Steiner soll Goethe laut Zander für die Formulierung seiner »eigenen Weltanschauung« funktionalisiert haben.

Auf S. 469 schreibt Zander:

»Das größte Problem liegt in der Funktionalisierung von Goethes Vorstellungen für Steiners eigene Weltanschauung. In seinen Ausführungen seit Mitte der achtziger Jahre benutzte Steiner Goethe mehr und mehr als Steinbruch und als öffentlich anerkannte Autorität, um den eigenen Vorstellungen den Rückenwind einer gesellschaftlich arrivierten Legitimationsinstanz zu Gute kommen zu lassen. Problematisch war dabei nicht die Formulierung einer Weltanschauung an und mit Goethe, sondern die Unterstellung, es handele sich um eine Interpretation Goethes oder um eine Darstellung seiner ›Weltanschauung‹.«

Zander formuliert hier aus dem unhintergehbaren hermeneutischen Paradoxon einen Vorwurf, der ihn nicht weniger trifft als Steiner, wenn es denn ein Vorwurf ist. Jeder Interpret liest etwas aus dem Interpretierten heraus. Ob andere es ebenfalls darin finden können, hängt davon ab, ob sie sich auf die Lesart des jeweiligen Interpreten einlassen. Auch Zander liest aus Steiner etwas heraus – folgen werden ihm nur die, die sich auf seine Lesart einlassen wollen. Steiners Weltanschauung aus Zanders Sicht ist ebenso Zanders Weltanschauung, als Goethes Weltanschauung aus Steiners Sicht Steiners Weltanschauung ist. Ob diese Anschauungen jeweils übereinstimmen oder nicht, kann nur eine dritte Instanz prüfen, die selbst wiederum vor dem hermeneutischen Paradoxon steht.

Steiner hat schon in seinen »Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller« von 1886 dieses Paradoxon deutlich angesprochen und nicht verheimlicht, dass er Goethe interpretierte und zwar mit der Methode Schillers. Steiner ging es darum, etwas aus Goethe herauszulesen, was nur implizit in den unterschiedlichen Äußerungen seines Geistes enthalten war.

»Goethe war allerdings kein Philosoph im gewöhnlichen Sinne des Wortes; aber es darf nicht vergessen werden, daß die wunderbare Harmonie seiner Persönlichkeit Schiller zu dem Ausspruche führte: ›Der Dichter ist der einzige wahre Mensch‹. Das, was Schiller hier unter dem ›wahren Menschen‹ versteht, das war Goethe. In seiner Persönlichkeit fehlte kein Element, das zur höchsten Ausprägung des Allgemein-Menschlichen gehört. Aber alle diese Elemente vereinigten sich in ihm zu einer Totalität, die als solche wirksam ist. So kommt es, daß seinen Ansichten über die Natur ein tiefer philosophischer Sinn zugrunde liegt, wenngleich dieser philosophische Sinn nicht in Form bestimmter wissenschaftlicher Sätze zu seinem Bewußtsein kommt. Wer sich in jene Totalität vertieft, der wird, wenn er philosophische Anlagen mitbringt, jenen philosophischen Sinn loslösen und ihn als Goethesche Wissenschaft darlegen können. Er muß aber von Goethe ausgehen und nicht mit einer fertigen Ansicht an ihn herantreten. Goethes Geisteskräfte sind immer in einer Weise wirksam, wie sie der strengsten Philosophie gemäß ist, wenn er auch kein systematisches Ganze derselben hinterlassen hat.

...

Für den Weg, den solche Untersuchungen einzuschlagen haben, hat Schiller die Richtung vorgezeichnet. Keiner hat wie er die Größe des Goetheschen Genius geschaut. In seinen Briefen an Goethe hat er dem letzteren ein Spiegelbild seines Wesens vorgehalten; in seinen Briefen über ästhetische Erziehung des Menschengeschlechtes leitet er das Ideal des Künstlers ab, wie er es an Goethe erkannt hat; und in seinem Aufsatze über naive und sentimentalische Dichtung schildert er das Wesen der echten Kunst, wie er es an der Dichtung Goethes gewonnen hat. Damit ist zugleich gerechtfertigt, warum wir unsere Ausführungen als auf Grundlage der Goethe-Schillerschen Weltanschauung erbaut bezeichnen. Sie wollen das wissenschaftliche Denken Goethes nach jener Methode betrachten, für die Schiller das Vorbild geliefert hat. Goethes Blick ist auf die Natur und das Leben gerichtet; und die Betrachtungsweise, die er dabei befolgt, soll der Vorwurf (der Inhalt) für unsere Abhandlung sein; Schillers Blick ist auf Goethes Geist gerichtet; und die Betrachtungsweise, die er dabei befolgt, soll das Ideal unserer Methode sein.« (GA 2, S. 5, 7-8, zitiert nach der ersten Auflage 1886).

Zander behauptet, Steiner habe Goethes Kantrezeption nicht zur Kenntnis genommen und ihn deshalb als Vertreter einer »unbegrenzten Erkenntnis« ausgegeben, während Goethe sich doch explizit gegenteilig geäußert habe.

Auf S. 469 schreibt Zander:

»Die Reduktion auf den jungen Goethe in den Jahren vor 1900 und damit in der formativen Phase von Steiners Goethe-Exegese hat die gesamte epistemologische Konzeption einer ›Erkenntnis-Art Goethes‹ (GA 1,121) in eine Schieflage mit gravierenden Fehldeutungen gebracht: Indem Steiner Goethes Kant-Rezeption nicht realisierte, wurde Goethe zu einem Vertreter unbegrenzter Erkenntnis, und zwar gegen dezidiert anderslautende Aussagen von Goethe selbst.«

Dass Steiner sich auf den »jungen Goethe« vor der Kantrezeption konzentriert habe, ist unzutreffend.

Steiners Hauptleistung besteht in der Kommentierung der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes, die dessen zweiter Lebenshälfte angehören. Die Idee der Urpflanze und der Gedanke der Metamorphose gingen Goethe in Italien auf, als er die Lebensmitte bereits überschritten hatte, seine Farbenlehre vollendete er mit Ende 50.

Was Goethes Kantrezeption anbetrifft, so ist diese ebenso interpretationsbedürftig und vielschichtig, wie sein gesamtes Werk. Kants Postulat prinzipieller Erkenntnisgrenzen hielt Goethe nicht davon ab, das »Abenteuer der Vernunft« auf sich zu nehmen, wie er in seinem Aufsatz »Anschauende Urteilskraft« 1817 ironisch gegen Kant formulierte, und eben jene Bereiche der Wirklichkeit zu erforschen, die nach Auffassung des Philosophen unerkennbar sein sollten.

Goethe schreibt im genannten Aufsatz: »Als ich die Kantische Lehre wo nicht zu durchdringen, doch möglichst zu nutzen suchte, wollte mir manchmal dünken, der köstliche Mann verfahre schalkhaft ironisch, indem er bald das Erkenntnisvermögen aufs engste einzuschränken bemüht schien, bald über die Grenzen, die er selbst gezogen hatte, mit einem Seitenwink hinausdeutete.«

Goethe hielt es für möglich, dass der Mensch sich auch im Intellektuellen, nicht nur im Moralischen »durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig« mache. »Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen.«

Für Goethes Auffassung von der Erkennbarkeit des Wesens der Dinge und seine Ablehnung prinzipieller Erkenntnisgrenzen ließen sich eine Fülle von Belegstellen anführen.

Laut Zander hat Steiner Goethe zu sehr an den Darwinismus angebunden, weil er die darwinistische Evolutionslehre mit einem Programm der teleologischen Entwicklung verband, ohne die »typussprengende Antiteleologie« (des Darwinismus) in Rechnung zu stellen.

S. 469 schreibt Zander:

»Ähnlich problematisch ist die allzu enge Bindung Goethes an den Darwinismus, für die es im Rahmen der Metamorphosenlehre zwar grundsätzlich Anknüpfungspunkte in der entwicklungslogischen Dynamisierung der Naturgeschichte gibt, die aber hoch problematisch wird, wenn Steiner die darwinistische Evolutionslehre mit einem Programm der teleologischen Ent-Wicklung ... verband, ohne die typussprengende Anti-Teleologie in Rechnung zu stellen.«

Steiner hat sich in all seinen Goetheschriften gegen das teleologische Denken gewandt, dessen Überwindung in den Wissenschaften des Organischen er Goethe zuschreibt, weil er nach den immanenten Ursachen organischer Erscheinungen gesucht und diese auch gefunden habe.

Steiner erklärt den nicht teleologisch, sondern gestaltimmanent verstandenen Typus zur Voraussetzung des Darwinismus. Man hat es also in Steiners Synthese von Goetheanismus und Darwinismus immer schon mit einem durch Goethe modifizierten bzw. erweiterten Darwinismus zu tun. So schreibt Steiner 1883 im ersten Band der »Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften«: »Von ähnlichen Beobachtungen, wie ... Goethe, ging auch Darwin aus ... Die Resultate aber, welche von den beiden gezogen werden, sind durchaus verschieden. Während Darwin in jenen [äußeren] Eigenschaften das Wesen des Organismus in der Tat für erschöpft hält und aus der Veränderlichkeit den Schluss zieht: Also gibt es nichts Konstantes im Leben der Pflanzen, geht Goethe tiefer und zieht den Schluss: Wenn jene Eigenschaften nicht konstant sind, so muss das Konstante in einem anderen, welches jenen veränderlichen Äußerlichkeiten zugrunde liegt, gesucht werden. Dieses letztere auszubilden wird Goethes Ziel, während Darwins Bestrebungen dahin gehen, die Ursachen jener Veränderlichkeit im Einzelnen zu erforschen und darzulegen. Beide Betrachtungsweisen sind notwendig und ergänzen einander.« (GA 1, Dornach 1973, S. 77 f.)

Im Folgenden betont Steiner, Goethe habe nicht bloß die Wechselwirkungen der Organismen untereinander und mit der äußeren Natur (Kampf ums Dasein und Anpassung) berücksichtigt, sondern auch die dem Organismus selbst immanente Gesetzlichkeit, die mit der Umgebung wechselwirkende Entität, deren Existenz Voraussetzung jeder Wechselwirkung sei. Darwin habe nur einen dieser beiden Aspekte berücksichtigt. Deswegen könne auch nicht behauptet werden, Darwin sei der legitime Fortsetzer Goethes. Noch einmal kommt Steiner im Kapitel IV. über die Bedeutung der Morphologie Goethes auf den Darwinismus zu sprechen. Auch hier stellt er die beiden Aspekte der inneren Bildeprinzipien und der äußeren Faktoren gegenüber, die sich gegenseitig ergänzen.

Hier unterscheidet Steiner zwischen einer ideellen Differenzierung des Urorganismus in Gattungen und Arten, die auf der Ausbildung bestimmter Organsysteme auf Kosten anderer beruht und den »wirklichen Ursachen« der Differenzierung »Anpassung« und »Kampf ums Dasein«. Die Anpassung sorgt für eine den Umgebungsbedingungen angemessene Gestaltung des Organismus und der Kampf ums Dasein dafür, dass nur die am besten angepassten Wesen überleben. Auch hier betont er, dass diese beiden Faktoren ein konstituierendes Prinzip im Organismus voraussetzen, das sich anpassen kann und in den mannigfaltigen äußeren Formen seine Einheit erhält. Die äußeren Verhältnisse wirken nicht wie anorganische Ursachen, sondern sie sind Veranlassungsgründe, die den Typus dazu herausfordern, bestimmte Formen gemäß seinen Bildeprinzipien auszubilden. »Das Ableiten von Gestaltungsformen eines Organismus aus der umgebenden Außenwelt durch bloße Kausalität würde Goethe geradeso verworfen haben, wie er es mit dem teleologischen Prinzip getan hat, wonach die Form eines Organes auf einen äußeren Zweck, dem es zu dienen hätte, zurückgeführt wurde.« (GA 1, Dornach 1973, S. 77 f.)

Steiner habe, so Zander, bei seiner Goetheinterpretation wegen seiner Verpflichtung gegenüber dem Platonismus der Idee einen hierarchisch höheren Rang als der Sinneserfahrung zugewiesen. Steiners Erkenntnisauffassung sei »essenzialistisch und intuitionistisch«. Die Idee werde von ihm »teleologisch aufgeladen«.

Zander schreibt auf S. 474-475:

»Steiner wollte ... Goethe in der Tradition des Platonismus ... mit den empirischen Naturwissenschaften versöhnen und als kompatibel erweisen ... Trotzdem machte sich bei Steiner eine Hierarchisierung von Idee und Anschauung in der Schwerkraft platonisierender Traditionen immer wieder bemerkbar ... «

Und auf S. 476:

»Vor diesem essentialistischen und intuitionistischen Hintergrund wird die Apotheose der ›Idee‹, die Steiner 1887 formulierte, verständlich.«

Was die angebliche »platonische« Schlagseite und die »Abwertung« der Empirie anbetrifft, zeigt ein kurzer Blick in den ersten Band der »Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften« das Gegenteil.

Die sinnlich wahrnehmbaren Vorgänge der anorganischen Natur sind nach Steiners Auffassung durch Verhältnisse bedingt, die ebenfalls der Sinneswelt angehören. (GA 1, Dornach 1973, S. 71) Diese Vorgänge müssen aus gleichartigen abgeleitet werden. (GA 1, Dornach 1973, S. 71) Um sie zu erkennen, muss die Sinneswelt nicht verlassen werden. (GA 1, Dornach 1973, S. 71) Um eine Erscheinung der anorganischen Welt zu erklären, müssen in die Begriffe nur Elemente aufgenommen werden, die selbst sinnlich wahrnehmbar sind. (GA 1, Dornach 1973, S. 71-72) Die sinnliche Erfahrung wird also keineswegs abgewertet, sondern als konstitutives Prinzip der Erkenntnis angesprochen.

Im Gegensatz dazu ist der Organismus nur aus einem ihm selbst innewohnenden Prinzip verstehbar, das nicht unmittelbar sinnlich erscheint. Dieses entelechische Prinzip bestimmt die Erscheinungen des organischen Lebens aber in Wechselwirkung mit den anorganischen Umgebungsbedingungen. (GA 1, Dornach 1973, S. 71-74) Der Organismus ist ein raumzeitliches Gebilde, das seinen eigenen (arttypischen) Bildungsgesetzen gehorcht. In der organischen Welt durchdringt das Gesetz als Typus die Erscheinung und wird von der menschlichen Vernunft a posteriori erfasst. Der Inhalt des Typusbegriffs stammt zwar nicht aus der Sinneswelt, aber er muss an derselben gewonnen werden. (GA 1, Dornach 1973, S. 108) Doch nicht nur die Erkenntnis des Ideellen, das in der organischen Welt wirkt, geht von der Erfahrung aus, die Sinneswelt in ihrer zeitlich-räumlichen Tatsächlichkeit wirkt auch wesentlich auf das Ideelle zurück, das in ihr zur Erscheinung kommt. Die Verschiedenheit der Erscheinungen in der Pflanzenwelt ist durch die räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten bedingt, in denen sich das entelechische Prinzip entfaltet. Neben der ideellen Differenzierung der tierischen Organismen wirken die Anpassung und der Kampf ums Dasein bei der tatsächlichen Differenzierung der Arten mit. (GA 1, Dornach 1973, S. 98) Allerdings sind die äußeren Verhältnisse lediglich die Veranlassung, »dass sich der Typus in einer bestimmten Form ausbildet; diese Form selbst aber ist nicht aus den äußeren Bedingungen, sondern aus dem inneren Prinzip herzuleiten.«(GA 1, Dornach 1973, S. 98)

Von einer einseitig platonisierenden Tendenz kann im Hinblick auf diese »Einleitungen ...« nicht gesprochen werden. Diese Tendenz liegt auch nicht in den »Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung« von 1886 oder im zweiten Band der »Einleitungen ...« von 1887 vor. Allein folgende Passage aus dem zweiten Band der »Einleitungen ...« widerlegt die These einer einseitig platonisierenden Tendenz: »Der Begriff selbst kennt die Besonderheit gar nicht. Sie muss also in Elementen liegen, die dem Begriff als solchem gar nicht zugänglich sind ... Der Grund der Besonderung kann nicht aus dem Begriff abgeleitet, sondern muss innerhalb der Anschauung selbst gesucht werden. Das, was die Besonderheit eines Objektes ausmacht, lässt sich nicht begreifen, sondern nur anschauen. Darin liegt der Grund, warum jede Philosophie scheitern muss, die aus dem Begriff selbst die ganze anschauliche Wirklichkeit ihrer Besonderheit nach ableiten (deduzieren) will.« (GA 1, Dornach 1973, S. 153-154)

Steiner hat Kant laut Zander »vermutlich« nicht korrekt verstanden, vor allem nicht dessen erkenntnistheoretische Grundfrage.

Auf S. 479 schreibt Zander:

»Unreflektiert beim gegebenen Gegenstand anzusetzen, wäre in Kantischer Perspektive vorkritisches Denken.«

Und auf S. 483:

»Wenn er [Steiner] dabei, wie gesagt, Kant in seinem systematischen Anliegen vermutlich nicht korrekt verstanden hat, könnte dies mit seiner Vorbildung als naturwissenschaftlicher Lehramtsstudent und philosophischer Autodidakt zusammenhängen.«

Zander behauptet, Steiner habe unkritisch das Erkennen untersuchen wollen, ohne zuvor die Möglichkeitsbedingungen des Erkennens zu untersuchen, wie Kant dies gefordert und getan habe.

Steiner hat aber gegen Kant vorgebracht, dass die Untersuchung der Möglichkeitsbedingungen des Erkennens bereits ein Erkenntnisvorgang, eine Anwendung des Erkennens auf einen bestimmten Gegenstand ist, und demnach bereits einen Begriff des Erkennens voraussetzt. Ein Begriff des Erkennens kann nur an der Beobachtung des Erkennens selbst gewonnen werden. Man kann die Möglichkeitsbedingungen des Erkennens nicht erkennen, ohne immer schon zu erkennen. Die Vorstellung, eine solche Untersuchung der Möglichkeitsbedingungen des Erkennens vor allem Erkennen sei möglich, war eine naive Annahme Kants, der seinerseits von der Voraussetzung einer bestimmten Vorstellung der Erkenntnis ausging, eben der, dieses sei ontologisch an die raumzeitlichen, subjektiven Möglichkeitsbedingungen gebunden und könne diese prinzipiell nicht überschreiten. Steiner untersuchte diese Möglichkeitsbedingungen des Erkennens ebenfalls, und kam zum Ergebnis, diese schränkten den Inhalt des Erkennens nicht ein, sondern ließen diesen gerade offenbar werden.

Die »Grundlinien einer Erkenntnistheorie …« enthalten eine ausführliche Diskussion der dogmatischen Voraussetzungen der Kantschen »Kritik der reinen Vernunft« und ihrer fundamentalen ontologischen und erkenntnistheoretischen Implikationen. Steiners Einwände richten sich unter anderem gegen die von Kant behauptete Subjektivität der Wahrnehmungen (Vorstellungen), gegen die angebliche Subjektivität der Begriffe und Ideen, gegen den Kantschen Nominalismus sowie gegen den von Kant entwickelten Begriff der »synthetischen Urteile«.