Jahre vor Christus, 3000 Jahre vor Christus und 1000 Jahre nach Christus, dann ist etwas noch da, was über die Volksgeister hinübergreift, etwas, woran die verschiedenen Volksgeister teilnehmen. Sie brauchen das nur in unserer Zeit ins Auge zu fassen.

Woher kommt es, dass in diesem Saale so viele Menschen zusammensitzen können, die aus den verschiedensten Volksgebieten herkommen und sich verstehen und sich zu verstehen versuchen in bezug auf das Allerwichtigste, was sie hier zusammengeführt hat? Die verschiedenen Menschen kommen aus dem Bereich der verschiedensten Volksgeister heraus, und dennoch gibt es etwas, worin sie sich verstehen. In ähnlicher Weise verstanden sich und konnten sich verstehen in damaliger Zeit die verschiedenen Völker untereinander, weil es in jeder Zeit etwas gibt, was die Volksseele übergreift die verschiedenen Volksseelen zusammenführen kann, etwas, was man überall mehr oder weniger versteht. Das ist dasjenige, was man mit dem recht schlechten, aber gebräuchlichen deutschen Wort ›Zeitgeist‹ benennt oder auch ›Geist der Epoche‹.

Der Geist der Epoche, der Zeitgeist, ist ein anderer in der griechischen Zeit, ein anderer in der unsrigen. Diejenigen, welche den Geist in unserer Zeit erfassen, werden zur Theosophie hingetrieben. Das ist das aus dem Geiste der Epoche über die einzelnen Volksgeister Übergreifende. In derjenigen Zeit, in der Christus Jesus auf der Erde erschien, bezeichnete sein Vorläufer, Johannes der Täufer, den Geist, den man als Zeitgeist bezeichnen könnte, mit den Worten: ›Ändert die Verfassung der Seele, denn die Reiche der Himmel sind nahe herbeigekommen.‹«

Wichtig ist hier einiges, das Zander ausgelassen hat. Zum Beispiel der Satz, der auf »Es ist ein Fortschritt in der menschlichen Entwickelung« folgt: »Es kommt dabei nicht in Betracht, ob wir das eine höher oder niedriger stellen.« Gleichgültig, ob man diesen Fortschritt später als Niedergang betrachtet oder nicht: der notwendige Gang führt die Menschheit vorwärts. Und was drückt sich in diesem notwendigen Gang aus? Das Wirken der Zeitgeister – d.h. Angehörige jener angeblich 1909 zusätzlich eingeführten Engelshierarche, die das Geschehen auf der Erde determiniert, das gleichzeitig von der Notwendigkeit determiniert sein soll. Diese Notwendigkeit ist aber Ausdruck des Wirkens der Zeitgeister – das heißt, es ist ein und dieselbe »Determination«, wenn man diesen untauglichen Begriff verwenden will. Und diese Zeitgeister stellen das bereit, wodurch sich die einzelnen Völker, die zeitlich koexistieren, verstehen können, eine höhere geistige Sphäre an der die Völker und die einzelnen Menschen, die den Völkern angehören, teilhaben, den gemeinschaftlichen Geist einer Epoche, der das Wirken der Völker harmonisiert und ihr gegenseitiges Verstehen ermöglicht. »Diejenigen, welche den Geist in unserer Zeit erfassen, werden zur Theosophie hingetrieben. Das ist das aus dem Geiste der Epoche über die einzelnen Volksgeister Übergreifende.« Diese Theosophie enthält die der gegenwärtigen Zeitepoche angemessene Form der Christusoffenbarung, welche die Menschheit in der Lebe Christi vereinigen und sie über alle Zerkflüftungen und Spaltungen der Völker und Rassen hinausführen will. Aus dieser Perspektive ist nichts »höher« oder »niedriger«, denn auch im »Niedergang« wirkt Christus.

Nun behauptet Zander: »Als ›Verleiher der Ich-Organisation‹, die nun als Kriterium der Konstitution von Rassen ausgewiesen werden, erscheinen die ›abnormen Geister der Form‹«. Für Zander mag es nebensächlich scheinen, aber für den Geistesforscher ist es die Hauptsache: nicht die »abnormen Geister der Form« sind die Verleiher der Ich-Organisation, sondern die »regulären Geister der Form«, denn diese Ich-Organisation, die Ausdruck des Christuswesens ist, das sich durch die Gesamtheit der regulären Geister der Form offenbart, führt den Menschen über die Rassenspaltung hinaus, die von den Antagonisten des Christus, den abnormen Geistern der Form geschaffen wurde! Zander macht die Widersacher des Christus zu den Schöpfern des menschlichen Allerheiligsten, zu dem, was die Grundlage der Vereinigung der Menschheit in Christus, zur Überwindung des Rassismus bildet. Muss man sich noch wundern, dass Zander nicht zu begreifen vermag, warum die Anthroposophie die endgültige Überwindung des Rassismus ist? Mit dieser Aussage fesselt er den Menschen an die Rasseneigenschaften, er zwingt ihm jenen Determinismus der Biologie auf, den er so vollmundig immer Steiner vorwirft, und verbaut ihm die Möglichkeit, sich von seiner physiologischen Vereinseitigung zu befreien!

Im vierten Vortrag am 10. Juni 1910, führt Steiner aus:

»Die hauptsächlichste Wesenheit, welche für den heutigen Menschen in Betracht kommt, ist diejenige, welche ihm die Möglichkeit gegeben hat, zu sich «Ich» zu sagen, nach und nach zu dem Bewusstsein des Ich zu
kommen. Und wir wissen, dass diese Möglichkeit zuerst von den Geistern der Form, von denjenigen Wesenheiten gegeben worden ist, die wir Gewalten, Exusiai nennen. Wenn wir gerade diese Wesenheiten bei ihrer Tätigkeit, welche sie dem Menschen zuwenden, belauschen und uns gewissermaßen fragen: Wie würde es mit dem Menschen werden, wenn bloß diese Wesenheiten, und zwar nur diejenige Art dieser Wesenheiten, die in normaler Entwickelung sich befindet, in der Hauptsache im Menschen tätig wäre? — so werden wir finden: Sie sind die Verleiher der Ich-Organisation. Damit ist aber schon gesagt, dass sie eigentlich, wenn wir sie ihrer eigenen Natur nach betrachten, ihr Hauptinteresse daran haben, den Menschen zu seinem Ich zu bringen.« (GA 121, 10. Juni 1910)

Und über die abnormen Geister der Form heißt es am 9. Juni 1910:

»... auf diesem Umwege sind die abnormen Geister der Form – diejenigen Geister der Form oder Gewalten, die zu einer anderen Zeit als zwischen dem einundzwanzigsten bis dreiundvierzigsten Jahre dem Menschen das geben, was wir heutiges Erdenbewußtsein nennen – die Verursacher der Rassenverschiedenheit des Menschen über die ganze Erde hin, die also von dem Orte auf der Erde abhängt, auf dem der Mensch geboren wird.« (GA 121, 9. Juni 1910)