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30.09.2018

Zander im Urteil Peter Selgs


»Was hätte Rudolf Steiner zu dem Faktum gesagt, dass im Goetheanum Helmut Zanders Bücher mit guter Positionierung und in gewinnbringender Weise verkauft werden? Er hätte die entsprechende Buchhandlung geschlossen und die Letztverantwortlichen entlassen – an dieser Ansicht führt meines Erachtens kein Weg vorbei. Sie ist auch folgerichtig. Ebenso folgerichtig ist, dass man die wahrheitswidrigen Publikationen Zanders und vergleichbarer Autoren hier im Goetheanum vertreibt, wenn man der Auffassung ist, dass die eigentliche anthroposophische Bewegung im Sinne Rudolf Steiners nicht mehr lebt, und es nun darum geht, sie als historisches Phänomen kritisch zu analysieren, im offenen intellektuellen Diskurs. Es geht also, so meine ich, um Sein oder Nichtsein.

Man braucht keine ›Freie Hochschule für Geisteswissenschaft‹, wenn man nicht willens oder in der Lage ist, diese Geisteswissenschaft als solche in ihrer Aktualität zu vertreten und gegebenenfalls auch zu verteidigen. Diese Verteidigung meint kein ›sektiererisches‹, exklusives Verhalten, ganz im Gegenteil. Rudolf Steiner war ein weltoffener Mensch und ein Zeitgenosse im wirklichen Sinne des Wortes. Dies aber bedeutet nicht, dass man Menschen hofiert, die das Anliegen der Anthroposophie bis zur Unkenntlichkeit entstellen und Rudolf Steiner in einer Weise diskreditieren, die nicht lediglich eine Perspektivenverschiebung darstellt, sondern sich auf unterstem moralischen (und literarischen) Niveau bewegt.

Es handelt sich meines Erachtens um den Versuch einer Vernichtung, um eine Art Mord am Geistwesen eines Menschen [...] welche Heimat- oder vielmehr Arbeits-Stätte Hegels oder Albert Schweitzers oder Mahatma Gandhis käme auf die Idee, im eigenen Haus solche Schmähschriften zu vertreiben?

Beschreitet man diesen Weg, so verkehrt man nicht nur das Anliegen Rudolf Steiners [...] in sein groteskes Gegenteil, sondern entfernt sich in einer Weise von der Anthroposophie, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre - und unzweifelhaft Zeichen einer Agonie aufweist, medizinisch gesprochen, eines Auflösungs- und Sterbeprozesses, dessen Symptome mannigfaltig sind.«

Peter Selg, Die Identität der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, Arlesheim 2012, S. 64-65.