Als »verlogen« bezeichnet Rahel Uhlenhoff in »Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart« Zanders Umgang mit Zitaten. Sie weist darauf hin, wie Zander eine Aussage Steiners zur Eurythmie durch seine Zitierweise in ihr Gegenteil verkehrt.

Auf S. 1187 schreibt Zander:

»Zugleich konnte Steiner die Eurythmie auch weit weniger ambitioniert beschreiben, nämlich als Einstiegshilfe in Anthroposophie:

›Wenn die Leute zuerst Eurythmie sehen und nicht hören von Anthroposophie, da gefällt ihnen die Eurythmie. DAnn kommen sie vielleicht später, und weil ihnen die Eurythmie gefallen hat und sie erfahren, dass hinter der Eurythmie die Anthroposophie steht, dann gefällt ihnen die Anthroposophie auch.‹ (GA 260, 2788 f.«

Solche utilitaristischen Äußerungen machen deutlich, dass die Stellung der Eurythmie prekär war.

Im von Zander zitierten Vortrag sagt Steiner das genaue Gegenteil. Er sagt nämlich:

»Man wird nicht sagen: ... wenn die Leute zuerst Eurythmie sehen und nichts hören von Anthroposophie, da gefällt ihnen die Eurythmie. ... dann kommen sie später ... [auch zur] Anthroposophie ... Oder: man muss den Leuten zuerst die Praxis der Heilmittel zeigen, ... dann werden die Leute das kaufen. [Und wenn...] sie später einmal erfahren, da stecke die Anthroposophie dahinter, ... dann werden sie auch da an die Anthroposophie herankommen.

Wir müssen den Mut haben, solch ein Vorgehen verlogen zu finden. Erst wenn wir den Mut haben, solch ein Vorgehen verlogen zu finden, es innerlich verabscheuen, dann wird die Anthroposophie ihren Weg durch die Welt finden.« (GA 260, 278f., Dornach 1994)

Was Steiner also als verlogenes Vorgehen beschreibt, das Anthroposophen verabscheuen sollten, genau das, behauptet Zander, hätte Steiner empfohlen.

Einmal mehr findet Zander in Äußerungen Steiners ein »Eingeständnis«, das nur in seiner Phantasie existiert. Abgesichert wird seine Enthüllung durch eine weitere Zitatfälschung.

Auf S. 1188 schreibt Zander:

»Und so versuchte Steiner, die Eurythmie zu entwickeln und zu erweitern. Die Veränderungen, die Steiner bis zu seinem Tod vornahm, stelle ich nicht detailliert dar ... Steiner hat diese Veränderungen auch nicht, wie in anderen Bereichen, abgestritten, sondern sie im Prinzip nach dem Ersten Weltkrieg konzediert:

›Dasjenige, was heute die Eurythmie ist, ist eigentlich erst seit jener Zeit zu den ersten, 1912 gegebenen Prinzipien dazugekommen.‹ (GA 279,22)

›Die Entwickelung der Eurythmie ist so geschehen, dass im Grunde genommen der eigentliche Charakter derselben eigentlich erst im Laufe der Jahre entstanden ist‹ (GA 277,380).

Dies aber war für Steiner ein heikler Punkt, denn das Eingeständnis der konzeptionellen Entwicklung der Eurythmie relativierte ihre Deutungsmöglichkeit als unmittelbare Visualisierung »objektiver«, »geistiger« Größen. Dies wiederum implizierte das Eingeständnis, dass sie eine Geschichte besaß und nicht nur zeitloser Ausdruck übersinnlicher Erkenntnis war.«

Die Frage ist, erstens, ob Steiner mit seinen Sätzen gemeint hat, die Eurythmie habe sich »konzeptionell« entwickelt, sei also der Idee nach zu etwas anderem als vorher geworden, und zweitens, ob eine »Entwicklung« der Eurythmie ihrer Deutungsmöglichkeit als »unmittelbarer Visualisierung geistiger Größen« widerspräche.

Beide Fragen dürfen verneinend beantwortet werden.

Denn erstens bezieht sich der Begriff der Entwicklung bei Steiner stets auf Erscheinungsformen des Geistigen, die sich allerdings in permanenter Wandlung befinden, was zur Folge hat, dass es geradezu paradox wäre, von der Eurythmie zu erwarten, sie habe sich als Erscheinungsform des Geistigen nicht entwickelt. Und zweitens schließt eine solche Entwicklung keineswegs ein, dass sich das »Konzept« der Eurythmie grundlegend gewandelt hat.

Dies wird auch deutlich, wenn man die von Zander zitierten Äußeren im Kontext liest. In GA 279 heißt es am 26.8.1923:

»Dasjenige, was heute die Eurythmie ist, ist eigentlich erst seit jener Zeit zu den ersten, 1912 gegebenen Prinzipien dazugekommen.

Und wir arbeiten fortwährend - denn dasjenige, was heute Eurythmie ist, ist ja ein Anfang - an der Ausgestaltung, an der Vervollkommnung. Sie trägt aber, ich möchte sagen, unbegrenzte Vervollkommnungsmöglichkeiten in sich. Und deshalb wird sie ganz zweifellos, wenn wir längst nicht mehr dabei sind, ihre weitere Ausbildung und ihre weitergehende Vervollkommnung finden und sich dann als eine jüngere Kunst neben die älteren Künste hinstellen können.« (GA 279, S. 22)

In GA 277 dagegen heißt es am 21.7.1923 (von Zander zitierter Text unterstrichen):

»Dass die Eurythmie aus der anthroposophischen Bewegung hervorgegangen ist, ist nicht irgendeiner Willkür entsprechend, trotzdem vielleicht die unmittelbare Veranlassung fast wie ein Zufall aussieht.

Aber die Entwickelung der Eurythmie ist so geschehen, dass im Grunde genommen der eigentliche Charakter derselben erst im Laufe der Jahre entstanden ist, und so entstanden ist, wie er eigentlich nur aus der anthroposophischen Bewegung als der für die neuere Zeit gedachten, für die Gegenwart und nächste Zukunft gedachten geistigen Bewegung hervorgehen muss.« (GA 277, S. 380, Dornach 1999).

Vergleicht man das zweite Zitat mit dem Zitat bei Zander, dann muss man eigentlich schon wieder von einer Zitatfälschung sprechen, denn Zander lässt genau jene Aussagen Steiners weg, in denen dieser betont, die Entwicklung der Eurythmie habe nichts mit Willkür, sondern vielmehr mit einer inneren Notwendigkeit zu tun.

Angeblich soll sich Rudolf Steiners bei der Entwicklung der Eurythmie anfänglich an Leadbeaters Gedankenformen angelehnt haben, zumindest habe er dies Lory Smits geschrieben.

Zander schreibt auf S. 1192:

»Anfangs dürfte Steiner auf Leadbeaters ›Thought Forms‹ Bezug genommen haben, schrieb er doch im August 1912 Lory Smits, dass einige Bewegungen ›Gedankenformen‹ entsprechen sollten.«

An diesem Satz ist so gut wie alles falsch.

Erstens schrieb Steiner nicht an Lory Maier-Smits, sondern der Text, den Zander zitiert, wurde von Lory Maier-Smits selbst verfasst. Es handelt sich um ihre Aufzeichnungen über die Entstehung der Eurythmie.

Der Ausdruck »Gedankenformen« wiederum ist in einem Text aus dem dritten Mysteriendrama enthalten, in einer Regieanweisung, die vorgibt, dass Wesen in tanzartiger Bewegung »Gedankenformen« darstellen sollen, die den Worten Luzifers und Ahrimans entsprechen. Es geht also darum, durch tanzartige Bewegungen Worte sichtbar zu machen. Dargestellt werden die Worte von »Wesen«, die die von Luzifer und Ahriman gesprochenen Worte in Bewegungen umsetzen. Geistige Wesen, die eurythmisch Worte und Gedanken in Körper- und Raumbewegungen umsetzen, haben mit Leadbeaters »Gedankenformen« nicht das geringste zu tun, der weder Luzifer von Ahriman kennt und seine »Thought-Forms« am Mental-Leib des Menschen hellseherisch beobachtet haben will.

Der Text von Lory Maier-Smits vom 24. August 1912 beschreibt die Proben zu der entsprechenden Szene des dritten Mysteriendramas:

»Nach meiner Ankunft fand ich die Mitteilung vor, mich am nächsten Morgen um ½ 10 Uhr in der Turnhalle einer Schwabinger Schule, in der die Proben stattfanden, einzufinden. Ich sollte bei einer ganz erstaunlichen Sache, die bei den Teilnehmern die größte Überraschung, ja sogar etwas wie Befremden erregte, mitwirken. Die Proben fanden um 10 Uhr statt, aber für diese aus dem Rahmen herausfallende Arbeit sollte bereits eine halbe Stunde vorher geübt werden. Was war es aber? Im sechsten Bild des neuen, dritten Mysteriendramas ›Der Hüter der Schwelle‹ sollten ›Wesen in tanzartiger Weise Bewegungen ausführen, welche Gedankenformen, den Worten Luzifers und Ahrimans entsprechend, darstellen‹.

LUCIFER (mit breitem Tone jedes Wort hervorhebend):

In deinem Willen wirken Weltenwesen.

(Von der Seite des Lucifer bewegen sich Wesen heran, welche Gedanken darstellen. In tanzartiger Weise führen diese Bewegungen aus, welche Gedankenformen, den Worten Lucifers entsprechend, darstellen.)

AHRIMAN (auch breit sprechend, doch rauh):

Die Weltenwesen, sie verwirren dich.

(Nach diesen Worten bewegen sich von Ahrimans Seite die Gedankenwesen und führen Tanzbewegungen, seinen Worten als Formen entsprechend, aus. Nach diesen werden die Bewegungen von beiden Gruppen zusammen ausgeführt.)

LUCIFER : In deinem Fühlen weben Weltenkräfte.

(Es wiederholen nun die Gedankenwesen auf Lucifers Seite ihre Bewegungen.)

AHRIMAN: Die Weltenkräfte, sie verführen dich.

(Es wiederholen die Gedankenwesen auf Ahrimans Seite ihre Bewegungen, dann wieder beide zusammen.)

LUCIFER : In deinem Denken leben Weltgedanken.

(Wiederholung der Bewegungen durch Lucifers Gruppe.)

AHRIMAN: Die Weltgedanken, sie beirren dich.

(Wiederholung der Bewegung durch Ahrimans Gruppe. Dann viermalige Wiederholung der Bewegungen jeder Gruppe einzeln und dreimalige des Zusammenwirkens.)

Es handelt sich in diesem Drama um geistige und seelische Vorgänge und in diesem Bild um ein Erlebnis des Capesius, der bei dieser ersten Aufführung auf der Bühne anwesend blieb.

Rudolf Steiner hatte für beide Gruppen eine Anzahl je acht bis neun Personen bestimmt, als Tanzmeister oder Dirigenten Dr. O. Schmiedel bestellt und diesem ganz einfache Formen aufgezeichnet und ihm zu den ersten, also der Lemniskate und dem etwas nach innen gezogenen Viereck, als unausgesprochenen dahinterstehenden Gefühlsinhalt die Worte: ›Ich will‹, zu dem zweiten: ›Ich kann nicht‹ und zu dem dritten: ›Ich muss‹ angegeben. Diese Formen sollten aber nicht gelaufen werden, sondern die Ausführenden sollten in den Formen stehen und wie durch ein gewisses Chaos von der einen in die andere laufen, so dass die Formen in der Ruhe anschaubar wurden. Die Aufgabe unseres Dirigenten war, den Übergang von der einen Form in die andere durch Händeklatschen zu veranlassen und zu beobachten, dass die Formen sich klar und genau zusammenfanden. Bei der Aufführung selbst wurde der Tanz von Musik begleitet und die Übergänge durch Lichtsignale unten an der Rampe dirigiert.

Die Wesen trugen gürtellose, die luziferischen rote, die ahrimanischen fahl grau-blaue Kleider mit ganz leichten, etwas dunkleren Chiffonstolen. Sie mussten den vorne hängenden Teil mit der rechten und den hinten hängenden mit der linken Hand halten und so ihre drei verschiedenen Bewegungen ausführen. Zu der ersten Form eine U-hafte und zu zwei und drei zwei verschieden gerichtete I-Bewegungen. Natürlich mussten die luziferischen Wesen ihre Bewegungen möglichst schmiegsam und anmutig gestalten, die ahrimanischen die gleichen Bewegungen hart und ruckhaft. Alles weitere ist aus den Regieangaben zu ersehen.

Niemand jedoch, weder Mitwirkende noch Zuschauer, ahnten damals, dass sie die allerersten Manifestationen einer neuen Kunst miterlebt hatten.« GA 277a, Dornach 1998, S. 16 f.

Manchmal zitiert Zander aus Bänden der Gesamtausgabe, die gar nicht existieren, zum Beispiel in seinen Extemporationen zur Eurythmie.

Auf S. 1192 schreibt Zander:

»Schärfer noch: Der ›Intellekt‹ ›zerstört das Künstlerische. Er lässt das Anschauliche in die Unanschaulichkeit des inneren Seelenlebens verschwinden.‹ (GA 250a3, 389)«

Einen Band 250a gibt es in der Gesamtausgabe nicht. Der von Zander zitierte Text steht , wie eine Recherche ergibt, in GA 260a. Die Sätze stammen aus einem Artikel Rudolf Steiners über den Kurs für Sprachgestaltung und Dramatische Kunst am Goetheanum, der am 14. September 1924 im Nachrichtenblatt der Anthroposophischen Gesellschaft erschienen ist, hat also mit Eurythmie nichts zu tun. Von Band 260a existiert aber keine dritte Auflage, sondern nur eine zweite, die 1987 erschienen ist. Ein zweites Mal findet sich dieser Text in GA 280 auf S. 215, 1983, 4. Auflage.

Zander tut die Frage, ob Steiner sich als Proletarier verstand oder über proletarische Erfahrungen verfügte, mit einer rotzigen Bemerkung ab. In Steiners Hinweisen auf seine Kindheit in einem Proletarierhaushalt kann er nur eine projektive »Erhöhung«, eine Anbiederung sehen. Auch Steiners Tätigkeit an der Arbeiterbildungsschule zwischen 1899 und 1905 kann Zander nur ideologisch umdeuten.

Auf S. 1245-1246 schreibt Zander:

»Seit 1899 war Steiner als Lehrer an von der von [sic!] Karl Liebknecht gegründeten Arbeiterbildungsschule in Berlin sowie an derjenigen in Spandau tätig ... Dabei glaubte er zwar, sein ›Proletarier-Bewusstsein bewiesen‹ zu haben, stellte sich aber gegen die marxistische Fraktion und bestritt den historischen Materialismus ...

Als politische Lehrjahre fallen die Jahre an der Arbeiterbildungsschule im Großen und Ganzen aus. 1919 hat Steiner seine Zeit an der Arbeiterbildungsschule allerdings in eine prägende Phase überhöht:

›... Ich habe gelernt, den Proletarier dadurch zu verstehen, dass ich selbst mit ihnen, mit den Proletariern gelebt habe, dass ich herausgewachsen bin aus dem Proletariat, mit dem Proletariat auch hungern lernte und musste. Aus diesen Untergründen heraus spürte man schon dazumal, das ich nicht aus der Theorie, sondern aus einer ganz gehörigen Praxis heraus zu sprechen in der Lage bin.‹ (GA 331,167)«

Diese kurzen Passagen bieten wieder eine Fundgrube an Zanderschen »Wahrheiten«.

Zunächst scheint es Zander nur möglich, dem Proletariat anzugehören, wenn man zugleich Marxist ist und an den historischen Materialismus glaubt, was natürlich ein Unsinn ist. Dann bleibt die Frage völlig offen, warum Steiners Jahre an der Arbeiterbildungsschule »als politische Lehrjahre« ausfallen sollen. Immerhin war Steiner 6 Jahre an der Arbeiterbildungsschule tätig und schon oberflächlichem Nachdenken fällt auf, dass drei grundlegende Aufsätze Steiners zu sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen die Zeit seiner Tätigkeit an dieser Arbeiterbildungsschule gleichsam umrahmen: die beiden Artikel »Die soziale Frage« und »Freiheit und Gesellschaft« aus dem Jahr 1898 sowie »Geisteswissenschaft und soziale Frage« aus den Jahren 1905-06.

Schließlich zitiert Zander, um seine Behauptung zu belegen, Steiner habe seine Tätigkeit an der Arbeiterbildungsschule später »überhöht«, aus einem Vortrag von 1919. Diesen Vortrag zitiert Zander nicht nur falsch, er verweist auch noch auf eine falsche Fundstelle und versteht die Äußerungen Steiners außerdem falsch.

Die von Zander zitierte Passage findet sich nicht in GA 331, sondern in GA 328, auf S. 166-167 (Dornach 1977), in der Diskussion nach einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel »Welchen Sinn hat die Arbeit des modernen Proletariers?«, den Steiner am 8. März in Zürich gehalten hat.

Hier der Wortlaut (Zanders Zitat und Einfügungen, sowie seine nicht gekennzeichneten Auslassungen sind durch Unterstreichungen und [...] kenntlich gemacht):

»Wer darf sich denn eigentlich zu den Proletariern rechnen? Derjenige der mit den Proletariern, zu den Proletariern reden darf dadurch, dass er durch sein Schicksal und durch eigene Kraft sich dazu durchgerungen hat, so zu reden, wie ich es heute aber auch nur als freier Redner kann. Denn in den Kreisen, mit denen mir vorgeworfen worden ist, Gemeinschaft zu haben, ja, da bin ich vielleicht schon genau ebenso, vielleicht noch viel übler behandelt worden, als ich heute abend hier behandelt worden bin. Es ist doch etwas anderes, wenn man sich, wie ich, ja auch entsprechend durchgerungen hat; ich werde es auch weiter in dem kurzen Leben, das mir noch zur Verfügung steht. Ich habe mich aber jahrelang durchgerungen dadurch, dass ich mit den Proletariern gesprochen, mit den Proletariern gearbeitet, mit dem Proletariat mitgehungert habe. Ich habe nicht «Postbeamte gefragt, wie viel sie haben, um dabei verhungern zu können», sondern ich habe selbst mithungern müssen. Denn diejenige Familie, aus der ich herausgewachsen bin, war in einer viel übleren Lage, als vielleicht jene «Postbeamten» alle, die man heute fragen kann. Ich habe nicht allein gelernt, den Proletarier [dadurch] zu verstehen dadurch, dass ich über ihn denken lernte, sondern ich habe gelernt, den Proletarier dadurch zu verstehen, dass ich selber mit ihnen, mit den Proletariern gelebt habe, dass ich herausgewachsen bin aus dem Proletariat, mit dem Proletariat auch hungern lernte und musste. Aus diesen Untergründen heraus spürte man schon dazumal, als ich jahrelang mit Arbeitern zusammenarbeiten konnte, dass ich nicht aus der Theorie, sondern aus einer ganz gehörigen Praxis heraus zu sprechen in der Lage bin. Ich glaube, das kann auch eine Grundlage dazu abgeben, ob man ein gewisses Recht hat, zu Proletariern zu sprechen oder nicht.«

(GA 328, Dornach 1977, S. 166-167)

Die Äußerungen Steiners über seine Herkunft aus dem Proletariat beziehen sich auf seine Kindheit (»diejenige Familie, aus der ich herausgewachsen bin, war in einer viel übleren Lage«), in dieser hat er mithungern müssen, im Hinblick auf diese Kindheit spricht Steiner davon, dass er aus dem Proletariat »herausgewachsen« sei (im Sinne von »darin aufgewachsen«), dass er »mit dem Proletariat hungern lernte« und hungern »musste«. Steiners Argumentation verläuft über den Dreischritt: proletarische Kindheit, Zusammenarbeit mit Proletariern (in Berlin), Reden über Proletarier (in Zürich). Davon, dass Steiner seine Zeit an der Arbeiterbildungsschule »überhöht« hätte, kann natürlich keine Rede sein.