Zander schreckt nicht davor zurück, sich der übelriechendsten Quellen zu bedienen, wenn er aus ihnen Material gegen Steiner schöpfen kann. Ein Beispiel dafür liefert das Kapitelchen »Neue Liebe«. Es zeigt exemplarisch, wie Zander im Verlauf von zwei Seiten aus »gehässigen Halbwahrheiten« wahrscheinliche Tatsachen macht.
Auf S. 171-173 schreibt Zander:
»Anna Eunike dürfte mit der Sensibilität der Gattin gemerkt haben, dass Marie von Sivers für Steiner mehr war, als eine intellektuelle Dienstbotin aus dem theosophischen Büro. Diese junge Dame war dabei, die Rolle der Geliebten an Steiners Seite einzunehmen. ...
Für Steiner wurde eine Ménage-à-trois wahr, aber der Traum, wenn er denn einer war, mutiert zu einem kleinen Albtraum. Denn in diesen Monaten, vielleicht in Schlachtensee, soll ›es‹ dann passiert sein. Steiners Stieftochter Emmy spähte durch die Jalousie in ein Zimmer, in dem sich ihr Stiefvater und seine Geliebte befanden, und sah, ›dass die beiden, im Bett liegend, sich so benahmen, wie eben Mann und Frau in erotischer Weise zusammenkommen‹. Diese Auskunft hat allerdings ein doppeltes Problem: Emmy Eunike war vermutlich nicht gut auf ihren Stiefvater zu sprechen. Schwerer noch wiegt, dass Schwartz-Bostunitsch, der behauptete, einen persönlichen Brief von Emmy Eunike mit diesen Informationen zu besitzen, ein völkischer Steiner-Hasser war ... All das klingt doch sehr nach gehässigen Halbwahrheiten, aber dass Steiner mit Marie von Sivers möglicherweise geschlafen hat, ist deshalb nicht auch gleich eine Falschmeldung ...
Bald darauf dürfte sich die gehörnte Ehefrau mit ihren Kindern von Steiner getrennt haben.«
Ein Leser, der einigermaßen bei Verstand ist, wird sich bei der Lektüre dieses Kapitels, das hemmungslos Möglichkeit und Wirklichkeit durcheinandermischt, aus der Möglichkeit eine Wirklichkeit ableitet, um diese Wirklichkeit im nächsten Satz wieder als bloße Möglichkeit zu relativieren, an den Kopf greifen. Mit beispielloser Chuzpe zaubert Zander aus einer »gehässigen Falschmeldung« am Ende doch eine Tatsache hervor: eine »gehörnte Ehefrau«, die sich von ihrem untreuen Gatten getrennt – »haben dürfte«.
Bei all diesen Ausführungen stützt sich Zander auf eine einzige Quelle: den SS-Obersturmbannführer Gregor Schwarz-Bostunitsch, den er verharmlosend als »völkischen Steiner-Hasser« bezeichnet. Dieser hatte in seiner Broschüre »Doktor Steiner – ein Schwindler wie keiner. Ein Kapitel über Anthroposophie und die geistige Verwirrungsarbeit des ›Falschen Propheten‹« (München 1930) auch behauptet, Steiner habe seine ehemalige Ehefrau Anna Eunike aus einer vorüberfahrenden Straßenbahn »astralisch stranguliert«, also ermordet. Allein diese Behauptung sagt genug über die Geistesart des Zeugen, auf den Zander sich stützt. Doch trotz seiner Relativierung meint er, »dass Steiner mit Marie von Sivers möglicherweise geschlafen hat, ist deshalb nicht auch gleich eine Falschmeldung«.
Dass Steiner »möglicherweise« mit Marie von Sivers geschlafen hat, ist keine Falschmeldung! Es ist überhaupt keine Meldung! Oh Lektorat ...!! Oh du armer Piper-Verlag, der du offenbar gezwungen bist, solche Schmierenkomödien zu veröffentlichen!! Dass Helmut Zander möglicherweise mit der Jungfrau Maria geschlafen hat, ist ebenfalls keine Falschmeldung. Und dass sich seine gehörnte Ehefrau bald darauf von ihm getrennt haben dürfte, wenn diese Behauptung zuträfe, ist gewiss auch keine Falschmeldung.
In Schwarz-Bostunitschs Pamphlet kann man unter anderem auch lesen:
»Zunächst steht vor der völkischen Welt die Frage, ob Steiner Jude war oder nicht? ... Der Umgang also spricht ... deutlich genug, noch deutlicher spricht Steiners Gesicht ... wenn Steiner nicht wie ein Jude aussieht, wer soll dann jüdisch aussehen?
Steiner selbst leugnet zwar sein Judentum, aber mit Recht bemerkt Karl Rohm: ›Das stempelt Steiner zum Juden, dass er jüdisch denkt, jüdisch spricht, jüdisch lehrt ... Steiners Stil ist geradezu unmöglich, und sogar getreue Steiner-Jünger, denen das selbständige Denken noch nicht völlig in der anthroposophischen Bewegung abgewöhnt worden ist, nehmen daran Anstoß ...‹«
Schwarz-Bostunitsch schrieb am 8. Juli 1940 an den Reichsleiter Alfred Rosenberg:
»Herr Reichsleiter!
Hochverehrter Pg. Rosenberg!
Während unsere heldenmütige Armee, draußen ihr Letztes hingebend, den äußeren Feind auf’s Haupt schlägt, erhebt im Inneren des Landes der interne Feind um so dreister sein Haupt. Ja, er wähnt sich jetzt unbehelligt und nimmt das alte Handwerk der Verseuchung der Seele des deutschen Volkes frischfröhlich wieder auf. Ich meine die ungeheuere anthroposophische Propaganda, die täglich immer mehr an Boden gewinnt, die ihre getarnten Apologeten überall hereinzuschieben trachtet, die als ›Christgemeinschaft‹ getarnt die Kirche zu werden bestrebt ist und die nun jetzt offen dazu übergeht, die seinerzeit eingezogenen und als nicht erwünscht erklärten Bücher und Vortrags-Zyklen von Dr. Rudolf Steiner neu aufzulegen und massenhaft zu verbreiten. Der neue Verleger heißt Emil Weises Buchhandlung Karl Eymann, Dresden A 1. Eins seiner (Steiners) Hauptwerke wurde 1939 in 3000 Exemplaren (49.-51. Tausend) gedruckt. Und das auf blütenweißem Papier, während unsere Verleger wegen Papiermangel unsere Werke nicht herausbringen können! Die Jägersche Buchhandlung in der Potsdamer Straße betreibt en gros Steiner-Propaganda und verkauft sogar Photos von diesem Seelenverseucher in Taschenformat für 1.20! Dabei Riesenabsatz.
Herr Reichsleiter! Dank Ihnen wurde ich vor elf Jahren sehend in dieser Frage und schrieb die von Ihnen damals im ›Weltkampf‹ gebrachten Artikel ›Falsche Propheten‹ usw. und dann die Sonderausgabe ›Doktor Steiner – ein Schwindler wie keiner!‹ Diese Veröffentlichung hat mir den Rest gegeben. Sämtliche Juden, Jesuiten, Freimaurer und Kommunisten haben mir nicht soviel geschadet und schaden mir nicht soviel bis auf den heutigen Tag, wie die Anthroposophen. ›Wir werden dafür sorgen, dass Schwartz-Bostunitsch es niemals zu etwas bringt‹, sagten die Anthroposophen vor Zeugen nach der Machtergreifung, und sie haben ihr Wort gehalten. Denn gegen geheime Verleumdung ist ein anständiger Mensch wehrlos, und zur offenen haben diese Feiglinge nie den Mut. Doch es geht hier nicht um mich. Ich habe mich mit meinem beispiellos tragischen Los längst abgefunden. Ich habe seit 1923 (angefangen mit Scheubner-Richters ›Aufbau‹) bis auf den heutigen Tag für die großen Ideen unseres Führers nicht um den Lohn willen, sondern um Deutschlands willen gekämpft. Und Deutschland geht es, Gott sei Dank, gut. Dass auch ich und meine treue Mitkämpferin, meine Frau, unser Scherflein zum Baue des stolzen Doms, Großdeutschland genannt, beitragen durften, erfüllt uns mit Freude und Stolz, und ist unsere Rechnung beglichen. Wenn heute mein Wissen und Können, meine langjährige Erfahrung und mein erprobter Kampfmut brach liegen, nun, so muss es so sein. Aber bis jetzt hatte ich die Genugtuung, dass wenn auch ich unter die Räder komme, der stolze Wagen fährt den richtigen Weg. Die Gewährung aber einer freien Bahn solchen Volksschädlingen, wie die Anthroposophen, lässt die bittersten Zweifel aufkommen. Und daher schreibe ich diese Zeilen.
Sie, hochverehrter Reichsleiter, sind der Beauftragte des Führers für die gesamte weltanschauliche Schulung der Partei und ihrer Gliederungen. Daher geht es Sie in erster Linie an, wie hinter Ihrem Rücken, die von Ihnen konsequent seit Beginn Ihrer Tätigkeit abgelehnten Anthroposophen nun ihr Schlangenhaupt erheben. Ihnen und Ihrer Weltanschauung, die ich 100% teile und in meinen Schulungsvorträgen propagiere, gilt der erste Biss der giftigen Otter. Entweder ›Mythus des XX. Jahrhundert‹ oder ›Das Christentum als mystische Tatsache‹, wie Steiner sein zusammengestohlenes Werk nennt. Entweder ›Blut und Ehre‹ – oder ›Wie erlangt man die Erkenntnis höherer Welten‹. Eine Symbiose dieser zwei Weltanschauungen kann es nicht geben. Wenn wir ein totalitärer Staat sind – und das sind wir – wenn wir nur eine politische Schau zulassen, nur eine wirtschaftliche Linie, nur eine militärische Ausrichtung, so kann es auch nur eine Philosophie des Seins geben – entweder die Rosenbergsche oder die Steinersche. Wir haben schon genug gegen die Bekenntniskirche auszustehen, genug gegen die päpstlichen Hetzkolonnen, um noch unsere letzten Kräfte gegen die Seuche zu verausgaben, die um so gefährlicher ist, als ihre Bazillenträger Leute von gewisser Intelligenz auftreten, die in Beamtenstellungen und auch in der Partei festen Fuß gefasst haben, die nie sich offen als Anthroposophen zu erkennen geben, sondern immer nur von Sympathien zu dem zu Unrecht (!) verfolgten Dr. Steiner reden, die angeben, in seinen blöden, verwirrenden Schriften einen seelischen Halt zu finden, die den Nationalsozialismus – wenn sie sich unter sich wähnen – als verkappten Materialismus bezeichnen und was der Dinge mehr sind.
Hochverehrter Herr Reichsleiter! Sie sprachen einmal das gewichtige Wort, dass alte Kämpfer, die es auch heute zu nichts gebracht haben, nicht in ihrem Glauben, in ihrer Weltanschauung erschüttert werden dürfen. Das drohen die Anthroposophen zu tun, solange man sie nicht erneut verbietet, und zwar mit allen ihren Ablegern, wie die berüchtigten Waldorff-Schulen und Tarnungen, wie die Christgemeinschaft, ihre Bücher einzieht, ihren Reliquienhandel mit Steiner-Bildern untersagt und sie selbst unter Polizeiaufsicht stellt, denn sie sind schlimmer, wie die Freimaurer, deren Abart sie ja bekanntlich darstellen (Mystica aeterna des Homosexuellen Theodor Reuß und seines Adepten, des Weiberherzog).
In diesem Sinne, ohne irgendwelche persönlichen Ziele oder Interessen zu verfolgen, hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen, unserem Lehrer und Wegweiser, das oben Geschilderte zu unterbreiten. Nehmen Sie es so auf, wie es gemeint war: aus schlichten Herzen kommend und zu leuchtenden Geiste appellierend.
Sieg Heil dem Führer! Ihr treu ergebener
Gregor Schwartz-Bostunitsch
SS Obersturmbannführer«
Der Brief wurde abgedruckt in: Beiträge zur Dreigliederung, Hrsg. Arfst Wagner, Heft 43, Frühjahr 1995, S. 101-104.
Da die verleumderische Behauptung schon einmal in die Welt gesetzt ist, Steiners Schulungsmethoden hätten zu seelischen Schäden geführt, kann Zander nachkarten und behaupten, solche Probleme seien auch bald in die Öffentlichkeit gedrungen. »Bald«, das heißt bei Zander 1915-1917.
Auf S. 242-243 schreibt Zander:
»Es ist kaum überraschend, dass die psychischen Probleme aus den Schulungen bald an die Öffentlichkeit drangen.26 Aber öffentlich hat sich Steiner zu den Gerüchten und Fakten dazu kaum geäußert.«
Anmerkung 26 verweist auf: Bamler, Erich: »Erlebnisse in der Schulung Dr. Steiners«, in: Theosophie, 6/1915-16, S. 326-334; ders.: »Dr. Steiners Geheimschulung«, in Psychische Studien, 44/1917, S. 127-133.
Nun ist wichtig zu wissen, dass sowohl die Zeitschrift Theosophie als auch die Psychischen Studien Plattformen von Steinergegnern waren. Die Theosophie vertrat den Standpunkt der Adyar-Theosophen und wurde von Hugo Vollrath herausgegeben, der 1908 aus der deutschen Sektion ausgeschlossen worden war, bekanntlich wesentlich zum Bruch zwischen Besant und Steiner beigetragen hatte und von ersterer 1911 zum Sekretär des Ordens des »Sterns im Osten« ernannt worden war.
Die Äußerung Ellic Howes, Vollrath sei ein »geistreicher Schurke mit einem Hang zum Okkultismus« gewesen, wurde bereits zitiert, wobei es sich bei dieser Äußerung noch um ein englisches Understatement handelt.
Der 1887 geborene Vollrath fälschte nicht nur eine Dissertation, um sich mit dem Doktortitel zu schmücken, er wurde 1914 nicht nur von einem Kriegsgericht wegen Fahnenflucht verurteilt, er war auch Plagiator eines Plagiators: er gab unter dem Pseudonym Walter Heilmann die von Max Heindel (alias Max Grashoff) in Amerika veröffentlichten »Lehrbriefe für Rosenkreuzer«, die Plagiate von Mitgliedervorträgen Steiners darstellten, nach dem I. Weltkrieg gegen Bezahlung an Mitglieder einer fiktiven Rosenkreuzergesellschaft ab, als deren angeblicher Sekretär sein alter ego Heilmann fungierte.
Vollrath pflegte später innige Beziehungen zu keinem Geringeren als Rudolf von Sebottendorf, dem Gründer der Thulegesellschaft. Sebottendorf wurde im Spätherbst 1920, nach dem Verkauf des »Völkischen Beobachters« an die NSDAP, Redakteur der von Vollrath herausgegebenen »Astrologischen Rundschau«, schrieb und edierte für dessen Verlag ein halbes Dutzend Bücher und übersetzte das Buch »The Message of the Stars« von – Max Heindel. Vollrath trat im Frühjahr 1933 eilends in die NSDAP ein und vollzog einen Schwenk seiner »Astrologischen Rundschau« auf die Linie des NS-Rassismus. Vollrath starb im Jahr 1943 vermutlich in Leipzig.
Die von Alexander Aksakow begründeten und von Friedrich Mayer herausgegebenen Psychischen Studien, die sich hauptsächlich mit Spiritismus befassten, veröffentlichten ebenfalls Aufsätze von Gegnern Steiners.
Die Psychischen Studien führten seit 1916 eine Kampagne gegen Steiner, veröffentlichten von Januar bis Oktober 1917 gegen die Anthroposophie gerichtete Beiträge des Plagiators Max Seiling und eben auch den Aufsatz Erich Bamlers. Seiling scheute nicht davor zurück, für seine Kampagne die Wahnvorstellungen einer Geisteskranken (Ruth von Schmettau) auszuschlachten. Diese beschuldigte in einem Aufsatz in den Psychischen Studien Steiner, »sexuelle Magie« ausgeübt zu haben.
1918 veröffentlichte Seiling sein Pamphlet »Die anthroposophische Bewegung und ihr Prophet«, das eine erweiterte Ausgabe der Aufsätze aus den Psychischen Studien darstellte. Darin teilte er mit: »Hier habe ich zu bekennen, dass ich, angezogen von der theosophischen Lehre, 8 Jahre lang Mitglied der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft war und, unter der suggestiven Macht Steiners stehend meine Christus-Schrift ... verfasst habe, dass aber mein allmählich wieder erwachendes kritisches Verhalten mich schließlich zur gänzlichen Lossagung vom neuen Propheten und seiner Gemeinde geführt hat.« In seinem Nachwort gab er bekannt, zur katholischen Kirche übergetreten zu sein. Er sei »immer mehr zu der Überzeugung« gekommen, »dass das wahre Heil einzig in der katholischen Kirche zu finden ist«.
Angeblich hat sich Steiner »zu den Gerüchten und Fakten öffentlich kaum geäußert«. Abgesehen davon, dass es keine Fakten, sondern nur Gerüchte gab, äußerte sich Steiner durchaus über Seiling, Bamler und Konsorten. Seine grundsätzliche Haltung gegenüber diesen verleumderischen Pamphletisten: »Man ist eigentlich töricht, wenn man das Wesenlose ernsthaftig widerlegen will.« (Im Grunde gilt diese Bemerkung auch für unsere Auseinandersetzung mit Zander. Aber da das Wesenlose starke Wirkungen hervorruft, lässt es sich leider nicht vermeiden, töricht zu sein.)
Über Bamler äußerte sich Steiner zum Beispiel am Rande eines Vortrags im Mai 1917:
»Da ist ein Mensch – vor vielen Jahren kam sein Name zum ersten Mal vor unsere Augen –, er stammt aus einer kleinen Stadt, und Frau Dr. Steiner empfing eines Tages ein Schreiben, wie sie so oft vorkommen: Ich fühle mich unglücklich in meiner Lage, ich möchte meine Lage verbessern. –
Und einer der Briefe, die diesen Ton hatten, stellte die Frage nach einem Rat, der dem betreffenden Menschen gegeben werden sollte: ob er besser täte, in irgendein Haus, in ein Geschäft einzuheiraten, oder aber auf irgendeine andere Weise seinen weiteren Weg in der Welt zu suchen. Ja, man muss schon die Wahrheit ungeschminkt sagen, wenn man den Dingen auf den Grund kommen will, und wenn man nicht blind demjenigen, was sich in der nächsten Zeit abspielen wird, gegenüberstehen will. Nun wurde dem Manne zwar begreiflich gemacht, dass wir uns mit der Frage nicht beschäftigen können, ob er irgendwo hineinheiraten solle oder nicht, aber da er nicht nachließ, so wurde ihm auch bereitwillig manches zur Verfügung gestellt, was geeignet war, seinen Bedürfnissen nach geistiger Belehrung, die er zu haben vorgab, entgegenzukommen. Indem er sich solchen geistigen Dingen hingab, wie er sie sich vorstellte, kam er sehr bald darauf, dass es doch für einen so großen Geist nichts wäre, in einer kleinen Stadt ein Geschäft zu versorgen. Er sehnte sich nach größeren Kreisen. Er hatte sich offenbar einiges erspart und kam nach Berlin. Er fand, dass es ja ganz schön ist, Geisteswissenschaft zu treiben, allein er fühlte in sich auch ein besonderes künstlerisches Talent, und er verlangte nun von der Gesellschaft, dass sie dieses fördere. Man kommt ja gerne den Leuten zu Hilfe, nicht wahr. Die Proben, die der Betreffende aus seiner Kunst gab, sprachen zwar gegen alles Talent, aber mancher lernt ja auch ohne Talent so viel, dass es knappen Ansprüchen manchmal genügt. Und so kam es denn, dass der Betreffende an verschiedene Mitglieder, die das oder jenes ihm schaffen konnten, empfohlen wurde, dass man ihn förderte. Allein immer stellte es sich heraus, dass die Sache namentlich daran scheiterte, dass der Betreffende zwar eine Kunst ausüben, aber nichts lernen wollte, weil er der Ansicht war, mehr zu können als alle die Lehrer, die für ihn sorgen wollten. Und die Folge war, dass, weil er jedem Lehrer davonlief, man am Schlüsse gar nichts mehr tun konnte. Man hatte Nachsicht über Nachsicht, konnte aber nichts Besonderes mehr tun, es gefiel dem Betreffenden nichts. Denn selbstverständlich war das wiederum in seinen Augen so ein eklatanter Fall, wie die Welt das werdende Genie verkennt! Dass niemand anderer diese Ansicht in ehrlicher Weise teilen konnte, ja, meine lieben Freunde, es war wahrhaftig nicht unsere Schuld. Das ist die Hauptsache, alle anderen Dinge sind Nebensache. Und so ging es denn bei diesem Menschen so, wie es bei vielen geht. Sie suchen zuerst eine Förderung innerhalb unserer Gesellschaft, und wenn ihnen diese Förderung nach ihrem Sinn nicht zuteil wird, werden sie Gegner. Und dann treten sie mit allerlei Dingen auf. Von dem, was hinter den Dingen steht, davon reden sie nie, selbstverständlich. Sie treten mit allerlei Dingen auf, die man dann am besten widerlegt, wenn man erst die Gründe darlegt. Selbstverständlich war es die purste gekränkte Eitelkeit und Unfähigkeit in diesem Falle. Und alles übrige, was nun als Brimborium darauf aufgerichtet wurde, war die allertörichteste Erfindung, die allertörichteste Phantasterei. Aber heute findet man selbstverständlich die Journale, die diese Dinge aufnehmen. Denn der Betreffende, den ich meine, heißt Erich Bamler. Und wenn man den Dingen bei solchen Unternehmungen wahrhaftig auf den Grund geht, dann hat man nicht nötig, sich solch einen Aufsatz herzunehmen, der zumeist gar nichts besagt, weil alle einzelnen Dinge ja gar nicht das ausdrücken, was sie sagen, sondern sie gehen ja aus ganz anderen Dingen hervor. Und man ist eigentlich töricht, wenn man das Wesenlose ernsthaftig widerlegen will. Denn darauf kommt es ja gar nicht an, sondern auf dasjenige, was dahinter liegt.« (GA 174b, Stuttgart, 11. Mai 1917)