Bruno Wille und C.W. Leadbeater | 1903

Rudolf Steiner, Zeitschrift Luzifer, September 1903, GA 34, S. 421-430

Vor allem charakteristisch in Bruno Willes »Offenbarungen des Wachholderbaums« ist die Vorstellung vom »Tatenleib« (Band, 2 Seite 131 ff.). Sie zeigt, wie stark in den Besten unserer Köpfe die Sehnsucht lebt, die wissenschaftlichen Gedanken der Gegenwart in einer Art zu vertiefen, die einem gründlicheren Erkenntnisdrang des Menschen entsprechen; sie läßt aber andrerseits auch erkennen, wie ohnmächtig sich diese Sehnsucht erweist, wenn man vor den Toren dessen zurückschreckt, was sich als theosophische Strömung heute geltend macht. –

Es ist die Frage nach dem Dauernden, dem Unvergänglichen im Menschen, an die Wille mit seinem »Tatenleib« herantritt. Zuerst sei klargemacht, was diese Vorstellung vom »Tatenleib« besagen will, wenn man sie aus der herrlichen poetischen Darstellung Bruno Willes herausschält. Der Mensch ist, wie übrigens jedes Wesen, der Mittelpunkt von Wirkungen, die als seine »Taten« zu betrachten sind. Was ich tue, macht Eindruck auf die Umwelt, es setzt gleichsam mein Dasein über die Grenzen meiner Gestalt hinaus fort. Was ich auf diese Weise der Welt einfüge, kann nicht verlorengehen. Denn jede Wirkung wird zur Ursache einer neuen Wirkung. Und alle diese Wirkungen tragen den Stempel, das Siegel meiner Persönlichkeit. Sie sind nur da, weil ich da bin. Und sie werden in aller Ewigkeit da sein, weil ich einmal da gewesen bin. Und so wie in meiner leiblichen Gestalt die Kraft der Allseele lebt, die mich bildet, so bildet sie durch mich die Summe meiner unvergänglichen »Taten«, meinen »Tatenleib«. Schön führt dieses Wille in der verschiedensten Weise aus. Er läßt seinen Helden zu dem ungläubigen Freunde sagen: »Beim Sprechen bewegst du gern Hand und Arm. Überhaupt, genau besehen, ist jede deiner Bewegungen charakteristisch. Jede Bewegung aber erschüttert die Luft. So prägt sich deine Individualität in allen möglichen Luftspuren aus.«

Und als später der Freund einwendet: »Ohne Leib sollte ich fortleben? Um das glauben zu können, denke ich denn doch zu materialistisch. Ohne Leib kein Geist!«, da erwidert der »Allseher«: »Einverstanden! Aber es fehlt ja gar nicht an Leib für dein Fortleben! ... Die Welt bietet dir Material zu unermeßlich reicher Verkörperung. ... Nicht in dem Sinne, daß die alte Seele aus dem alten Leibe in einen neuen schlüpft. Das ist dualistisch gedacht. Leib und Seele sind mir eins – nur von verschiedenen Seiten betrachtet –, das eine Mal von außen, mit den Sinnen – das andere Mal von innen, unmittelbar. Nie also können Leib und Seele sich trennen.« ... »Rings um den alten Leib « ist der neue »aus ihm heraus entwickelt – wie solch ein Nachtfalter aus der Raupe sich entwickelt ... « – »Mag deine Individualität auf ein bestimmtes Wirkungsgebiet, auf diese sinnliche Erscheinung, verzichten, deswegen stellt sie doch nicht ihre Wirksamkeit überhaupt ein. Nein, geschäftig wirkt sie weiter lebt also! Oder willst du jemand etwa vernichtet nennen, der seine Eigenart nach wie vor rüstig – nur mit etwas verschobenem Gebiete – betätigt?«

Was hier Wille sagt, ist natürlich alles richtig. Aber es ist in gleichem Sinne richtig für den Stein, die Pflanze, das Tier und den Menschen. Der Tatenleib eines Wurmes unterscheidet sich in den Beziehungen, die Wille anführt, nicht wesentlich von dem des Menschen. In der Summe der Wurm-Taten ist in gleichem Sinne »Individualität« wie in der Summe der Menschen-Taten, wenn man nicht weiter geht als Wille. Und das rührt davon her, daß er eben in gleicher Art allem Seele, Seele und wieder Seele zuschreibt, ohne auf seelischem Gebiete so zu unterscheiden, wie man auf sinnlichem Gebiete die Dinge und Wesen unterscheidet.

Die Frage nach dem Ewigen im Menschen ist nicht erschöpft, wenn ich bloß die Ewigkeit seiner Wirkungen aufzeige. Denn es kommt beim Menschen darauf an, daß er diese Wirkungen nicht bloß ausübt, sondern daß er sie mit seinem Selbst, mit seinem Seelenwesen in Verbindung weiß. Es muß also gefragt werden: Weiß ich die ewigen Wirkungen meiner Individualität als die meinigen? Werden die Glieder meines »Tatenleibes« durch mein Ich irgendwie zusammengehalten? Meinen physischen Kopf bezeichne ich, solange ich physisch lebe, als den meinigen. Wenn seine Teile in der Erde verwesen werden, kann ich das nicht mehr tun. Werde ich das dann aber mit meinem »Tatenleibe« tun? Darauf gibt es keine Antwort, wenn man sich bei Willes Weg begnügt. Um eine solche zu erhalten, darf man nicht allein nach der Ewigkeit der Wirkungen, sondern muß nach der Ewigkeit der Ursache fragen. –

Ein Vergleich soll verdeutlichen, was hier zu sagen ist. Ich habe mich gestern schlafen gelegt, und bin heute aufgestanden. Ich behaupte nicht deshalb, daß ich die Nacht überdauert habe, weil ich finde, daß meine Taten von gestern ihre Wirkungen noch heute äußern, sondern weil ich weiß, daß die Ursache dieser Wirkungen meine heutigen Taten an die gestrigen anreihen wird. Zu meinem Fortbestand kann ich nicht meine Taten von gestern sprechen lassen, sondern ich muß sie selbst wieder vorfinden, und mit ihnen meine heutigen verbinden. Diese meine Wirkungen von gestern müssen mein Schicksal von heute sein, wenn sie für mein dauerndes persönliches Wesen eine Bedeutung haben sollen. –

In diesem Sinne wird das Ewige im Menschen nur dann gefaßt, wenn man anerkennt, was der »Allseher« deutlich ablehnt mit den Worten: »Nicht Wiederverkörperung nehme ich an, sondern Immerverkörperung.« Diese Immerverkörperung des »Tatenleibes« widerspricht der klaren Beobachtung, wenn man sein Auge auf das bestimmte menschliche Wesen richtet, nicht auf eine unbestimmte Seele. Bezüglich der menschlichen Seele kann nur von Dauer gesprochen werden, wenn sie sich als die Ursache ihrer Taten fortweiß. Und sie weiß sich fort, wenn sie wie von gestern auf heute sich erhalten bleibt. Das haben nur diejenigen in der rechten Weise erfaßt, die sich gestattet haben, den Tod einen Bruder des Schlafes zu nennen. Wille schreckt vor der Wiederverkörperung zurück. Er sagt sich: »Leib und Seele sind mir eins ... Nie können sie sich trennen« (Seite 163).

Aber er hat doch selbst vorher gesagt: »Worin besteht das Eigentümliche dieser Hand – oder meiner Gesichtszüge – überhaupt meiner Gestalt? Etwa in den Stoffen, die sie zusammensetzen? Diese Stoffatome werden in wenigen Jahren abgelegt und durch neue ersetzt sein. Mehrmals schon wurde ja mein Körper mit völlig neuen Bausteinen aufgebaut. Ich frage nun, kann solcher Stoffwechsel mein charakteristisches Wesen antasten? Kann dieses Wesen das bloße Produkt sich zusammentuender Stoffe sein? Nein! Die stoffliche Zusammensetzung ist nur eine äußerliche Darstellung des tiefern Wesens« (Seite 151, Band 2).

Gewiß: Leib und Seele sind eins; aber nur jeweilig, in einer bestimmten Zeit. Sowenig dieser ihrer Einheit das widerspricht, was doch Wille selbst hervorhebt, daß die Stoffatome nach wenigen Jahren abgelegt und durch neue ersetzt sind: sowenig widerspricht es ihr, wenn sich das »tiefere Wesen«, das mit dem Tode seine Stoffatome ablegt, nach einer Zeit wieder mit neuen umgibt. Es wird dann eben wieder mit ihnen eins sein. Wenn man so weit klar sieht wie Bruno Wille, dann ist nur ein Hindernis erfindlich, das vor der Wiederverkörperung zurückschrecken läßt, und dieses Hindernis liegt lediglich in dem Ungewohnten der Vorstellung. Nun, dieses Hindernis wird allmählich schwinden. Bruno Willes Ausführungen sind ohne die Idee der Wiederverkörperung ein Organismus ohne Kopf. –

Die Geister unserer Zeit müssen sich nur an eines gewöhnen. Sie müssen das auch noch wahrnehmen lernen, was sie doch gezwungen sind, vorauszusetzen. Sagt man, daß die stoffliche Zusammensetzung nur die äußere Darstellung des tieferen Wesens ist, dann darf man sich nicht darauf beschränken, bloß diese stoffliche Zusammensetzung und ihre ähnliche Fortsetzung im »Tatenleibe« zu charakterisieren, sondern man muß dazu fortschreiten, die tiefere Wesenheit selbst zu verfolgen. Dazu reicht aber die Vorstellungsart nicht aus, die trotz alles höheren Schwunges an den stofflichen Vorgängen hängenbleibt. Dazu müssen allerdings höhere Seelenkräfte geweckt werden, die im Menschen unter gewöhnlichen Verhältnissen schlummern, und die dann ebenso sicher und konsequent auf die übersinnlichen Tatsachen angewendet werden müssen, wie der Naturforscher die seinigen auf die sinnlichen anwendet. Nur dann handeln wir im Geiste der Naturforschung, wenn wir uns mit allen uns nur erreichbaren Erkenntniskräften der ganzen Wirklichkeit gegenüberstellen, nicht aber dann, wenn wir uns durch die Vorurteile der augenblicklichen Naturforschung unsere Erkenntnis beschränken lassen. –

Nur wenn wir die Dauer der Ursache im menschlichen Wesen anerkennen, und wissen, daß dieses Wesen in immer neuen Verkörperungen sich wiederfindet, und daß die Taten der vorhergehenden Verkörperungen das Schicksal für die nachfolgenden sind: dann denken wir auf dem Gebiete des menschlichen Seelenlebens so, wie wir heute als Bekenner der naturwissenschaftlichen Weltanschauung schon in bezug auf die Tatsachen der stofflichen Verwandlungen denken. Die großen Gesetze von Reinkarnation (Wiederverkörperung) und Karma (Schicksalsverkettung durch die Wiederverkörperungen hindurch) sind auf geistigem Gebiete Vorstellungen, die vollkommen sich allen unseren naturwissenschaftlichen Vorstellungen der Gegenwart anschließen. (Demnächst soll in dieser Zeitschrift eine genaue Auseinandersetzung über Reinkarnation und Karma gegeben werden.)

Also notwendig ist die Erweckung der im gewöhnlichen Leben schlummernden Seelenfähigkeiten, die es ermöglichen, das »tiefere Wesen« zu verfolgen, das in der stofflichen Zusammensetzung seine »äußerliche Darstellung« findet. –

Mit diesem »tieferen Wesen« beschäftigt sich ein vor kurzem durch Günther Wagner ins Deutsche übertragenes Schriftchen des englischen Theosophen C.W.Leadbeater: »Die Astral-Ebene, ihre Szenerie, ihre Bewohner und ihre Phänomene« (Leipzig, Th. Griebens Verlag, L. Fernau).

Es handelt von Zuständen, die das »tiefere Wesen« des Menschen durchmacht, wenn es nicht in »stofflicher Zusammensetzung« äußerlich dargestellt ist, und von den Dingen und Wesen, die wir kennenlernen, wenn wir unsere schlummernden Erkenntniskräfte für solche Zustände erweckt haben. Ich sehe schon im Geiste das Hohnlächeln aller derer, die im Übermute ihrer »nüchternen Denkungsart« spottend herabsehen auf solche, die von einer »Astralwelt« sprechen, und doch an »naturwissenschaftlicher Vorstellungsweise« streng festhalten wollen. Denn für sie ist es klar, daß so etwas in die tiefsten Abgründe des Aberglaubens und des Obskurantismus hineinführt, die nach ihrer »aufgeklärten« Meinung in unserer Zeit wieder »frech sich an das Sonnenlicht« hervorwagen, trotzdem es das »nüchterne Denken« doch »so herrlich weit gebracht hat«. Nun, solch unbequeme »Obskuranten« müssen sich heute trösten mit Voltaires schönem Worte: »Jeder neuen Wahrheit geht es, wie den Gesandten zivilisierter Staaten an den Höfen der Barbaren; sie finden erst nach vielen Hindernissen und Beschimpfungen die ihnen gebührende Anerkennung.« –

Man darf sich indes keiner Täuschung darüber hingeben: solche Schriften wie Leadbeaters »Astral-Ebene« sind für die gegenwärtig herrschenden Vorstellungsarten überhaupt schwer verständlich. Sie werden nicht nur von denen mißverstanden, die sie mit Hohnlächeln in das Gebiet des finstersten Aberglaubens verweisen, sondern auch oft von denen, die sich als Gläubige dazu bekennen. Wer keine eigenen Erfahrungen haben kann da, wo das Gebiet der sinnlichen Tatsachen aufhört, der macht sich eben leicht eine ganz falsche Vorstellung von der Art von Wirklichkeit, die in solchen Gebieten herrscht, von denen Leadbeater spricht.

Da, wo unsere sinnlichen Organe keine Eindrücke empfangen, hinter der Schwelle, wo das grob-stoffliche Leben aufhört, da sieht es eben ganz anders aus als in unserer sinnlichen Welt. Will sich aber ein Beobachter der übersinnlichen Gebiete verständlich machen, dann muß er in Bildern sprechen, die von dem sinnlichen Leben hergenommen sind. Das wird leicht falsch gedeutet. Man glaubt, es sehe im Übersinnlichen wirklich so aus, wie es die aus der Sinnenwelt genommenen Bilder, deren sich der Darsteller bedienen muß, wörtlich ausdrücken. Alles, was wir von den Regionen zu sagen wissen, von denen hier die Rede ist, nimmt sich so aus wie die Schattenbilder eines wirklichen Vorganges auf einer Wand. Leadbeater spricht das (Seite 4) deutlich genug aus: »... es ist wohl zu verstehen, daß es einem unerfahrenen Besucher dieser neuen Welt viel Schwierigkeit macht, zu verstehen, was er in Wirklichkeit sieht, und noch viel größere, das Geschaute in der so sehr unzureichenden Sprache der gewöhnlichen Welt wiederzugeben. « –

Noch größere Hindernisse stellen sich natürlich dem richtigen Verständnisse hier entgegen, wenn man urteilen will über solche Dinge, ohne die Neigung zu haben, sich überhaupt auf das einzulassen, was eigentlich gemeint ist. In diesem Falle sind unsere »nüchternen« Denker, sind diejenigen, die sich mit soviel Stolz die »Aufgeklärten« nennen. –

Um dauernd zu sein, muß das tiefere menschliche Wesen in der Zeit, in der es sich nicht in »stofflicher Zusammensetzung« darstellt, irgendwo sein. Nun, es durchwandert in dieser Zeit zwei Weltregionen, die nicht, in gewöhnlicher Art, zu den sinnlichen gehören. Das sind die sogenannten Astral- und Devachanregionen. Von der ersteren spricht Leadbeaters Schrift. Diese Regionen sind immer und überall da. Wir leben in ihnen auch, wenn unser tieferes Wesen in »stofflicher Zusammensetzung« dargestellt ist. Nur sind sie eben nicht sinnlich wahrnehmbar.

Dennoch gehen dort wichtige Dinge vor sich, die ihre Wirkungen in unsere Sinnenwelt herein erstrecken. Der bloße sinnliche Beobachter der Welt kann dann nur diese Wirkungen wahrnehmen, und weiß nichts von deren Ursachen. Derjenige, der schon in seiner »stofflichen« Darstellung die Erkenntniskräfte für die Vorgänge in diesen Regionen erweckt hat, der vernimmt dann diese Ursachen, und er allein kann daher eine Erklärung für die entsprechenden Wirkungen in der Sinnenwelt finden. Gewisse höhere Einsichten sind daher nur möglich, wenn diese Erkenntniskräfte geweckt sind, das heißt, für denjenigen, der in diese Gebiete hineinblicken kann. Man findet da, zum Beispiel, in Leadbeaters Büchlein eine Ausführung über den Verkehr zwischen den in höhere Erkenntnisse Eingeweihten – den sogenannten Adepten – und ihren Schülern.

Die Ergebnisse, die Wirkungen solchen Verkehrs erstrecken sich naturgemäß in die sinnliche Welt herein. Derjenige, der niemals von den astralen Vorgängen gehört hat, weiß nichts von den Quellen solcher Ergebnisse. Es muß das, im besonderen, für diejenigen gesagt werden, welche von der Nutzlosigkeit übersinnlicher Forschungen sprechen. Der Mensch muß suchen, soviel als nur möglich ist, von der Welt zu erforschen, wenn er in ihr wirken will. Sonst tappt er im dunkeln, in einer Welt von Wirkungen, deren Ursachen ihm unverständlich bleiben.

Wer sich um das Übersinnliche nicht kümmert, der versteht auch das Sinnliche nicht; er kennt nur einen Teil der vollen Wirklichkeit. –

Auch soll hier sogleich betont werden, daß durch Leadbeaters Schrift niemand verführt werden soll, auf »des Meisters Worte zu schwören«. Gegen ein Hinnehmen des Gebotenen als unfehlbarer Dogmen verwahrt sich der Verfasser ganz entschieden. –

Unbedingte Autorität darf am wenigsten in diesen Dingen beansprucht werden, insbesondere dann nicht, wenn es auf die Charakteristik der Beobachtungen im einzelnen ankommt. Denn – es sei ganz offen gesagt – in diese übersinnlichen Regionen bringt ein jeder seine Vorurteile aus der sinnlichen Welt mit, und diese beeinträchtigen, färben seine Beobachtungen in einer Weise, gegen die unsere Täuschungen in der sinnlichen Welt ganz geringfügig zu nennen sind. Das geht so weit, daß man zum Beispiel im astralen Gebiet Dinge sieht, die gar nicht dort sind, und anderes nicht, was dort ist. Im besonderen über einzelnes Ausstellungen zu machen, hat niemand ein Recht, denn es kann sein, daß man selbst die Schuld trägt, wenn man etwas nicht auffinden kann, was der andere gesehen hat. Aber was da ist, und beobachtet worden ist, darüber kann gesprochen werden, wenn es ein anderer nicht gefunden hat.

Leadbeaters Darstellung kann, wie er ja selbst zugesteht, auf Vollständigkeit keinen Anspruch machen. Sein Blick ist durchaus nicht unbefangen. Man findet in seiner Schrift die Zustände nach dem Tode bevorzugt, während die Erscheinungen vor und während der Geburt des Menschen durchaus nicht eine ihnen gebührende Darstellung gefunden haben. Wenn nun auch die ersteren vielleicht dem Interesse der Menschen näher liegen, für die Erforschung und Aufklärung der übersinnlichen Erscheinungen sind die höchst interessanten astralen Vorgänge vor und bei der Menschwerdung ungleich wichtiger. Ebenso bleibt von Leadbeater ein Gebiet in der Astralregion ganz unberührt, das auf unserem sinnlichen Felde dem entspricht, was wir »Geschichte« nennen. Denn auch die Astralregion hat ihre Geschichte. Zum Beispiel ergibt sich aus dieser »Geschichte« einer der Gründe, warum im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts die theosophische Bewegung in der Welt aufgetreten ist. Nur im Astralen findet man dafür die tieferen Gründe. –

Manches Komplizierte wird von Leadbeater zu glatt und einfach dargestellt. Wichtige Aufschlüsse über Zusammenhänge unter den Lebewesen, die wir gewinnen können, fehlen ganz. Und was über die Behandlung des sogenannten Humors, der »feurigen und wäßrigen Gemütsarten« durch die mittelalterlichen Forscher (Seite 65) gesagt wird, ist unrichtig. Jeder Beobachter dieser Dinge in der übersinnlichen Region weiß, daß sich hier wichtige Quellen für die Erkenntnis dessen eröffnen, was wir »Temperamente« nennen. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß ich die Schrift allen aufs wärmste empfehle, die in dieses Gebiet eintreten wollen, trotzdem ich die Liste des Fehlenden noch sehr vermehren könnte. Es ist die übersichtlichste und in gewisser Beziehung beste Schrift über dieses Gebiet. (Für meine Berliner Zuhörer darf ich vielleicht anführen, daß ich im Herbst einen Zyklus von Vorträgen über die »astrale Welt« halten werde. Ort und Zeit werden später angegeben.) –

Für uns Deutsche möchte ich nur noch sagen, daß wir den Ausdruck »Astral-Ebene« endlich durch einen anderen ersetzen sollten, da doch allgemein zugegeben wird, daß er so irreführend wie möglich ist.