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06.05.2012

Keine »Konversion vom Atheisten zum Theosophen« bei Steiner


Wenn man, wie Zander es tut, davon spricht, dass bei Steiner – etwa um die Jahrhundertwende – eine geistige Neuorientierung zur Theosophie und Anthroposophie eingesetzt habe, dann ist es dieser These dienlich, die Unterschiede anzugeben, an denen sich eine solche Veränderung ablesen lässt. Sicherlich ist Steiners »Wende zur Theosophie« keine solche, die sich durch die von Zander gezogene Demarkationslinie kennzeichnen lässt, die den »atheistischen« Steiner des 19. vom »theosophischen« Steiner des 20. Jahrhunderts unterscheidet. Denn Steiner hatte .... bereits im letzten Kapitel der Philosophie der Freiheit explizit eine »monistische Theologie« vertreten und seine Kirchen- und Religionskritik lässt ... deutliche Akzente eines eigenständigen (katholisch-)christlichen Bekenntnisses mit mystisch-asketischen Zügen erkennen ...

Die unübersehbaren impliziten und expliziten theologischen und religiösen Züge der Philosophie der Freiheit lassen die Annahme einer solchen Phasentrennung in der Entwicklung der philosophischen Weltanschauung Rudolf Steiners nicht zu. Noch weniger lässt sich – mit Blick auf die offensichtlichen religiösen Stränge in der Philosophie der Freiheit – Zanders These von der Wende des frühen atheistischen zum späteren theosophischen Steiner aufrecht erhalten.

Hartmut Traub in »Philosophie und Anthroposophie. Die philosophische Weltanschauung Rudolf Steiners - Grundlegung und Kritik«, Stuttgart 2011, S. 933.